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Autoverkehr der Zukunft: Viele Fragen, kaum Antworten

22.12.2016 08:55 Uhr
Autoverkehr der Zukunft: Viele Fragen, kaum Antworten
Auch Nissan beschäftigt sich intensiv mit dem autonomen Fahren.
© Foto: Nissan

"Future Lab" heißt die Abteilung von Renault-Nissan, die sich um Zukunftsfragen kümmert. Aktuell geht es vor allem um das selbstfahrende Auto. In Barcelona stellten die Wissenschaftler jetzt ihre ersten Erkenntnisse vor.

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Von Peter Maahn/SP-X

Wenn hochbegabte Forscher in die Zukunft schauen, stellen sie meist recht einfache Fragen, auf die es nach dem heutigen Stand der Technik kaum Antworten gibt. Das ist eine der ernüchternden Erkenntnisse einer Bestandsaufnahme, die jetzt von Experten des Nissan Future Lab vorgelegt wurde. Die Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen erforschen für den Autokonzern Renault-Nissan von drei Kontinenten aus, was ein künftiges selbstfahrendes Auto alles können muss. Sie denken über die kommende Nutzung eines Privatwagens zum Beispiel beim Carsharing nach, sprechen von immer dichterer Vernetzung des Autos mit der Umwelt via Internet und prophezeien eine neue Form des menschlichen Zusammenlebens.

Da ist zum Beispiel Melissa Cefkin, die für Renault-Nissan im kalifornischen Silicon Valley Verhaltensweisen im Alltagsverkehr erforscht. Sie untersucht, wie an einer Kreuzung Auto und Fußgänger miteinander kommunizieren, wenn keine Ampeln das Miteinander regeln. "Oft gibt es Blickkontakt oder auch Gesten des Fahrers, wenn ein Fußgänger zögernd vor dem Übergang wartet", berichtet sie. Das muss in Zukunft statt eines Menschen hinterm Steuer auch ein autonom fahrendes Auto können. "Kontakt zur Außenwelt aufnehmen", erklärt die Sozial-Anthroposophin mit Doktortitel, "ist eine der wichtigsten Forderungen an das selbstfahrende Auto von morgen. Es muss lernen, wie ein Mensch zu denken".

Das alles ist an einer wenig befahrenen Kreuzung dank der vielen Sensoren am Zukunftsmobil vergleichsweise leicht zu beherrschen. Aber was ist mit den Mega-Cities dieser Welt? Mit dem vielspurigen Kreisverkehr am Arc de Triomphe in Paris, dem Chaos am New Yorker Times Square oder dem Innenstadt-Gewühl in Mumbai, wo sich das Recht des Stärkeren die Vorfahrt erkämpft. Die Forscher räumen ein, dass es überall auf der Welt verschiedene Bedingungen gibt, die auch mit dem Charakter und der Kultur des jeweiligen Landes in Zusammenhang stehen.

Kulturelle Programmierung

Maarten Sierhuis, der Chef des Nissan-Future Lab im Silicon Valley, zeigt Beispiele an Hand von Videos. In den USA wird auf Fußgänger in der Regel besondere Rücksicht genommen, deutlich markierte Übergänge, Aufmerksamkeit beim Rechtsabbiegen oder betont langsames Fahren, wenn Passanten die Straße überqueren wollen. Ganz anders eine gefilmte Szene aus der brasilianischen Megacity Sao Paulo. Hier ist zu sehen, wie sich Autofahrer auf einem Zebrastreifen an einer Kreuzung im Schritttempo ihren Weg durch den Strom von Fußgängern erzwingen. Ein Fahrzeug, dass kurz stehenblieb, wurde mit wütendem Hupkonzert bestraft. Sierhuis: "Das ist dort üblich. Ein selbstfahrendes Auto muss also auf die Gepflogenheiten des Landes programmiert werden, in dem es unterwegs sein soll."

Eine solche Programmierung muss Tausende von denkbaren Szenarien berücksichtigen. Wie das gelingen soll, sagen die Wissenschaftler nicht. "Das ist auch nicht unsere Aufgabe", sagt einer. "Wir erforschen nur, in welche Richtung entwickelt werden soll, wie das Leben draußen im Verkehr tatsächlich ist." Also bleibt es den Ingenieuren überlassen, wie sie die technischen Herausforderungen bewältigen. Fest steht: Mit heutigen Mitteln ist der immer dichter werdende Stadtverkehr für ein selbstfahrendes Auto nicht beherrschbar. Auch deshalb, weil ein zunächst einsames autonomes Fahrzeug in der Masse der vom Menschen und dessen Gefühlen gelenkten Autos hoffnungslos überfordert wäre.

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung des Nissan Future Lab ist die Nutzung des möglichst rein elektrischen Autos. Wie ist das mit dem Carsharing, wenn sich mehrere Menschen den Besitz ihres Fortbewegungsmittels teilen. Rachel Nguyen, Direktorin am europäischen Standort des Future Labs in Paris, sieht eine neue Form des sozialen Zusammenlebens vor allem in den Städten. Neue Gemeinschaften könnten sich bilden, die auf Fairness bauen, wenn es um die gerechte verteilte Nutzung des gemeinsamen Eigentums geht. Schließlich müssen sich die Eigner immer darauf verständigen, wer wann und wo mit dem Auto unterwegs sein darf. Engpässe zum Beispiel in der Urlaubszeit müssen partnerschaftlich bewältigt werden.

Einvernehmlichkeit vor Besitzanspruch

Doch wie kann die Forschung oder gar ein Autokonzern den Charakter von Carsharing-Kunden zur Kooperation erziehen? Darauf gibt es noch keine Antwort. Denn heutige Beispiele zeigen, dass gemeinsamer Besitz zum Beispiel an einem Boot, einem Reitpferd oder einer Ferienwohnung in der Praxis oft zu heftigen Streitigkeiten führt. Nguyen weiß um das Problem, hofft aber auf eine neue Kultur, bei der Einvernehmlichkeit vor Besitzanspruch steht. Mit dem im Frühjahr erscheinenden neuen Nissan Micra soll ein Leasing-Projekt unter dem Namen "Get and Go" gestartet werden, bei dem sich bis zu fünf Personen ein Auto teilen. Die Fahrzeuge sollen vernetzt sein, so dass immer Klarheit über die Verfügbarkeit des Micra herrscht.

Einen greifbaren Erfolg kann die Renault-Nissan-Denkfabrik aber doch schon vorweisen. Die Nutzung ausgedienter Batterien der Elektrofahrzeuge Nissan Leaf oder Renault Zoe soll neue Möglichkeiten zur Speicherung von Energie schaffen. Im Stadion des Amsterdamer Fußballvereins Ajax dienen die Batterien künftig als Notstromspeicher.

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