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Autonomes Fahren: Loslassen auf der A9

18.05.2016 10:37 Uhr
Autonomes Fahren: Loslassen auf der A9
Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ließ sich schon vom Audi-Autopiloten auf der A9 chauffieren.
© Foto: Audi

Flugzeuge fliegen schon lange mit Autopilot, U-Bahnen steuern führerlos durch Städte – wie weit sind die Entwickler eigentlich beim Auto? Ein Selbstversuch auf der Autobahn.

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Von Felix Frieler, dpa-AFX

Nach einer Viertelstunde werden wir angehupt. Der wütende Fahrer eines VW Passat gestikuliert wild auf der Nebenspur. Warum wir mit 130 auf der Mittelspur fahren und nicht ganz rechts, will er vermutlich wissen. Etwas hilflos zeige ich ihm meine Hände: "Ich bin das gar nicht – das Auto fährt selbst."

Autobahn A9, Ingolstadt Richtung München. Autohersteller können hier Wagen testen, die auch längere Strecken ganz ohne Eingriff des Fahrers zurücklegen. Elektromotoren und selbstfahrende Autos, da sind sich viele Experten einig, werden die Branche so drastisch verändern wie zuletzt die Erfindung des Autos selbst.

In den USA, wo Google, Tesla und angeblich auch Apple an selbstfahrenden Autos arbeiten, sind Testfahrten im Straßenverkehr schon etwas länger möglich. Es gibt eine Art Wettbewerb zwischen verschiedenen Standorten, wer die schnellsten Schritte in der Gesetzgebung macht.

Auf der A9 können Autobauer wie Mercedes und BMW seit vergangenem Jahr ihre Prototypen testen. Ich sitze auf dem Fahrersitz eines Audi. Daneben ein Audi-Entwickler, der mit Fahrschulpedalen eingreifen könnte, wenn der Wagen nicht tut, was er soll. Nachdem wir auf die Autobahn gefahren sind, habe ich zwei Knöpfe am Lenkrad gedrückt, das Steuer zieht sich dann automatisch ein Stück ins Armaturenbrett zurück – das Auto übernimmt die Lenkung.

Hersteller auf Augenhöhe

In Deutschland geht das bislang nur in einem eng begrenzten Rahmen. Eigentlich alle Hersteller sehen sich als Speerspitze – einen echten Vorsprung hat bislang aber noch keiner herausgefahren. "Die Autobauer sind weitgehend auf der gleichen Höhe", sagt Hermann Winner von der TU Darmstadt. Er gehört zu den führenden deutschen Experten beim Thema Autonomes Fahren.

Zwar haben viele Hersteller inzwischen Fahrzeuge auf dem Markt, die auf der Autobahn mit einem Tempomaten die Geschwindigkeit halten und mittels Spurassistent auf der Strecke bleiben – aber das geht nur ein paar Sekunden. Danach muss der Fahrer die Hände wieder ans Lenkrad legen, verlangt das Kraftfahrt-Bundesamt für die Zulassung.

Auch technisch sind die Autos noch nicht in der Lage, alles selbst zu machen. "In den nächsten 30 Jahren werden wir es nicht erleben, dass ein Auto immer und überall autonom fährt", sagt Experte Winner voraus. "Dafür braucht es noch sehr viel mehr Denkleistung im Auto." Winner meint damit unter anderem, dass Entwickler noch mehr und umfangreichere Algorithmen programmieren müssen, die das Auto in allen Situationen richtig reagieren lassen.

Großer Entwicklungssprung steht noch aus

Denn es sind vor allem fehlende Daten, die den ganz großen Entwicklungssprung bislang verhindern. Das Auto ist zwar vollgestopft mit Sensoren (Radar, Laser, Kamera), die die Umgebung wahrnehmen, aber der Computer weiß noch nicht in jeder Situation, wie er richtig reagieren soll. Auch schlechtes Wetter kann es den Kameras schwer machen, die Fahrbahnmarkierungen noch richtig zu deuten. Außerdem sind bislang kaum Autos miteinander vernetzt, um sich gegenseitig über Baustellen, Unfälle und andere Hindernisse zu informieren.

Auf dem Rücksitz schimpft jetzt Audi-Fahrwerkschef Horst Glaser über den Passat-Fahrer, der uns anhupt. "Einfach weiterfahren", sagt er. "Das ist so einer mit Erziehungsauftrag, da gehen wir überhaupt nicht drauf ein." Das Auto wisse nun mal, dass man in einigen 100 Metern auf der Mittelspur fahren muss, weil die rechte Spur zur Lkw-Spur wird. Der Passat-Fahrer überholt rechts.

Ansonsten läuft es aber schon recht rund. Das Auto schlängelt sich durch den dichten Feierabendverkehr, wechselt zwischen Fahrspuren hin und her, überholt. Manchmal zieht der Wagen stark nach links, fährt fast auf dem Seitenstreifen. "Das liegt an der Neigung der Fahrbahn", sagt Glaser. "Daran arbeiten wir noch." Etwa ab 2020 peilt Audi die Serienreife für dieses sogenannte pilotierte Fahren auf der Autobahn an.

Baustelle: "Bitte übernehmen Sie"

An einer Baustelle muss ich dann aber wieder selbst ans Steuer: "Der Autopilot wird in 15 Sekunden deaktiviert", kündigt das Fahrzeug an. "Bitte übernehmen Sie." Überall dort, wo der Verkehr nicht mehr in ganz geregelten Bahnen läuft, gehen die Entwickler auf Nummer sicher.

Und richtig schwierig ist es für die Techniker, Autos autonom durch die Stadt fahren zu lassen. Dort gibt es natürlich noch viel mehr Unwägbarkeiten als auf der Autobahn: Fußgänger, Leuchtreklame, Linksabbieger, Parkplatzsucher. Bis sich der Fahrer auch hier serienmäßig zurücklehnen und dauerhaft die Hände vom Steuer nehmen kann, dürfte es noch Jahrzehnte dauern. "Es ist eine unglaublich neue Technologie", mahnt TU-Experte Winner. "Da werden wir noch viele Überraschungen und Fehlschläge erleben."

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