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Antrieb für den Wandel

30.09.2011 12:02 Uhr

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Antrieb für den Wandel

In der Flottensparte stemmen sich die Kfz-Versicherer gegen massive drohende Verluste. Gespräche mit Flottenkunden und höhere Prämien bei negativen Schadenverläufen sollen dem Trend entgegenwirken. Einige Versicherer schränken auch ihre Deckungsleistungen in den Rahmenverträgen für das kommende Jahr ein, um Risiken zu minimieren. Fuhrparkleiter sehen die Zahlen und Maßnahmen teilweise skeptisch.

In der Kraftfahrtversicherung treibt die Flottensparte den Verantwortlichen immer öfter Sorgenfalten ins Gesicht. Denn die Schaden-Kosten-Quoten erklimmen inzwischen ein Niveau – der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) beziffert es mit durchschnittlich 109 Prozent –, das für die Kfz-Versicherer nicht mehr akzeptabel ist. Einige lassen daher bereits seit mehreren Monaten ihre Muskeln spielen und treiben Prämienerhöhungen unterjährig voran. So berichtet die Financial Times Deutschland etwa Anfang Juni unter dem Titel „Autoversicherer provozieren die Industrie“ von einem aggressiven Vorgehen gegenüber Maklern und Flottenkunden, bei denen Versicherer höhere Prämien durchsetzen wollen. Dort heißt es, dass notfalls auch nach jedem Schaden eines Fahrzeugs vom Sonderkündigungsrecht für diesen Gebrauch gemacht werde.

Im Fokus des Artikels: AXA, Basler, SV Sparkassenversicherung Stuttgart und SV Sachsen. Die vier genannten Anbieter sind aber nicht die einzigen, die eine Kehrtwende in ihrer Zeichnungspolitik vollziehen. Auch bei anderen Kfz-Versicherern wie der Allianz seien ein deutlich vorsichtigeres Verhalten und tendenziell steigende Prämien zu registrieren, erzählt zumindest der Chef-Underwriter eines Konkurrenten, der namentlich lieber nicht genannt werden will. Vom Platzhirsch selbst gibt es allerdings keine Auskunft zu den Trends und der gegenwärtigen Strategie.

Spannungsgeladenes Umfeld

Nach all den Jahren des harten Wettbewerbs und der Berg- und Talfahrt bei den Prämien beobachten langgediente Fuhrparkmanager diese Entwicklung allerdings mit Skepsis und zweifeln an der Nachhaltigkeit der Marschrichtung. Schließlich hat sich einer Phase der starken Preissenkung nach Liberalisierung des Marktes in den 90er-Jahren dann nach 2001 wieder eine kurze Spanne höherer Prämien angeschlossen, die, just nachdem 2004 das erste Mal wieder offiziell schwarze Zahlen gemeldet wurden, erneut in einen Preiskampf gemündet ist. Und dieser dauert bis heute noch an.

Ein Flottenmanager, der im Einkauf eines Unternehmens die Situation schon seit Jahrzehnten verfolgt, fragt deshalb: „Wieso sollen die Kfz-Versicherer nach so vielen Jahren plötzlich nicht mehr in der Lage sein, die Flottenversicherung für Kunden zu den bisherigen oder günstigeren Preisen, sondern nur noch zu höheren Prämien darstellen zu können?“ Dabei fügt er hinzu: „In vielen Unternehmen haben sich die Bedingungen doch nicht wesentlich geändert.“ Aus diesem Grund hinterfragt er auch die vom GDV hochgerechneten Zahlen: „Woher kommen die Daten? Dienen sie einer wie auch immer gearteten Konditionierung der Versicherungsnehmer? Versicherer stehen ja nun nicht im Ruf, Verluste lange hinzunehmen, sondern würden meiner Meinung nach schneller Alarm schlagen und gegensteuern.“

Unterm Strich dürfte sich die Situation jedoch komplexer und differenzierter darstellen. So spricht beispielsweise vieles dafür, dass nicht alle Kfz-Versicherer gleichermaßen betroffen sind, da der ermittelte negative Wert des GDV ein Durchschnittswert ist. Abhängig von den vorhandenen Reserven, den internen Verwaltungskosten und anderen relevanten Parametern dürfte sich das Ergebnis folglich von Kfz-Versicherer zu Kfz-Versicherer unterscheiden. Nichtsdestotrotz ist im Flottenmarkt ein Umbruch zu spüren, auf den auch die diesjährige Autoflotte-Umfrage zu den Leistungen, Deckungsbausteinen und Zielen unter den großen Kfz-Versicherern nach GDV-Ranking hindeutet. Denn bisherige Umfrage- und aktive Marktteilnehmer unter den Flottenversicherern haben nicht mehr teilgenommen. Dazu gehört Chartis als Nachfolgergesellschaft des US-amerikanischen Versicherungsriesen AIG, in der unter anderem die europäische Flottenversicherungssparte gebündelt ist, genauso wie die Versicherungskammer Bayern. Letztere nennt dafür abstrakt „geschäftspolitische Gründe“. Demnach suchen vermutlich einige festgesetzte Player im Flottengeschäft nach einer neuen Marschrichtung oder wollen kürzer treten. Daneben haben wie in den Vorjahren die AachenMünchener, DEVK, Generali, HUK Coburg, LVM und die Nürnberger Versicherung als große Anbieter nicht teilgenommen, da sie sich vor allem als Kraftfahrtversicherer für Privatkunden verstehen und Fuhrparks nur in Ausnahmen oder gar nicht zeichnen.

Einschnitte und Erweiterung der Leistungen

Unabhängig davon lassen die Antworten der teilnehmenden Kfz-Versicherer darauf schließen, dass innerhalb der Flottensparte die versicherbaren Risiken eingeschränkt werden oder sinken sollen. Markantes Beispiel dafür ist die Haftpflichtdeckung von 100 Millionen Euro, welche die meisten bisher ohne explizite Anmerkungen als Deckungsbaustein angegeben haben (siehe „Leistungen im Detail“, S. 91 ff.). Nun betonen neben der Alten Leipziger und der Provinzial Rheinland sowohl die Gothaer Versicherung als auch die VHV, dass diese maximale Haftungssumme nicht für Gefahrguttransporte und teilweise andere Fahrzeuge angeboten wird. Was bei einem klassischen Firmen-Pkw doch eher unwahrscheinlich ist, wird bei Gefahrguttransporten und anderen Spezialfahrzeugen möglicherweise doch schneller zur Realität, nämlich das Erreichen des Haftungslimits.

Ein weiterer neuralgischer Punkt ist für einige Kfz-Versicherer nach wie vor die Großschadenkappung. Während manche Versicherer einen Großschaden ab einem bestimmten Betrag nicht mehr berücksichtigen, bilden andere die Kosten voll ab und lassen sie in die Kalkulation einfließen. Wie im vergangenen Jahr bieten die Allianz, Gothaer und Provinzial Rheinland die Großschadenkappung weder in der Kraftfahrthaftpflicht noch in der Kaskoversicherung an. Diesem Beispiel folgt jetzt auch die Alte Leipziger. Dagegen hat die R+V den Baustein im Vergleich zum Vorjahr wieder ins Programm aufgenommen.

Ein Tabu ist für Flottenversicherer wie die Alte Leipziger, Ergo, Provinzial Rheinland, Signal Iduna und Zurich außerdem die Neupreisentschädigung für Nutzfahrzeuge bei Totalschaden und Diebstahl. Hier gesellt sich dieses Jahr die R+V hinzu. Und auch die Allianz betont nun, dass die Neupreisentschädigung nur noch für Lkw bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen machbar ist. Einen Kontrastpunkt setzt dazu HDI-Gerling, welche die Zeiträume für die Neupreisentschädigung bei Pkw respektive Lkw je nach Produkt von sechs bis 18 auf zwölf bis 24 Monate verlängert.

Überdies nehmen Einschränkungen bei der Versicherung aller Sonderausstattungen und Mehrwerte zu. Diese haben im vergangenen Jahr alle Versicherer noch mindestens als optionale Leistung angeboten. Inzwischen hat sie die Allianz auf 50.000 Euro begrenzt und die Alte Leipziger hat sie abgeschafft.

Es gibt aber auch Entspannung an einigen Stellen, beispielsweise bei der Übernahme von Schlossaustauschkosten. Sie ist als Baustein bei allen Umfrageteilnehmern prinzipiell vorhanden, da ihn nun auch die Ergo zumindest als individuelle Vereinbarung aufgenommen hat. Beständigkeit zeigen die Versicherer ansonsten bei den Prämienmodellen. Standard sind neben den Einzeltarifierungen auf Basis der Schadenfreiheitsrabatte die Stückprämienmodelle. Auch Stückprämienmodelle für Firmenwagen, die zu einem bestimmten Stichtag abgerechnet werden, sind in der Regel abschließbar. Ausnahme: bei R+V sowie der Württembergischen. Im Gegensatz dazu sind Jahrespauschalmodelle deutlich seltener. Sie werden nur von sechs der befragten Kfz-Versicherer angeboten: AXA, HDI-Gerling, Provinzial Rheinland, Signal-Iduna, VHV und Zurich.

Neue Bausteine und Trends

An neuen Bausteinen feilen die wenigsten Flottenversicherer. Lediglich die AXA und HDI-Gerling melden Aktivitäten. Erstere hat kürzlich ein Frühwarnsystem eingeführt, um Kunden vor negativen Schadenentwicklungen frühzeitig zu warnen und dann gemeinsam mit dem Vermittler und Kunden die Ursachen für den starken Anstieg der Schadenhäufigkeit zu analysieren sowie mit den Riskmanagern des Versicherers Gegenmaßnahmen aufzusetzen. Bei der HDI-Gerling hat wiederum die Sparte Firmen- und Privatkunden an einer neuen modular aufgebauten Produktwelt gearbeitet, die ab 1. Oktober angeboten werden und zahlreiche Leistungsverbesserungen und -erhöhungen enthalten soll. Genauere Informationen zu den Inhalten hat es im Zuge der Umfrage nicht gegeben.

Was die Flottenversicherer vielmehr umtreibt, sind die derzeitige Schaden- und Prämienentwicklung. Sie rechnen folglich mit Belastungen und spürbaren Änderungen im Markt. Und viele von ihnen finden diesmal auch ungewöhnlich deutliche Worte für die Situation.

Die Alte Leipziger meint dazu etwa: „Aufgrund von Sanierungen innerhalb des Flottengeschäfts werden die Versicherungsprämien steigen.“ Und AXA resümiert: „Im Markt gab es in 2010 einen hohen versicherungstechnischen Verlust. Auch in 2011 ist von einem Defizit auszugehen. Gegensteuerung erfolgt durch Sanierung schlecht verlaufender Flotten sowie Verstärkung der Riskmanagement-Aktivitäten.“ Und auch die Ergo erwartet wegen der Schadensituation steigende Beiträge im Markt. Mehr Zurückhaltung herrscht bei der Gothaer, die den Zeitpunkt für eine Marktbestimmung noch für zu früh hält. Demnach würden die bestimmenden Trends und Marktfaktoren erst gegen Ende des Jahres erkennbar.

Zurückhaltender äußert sich HDI-Gerling. Der Flottenversicherer betont die Erholung nach der Wirtschaftskrise, die damit gestiegenen Fahrleistungen der Firmenwagen und auch Schadenhäufigkeiten. Infolgedessen weise man die Kunden auf Auffälligkeiten hin und unterstütze bei entsprechenden Maßnahmen zur Schadenreduzierung. Auf ein differenziertes Vorgehen setzt auch die Provinzial Rheinland, das sich durch Preisstabilität bei gut verlaufenden Risiken und Sanierung bei defizitärem Verlauf auszeichnen soll, um ertragsreiches Wachstum durch individuelle Kalkulation zu erzielen. R+V sowie Signal-Iduna stellen wiederum frühzeitige Bemühungen im Markt fest, Flotten mit schlechten Schadenverläufen entweder zur unterjährigen Umdeckung zu bewegen oder bereits Verhandlungen mit diesen Kunden zu führen, um einen adäquaten künftigen Preis für das Deckungskonzept zu realisieren. Unausweichliche Folge seien steigende Preise für Flottenversicherungen.

Dass das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Beratungs- und Betreuungsqualität und das Riskmanagement die zentralen aktuellen Themen sind, heißt es vonseiten der VHV, die sich in diesen Bereichen als Kfz-Spezialist positioniert sieht.

Die Württembergische registriert wiederum einen Konjunkturanstieg und vermehrte Neugründungen, welche sich auch auf die Stückzahlen im Flottengeschäft ausgewirkt haben. Im Moment zeichne sich außerdem eine leichte Tendenz zur Beitragserhöhung im Flottengeschäft auf dem Markt ab. Und der Kfz-Versicherer ergänzt: „Es ist nicht mehr jedes Risiko um jeden Preis versicherbar.“

Die Zurich fasst die Trends folgendermaßen zusammen: „Unbefriedigende Geschäftsergebnisse werden die Versicherer dazu zwingen, ihre Flottenbestände zu sanieren, um das Missverhältnis von Beitragshöhe und Schadenaufwand in den kommenden Jahren deutlich abzumildern.“ Die Flottenversicherer scheinen demnach zwar eine Entspannung der Lage anzustreben, eine Lösung scheint dafür aber nicht in unmittelbarer Reichweite zu sein.

Harter Markt als Chance?

Obwohl die Umfrageteilnehmer dieses Jahr mehrheitlich von einem harten Markt für Flottenkunden und tendenziell steigenden Prämien ausgehen, erwarten einige in diesem Segment weiterhin Zuwächse. So spricht etwa die Gothaer von einem bisher planmäßig positiven Verlauf für ihr Haus. Gleiches gilt für HDI-Gerling, die hierzu konstatiert: „Wir stellen fest, dass sich die Wirtschaft weiter erholt und somit eine höhere Auslastung der Fahrzeuge erreicht wird und sich daraus ein höherer Versicherungsbedarf ergibt.“ Bei dieser Entwicklung begleite man die Kunden. Auch die Provinzial Rheinland verzeichnet ein leicht steigendes Niveau und die R+V sagt, dass sich wie in den vergangenen Jahren der Anteil des Flottengeschäftes positiv entwickelt habe. Zudem nennt die VHV als Ziel, dieses Jahr wieder ein ertragreiches Wachstum zu generieren. Welche Entwicklung die Sparte der Flottenversicherung nimmt, ist folglich noch nicht ausgemacht. Klar ist nur, dass es für einzelne Flotten mit negativen Schaden-Kosten-Quoten ungemütlich wird. Die Versicherer scheinen nun die Markttendenz jedenfalls als Chance zu nutzen, Flotten mit schlechten Schadenverläufen zu risikogerechten Prämien einkaufen zu wollen. Annemarie Schneider

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