Deutschlands Raser werden ihn lieben: Ein Richter aus dem westfälischen Herford spricht seit vergangener Woche jeden Temposünder frei. Der Verkehrsjurist Helmut Knöner vermutet Geldschneiderei als Motiv vieler Radarfallen: "Die Gefahr der Abzocke ist da", sagte Knöner am Mittwoch (10. November) der Nachrichtenagentur dpa. Der Automobilclub ADAC und Verkehrsexperten reagierten mit Skepsis. 42 geblitzte Autofahrer hat Amtsrichter Knöner in der vergangenen Woche bereits freigesprochen - und das ist erst der Anfang. Der 62 Jahre alte Richter will die Raser weiter unbehelligt lassen, bis sich an der Gesetzgebung etwas ändert: "Es gibt keine verbindlichen Regeln, wann und wo und mit welchen Geräten geblitzt wird." Oft sei auch unklar, warum an manchen Orten Radarfallen aufgestellt werden. "Die Frage, aus welchen Motiven geblitzt wird, ist bisher nicht beantwortet." Nicht nur er sehe das so: "Auch Polizisten, die geblitzt wurden, sehen das kritisch", erzählt der Richter, der seit mehr als 30 Jahren am Amtsgericht in Herford nahe Bielefeld seine Urteile fällt. Städte und Gemeinden verdienten mit den Blitzanlagen viel Geld. "Viele spüren den Druck der leeren Kassen", sagte Knöner. Um Geldschneiderei auszuschließen, müsse aber klar geregelt werden, aus welchen Gründen Radarfallen eingesetzt würden. "Es muss eine Kontrolle stattfinden. Mir fehlen konkrete gesetzliche Regeln." ADAC-Verkehrsexperten kritisieren den Freispruch Knöners Forderungen sieht der ADAC kritisch: "Wenn man vom Gesetzgeber verlangt, er müsse festlegen, wo und wie gemessen wird, ist das nicht zumutbar", sagte der Leiter Verkehrsrecht des ADAC, Markus Schäpe, der dpa. Eine solche Regelung öffne Tür und Tor für einen "Blitzatlas", Raser erhielten eine Art "Freibrief" für Strecken ohne Radarfallen. Eine Ankündigung von Blitzern ginge insgesamt zulasten der Sicherheit. Richter Knöner kritisiert auch die rechtlichen Grundlagen für Foto- oder Video-Aufnahmen von Temposündern. Sie würden auf Basis eines Terrorabwehrgesetzes gemacht, und das sei falsch. Der ADAC hält dagegen: "Es ist durchaus zulässig, Fotos zu machen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt." Die Staatsanwaltschaft Bielefeld will den Massenfreispruch nun prüfen und eventuell Rechtsbeschwerde einlegen. "Wir kannten so einen Fall noch nicht", sagte ein Behördensprecher. Dass Verkehrssünder von Knöners Urteilen profitieren, glauben Experten nicht. "Jedes Urteil ist eine individuelle Entscheidung und gibt keinen Aussetzungsgrund für andere Ordnungswidrigkeitsverfahren", sagte der Kölner Verkehrsrechtsanwalt Michael Bücken. Wer geblitzt wurde und noch eine Rechnung offen hat, muss also zahlen. (dpa)