Von Michael Gebhardt/SP-X
Wo hört alt auf, wo fängt neu an? Für Mitsubishi ist der Fall klar, die Verantwortlichen sprechen stolz vom neuen L200. Schließlich seien 51 Prozent des Pick-ups, der in diesen Tagen zu den Händlern rollt, neu. Heißt im Umkehrschluss aber: Fast die Hälfte ist noch alt. Sicher ist: Bei der umfangreichen Überarbeitung hat sich Mitsubishi nicht nur auf die übliche Facelift-Kosmetik beschränkt, sondern auch in die Technik eingegriffen. Das merkt man auch am Preis: Der aktualisierte L200 kostet mindestens 24.949 Euro netto und damit 2.100 Euro mehr als sein Vorgänger.
Zu haben ist der L200 weiterhin als Club Cab mit einer halben Fondtür und zwei hinteren Notsitzen oder für 1.512 Euro netto Aufpreis als vollwertiger Viertürer und Fünfsitzer Double Cab, wobei die Rückbank mit der steilen Lehne auch hier besser als Ablage zu gebrauchen ist; die Einzelkabine ist komplett aus dem Programm geflogen. Die Gesamtlänge ändert sich durch die Kabinenwahl nicht, der Mitsubishi misst immer 5,30 Meter, allerdings variiert die Ladefläche zwischen 1,85 und 1,52 Metern. Die maximale Ladebreite liegt bei 1,47 Metern.
An der Ladefläche selbst konnten die Designer nicht viel feilen, also haben sie sich umso intensiver um die Front gekümmert: Die Motorhaubenkante ist vier Zentimeter höher, dadurch wirkt der Pick-up deutlich bulliger. Und er orientiert sich jetzt am Design seiner Geschwister: Dynamic-Shield hat das Marketing den Look mit den schmalen Scheinwerfern und dem angedeuteten Kuhfänger getauft, der dem L200 zusätzlich Selbstbewusstsein verleiht. Verglichen mit dem rundlichen Vorgänger sieht der Japaner damit auch deutlich lifestyliger aus.
Das allerdings war nicht das vorrangige Ziel der Verantwortlichen, der L200 will weiterhin kein Abenteuer-Accessoire für Banker und Beamte sein, sondern ein echtes Arbeitstier. Das merkt man unter anderem dem Innenraum an, der zwar mit neuen Instrumenten aufwartet und immerhin mit einem modernen, Smartphone-Anschluss-fähiges Infotainmentsystem bestückt werden kann, aber in Sachen Gestaltung, Materialauswahl und Wohlfühl-Ambiente nicht an Pick-up-Beaus wie Mercedes X-Klasse oder VW Amarok herankommt. Die klobigen Schalter und das viele Hartplastik stören allerdings kaum, eher sind es die Sitze, die, obwohl neu, schon nach wenigen Kilometern offenbaren, dass sie nicht für die Langstrecke gemacht sind.
Mitsubishi L200 (2019)
BildergalerieAuch der robuste Unterbau deutet darauf hin, dass der L200 nicht für den Großstadtboulevard, sondern für Einsätze auf der Baustelle, im Wald oder am Strand vorgesehen ist. Nach wie vor setzt Mitsubishi auf Leiterrahmen und Blattfedern, allerdings gönnen die Ingenieure dem Pick-up an der Hinterachse jetzt eine Feder mehr, also sechs statt fünf. Zusammen mit der erhöhten Federrate vorne und einer insgesamt steiferen Karosserie liegt der Mitsubishi etwas verbindlicher auf der Straße, über Trambahnschienen und Schlaglöcher hoppelt er aber wie gehabt ziemlich ruppig. Das hängt auch stark von der Beladung der Ladeflache ab, je leerer die ist, desto rumpeliger fährt sich der Pick-up. Geblieben sind an der Hinterachse die Trommelbremsen, dafür wurden die Scheiben-Stopper vorne vergrößert. Schließlich müssen unbeladen schon knapp zwei Tonnen Gewicht in Zaum gehalten werden.
Dafür, dass der L200 überhaupt in Gang kommt, sorgt zukünftig ein neuer Euro-6d-temp-sauberer Diesel mit 2,3 statt 2,4 Liter Hubraum. Das bisherige Aggregat war wahlweise mit 154 PS oder 181 PS zu haben, der neue fährt zunächst immer mit 110 kW/150 PS vor. Das reicht, um den L200 für seine Einsatzzwecke souverän zu bewegen; kaum ein Handwerker wird mit vollbeladener Ladefläche einen Kavalierstart an der Ampel hinlegen oder schneller als 174 km/h fahren wollen. Dass der laut knurrende Vierzylinder einen kräftigen Tritt aufs Gas benötigt, ehe er seine komplette Kraft von 400 Newtonmeter bereitstellt, ist verschmerzbar, der Verbrauch von knapp zehn Litern nicht unüblich. Verwaltet wird das Drehmoment beim Club Cab immer händisch, für die Doppelkabine steht eine Sechsgang-Automatik zur Wahl.
Permanenter Allradantrieb als Option
Der Trumpf im Ärmel des L200 ist nach wie vor der Allradantrieb. Zwar fährt auch hier Basis-Version heckgetrieben mit Zuschalt-Allrad vor, doch bieten die Japaner ab der zweiten Ausstattung (ab 29.319 Euro netto) auch einen permanenten Allradantrieb an. Der Vorteil: Anders als bei den günstigeren Zuschaltsystemen kommt es damit bei Kurvenfahrten nicht zu Verspannungen im Antriebsstrang. Um abseits des Geländes trotzdem etwas Spritsparen können, lässt sich der Antrieb der Vorderräder per Drehregler abschalten. Mit dem Permanent-Allrad bekommt der Double-Cab-L200 eine Geländeuntersetzung und spezielle Offroad-Fahrmodi, für beide Antriebs-Version steht eine 100-Prozent-Sperre für die Hinterachse zur Verfügung.
So ausgerüstet lässt sich mit dem L200 tatsächlich auch ziemlich unwegsames Gelände erobern. Weil der Weg dorthin aber meist über normale Straßen führt, haben die Japaner bei den Onroad-Assistenzsystemen nachgebessert: Totwinkel- und Querverkehr-Warner überwachen das Umfeld und der Notbremsassistent greift ein, ehe es kracht. Ganz neu ist das "Ultrasonic Misacceleration Mitigation System", zu Deutsch: die Fehlbeschleunigungsverhinderung. Erkennt der L200 beim Anfahren, egal ob vorwärts oder rückwärts, ein Hindernis – zum Beispiel einen großen Stein oder einen Poller auf dem Parkplatz –, fährt er nicht los. Mitgedacht: Das System lässt sich bei Bedarf abschalten, sonst könnte im Gelände das Weiterkommen mitunter ziemlich schwer werden.