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Fahrbericht Fiat 500e: Den braucht niemand

11.11.2020 12:33 Uhr
In der dritten Generation fährt der Fiat 500 als Elektroauto vor.
© Foto: Michael Blumenstein

Der Fiat 500 wird in zweiter Auflage seit 2008 produziert – ein Erfolgsgarant. Jetzt kommt Generation drei elektrisch hinzu. Den braucht niemand. Aber ganz ehrlich: Jeder will diesen E-Flitzer haben.

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Von Autoflotte-Chefredakteur Michael Blumenstein

Was hat man die Italiener vor ein paar Jahren gescholten, sie hätten keine Elektromobilitätsstrategie. Das stimmt(e). 2020 dann: "Boom". Zwar anders als erwartet, denn Corona wütet auch im Süden Europas, aber trotzdem irgendwie pünktlich. Denn der neue 500er kommt elektrisch just zum Zeitpunkt, zu dem es für viele Unternehmen sinnvoll erscheint, elektrisch zu werden. Der neue Fiat 500 ist es. Ausschließlich. Eine Ansage, die vielleicht verwundert. Auf den ersten Blick aber nur. Denn der alte Cinquecento wird weiterhin produziert. Der kam übrigens schon 2008 auf den Markt und erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit. Man sieht, dass die Zeit der Sieben-Jahre-Modellzyklen eigentlich längst gegessen sind. Wenn man Gutes macht, hält das. Vielleicht ewig.

Echter Italiener

Zurück zum 500e. 96 Prozent des Fahrzeugs sind neu und er wird – darauf ist man bei Fiat besonders stolz – wieder im Stammwerk in Turin produziert. Der "alte" 500er wurde 2008 nach Tichy/Polen ausgelagert. Böse Zungen behaupten, es sei der qualitativ beste Fiat. Aber auch der Neue kann sich sehen lassen. Er hat seine Gene bewahrt und mit neuem Pfiff gewürzt. Und er sieht aus: wie der alte. Nicht ganz. Jedoch sieht man das erst auf den zweiten Blick oder im direkten Vergleich. Die Änderungen machen sich auch in einem Mehr an Auto bemerkbar. Bisschen länger (sechs Zentimeter), bisschen breiter (knapp fünf Zentimeter) und bisschen höher (vier Zentimeter) steht er auf der Straße und wirkt gerade in Verbindung mit 17-Zoll-Alus ziemlich stimmig. Den Fiat 500e gibt es wieder als Zweitürer mit festem Dach sowie mit sehr empfehlenswerter Stoffmütze. Wer öfters mal Passagiere an Bord nehmen muss, sollte zur neuen Karosserieversion 3+1 greifen. Die hinten angeschlagene Zusatztür auf der Beifahrerseite, die die B-Säule eliminiert, fällt (bei dunkler Lackierung) kaum auf und vereinfacht den Einstieg in den Fond immens. Die Abmessungen bleiben stets gleich.

Innen fühlt er sich nicht nur geräumiger an. Mehr Platz in alle Richtungen und ein aufgeräumtes Interieur sorgen für Wohlbefinden. Die Türöffner sind gewöhnungsbedürftig. So schnappen die Türen auf, nachdem außen wie innen eine Taste gedrückt wurde. Der Griff zum Zuziehen ist außen wie innen etwas unergonomisch, aber auch daran gewöhnt man sich. Die dicken A-Säulen, vor allem im unteren Bereich schränken die Sicht etwas ein. Hinzu kommen die (sehr großen) Außenspiegel, die nun wieder im Dreieck befestigt sind und nicht mehr auf der Türschulter stehen.

Die Verarbeitung weckt Vertrauen. Innen ist er schön gemacht, mit recycelten Stoffen auf den Sitzen und Kleinigkeiten wie Gasdruckdämpfer an der Motorhaube, die ja dummerweise noch immer zum Wischwasser auffüllen geöffnet werden muss. Dann aber wenigstens nobel. Die Sitzposition ist selbst in der niedrigsten Einstellung recht hoch, die Lehne besitzt eine ausgesprochene Lendenwirbelunterstützung – immer.  Auf dem Beifahrersitz gibt es keine Höhenverstellung. Hüben wie drüben sitzt man eher drauf als drin. Angenehm ist, dass die Mittelarmlehne sich in der Länge verschieben lässt.


Fiat 500e Cabrio

Fiat 500e Cabrio Bildergalerie

Kabellose Verbindung – fürs Handy

Viele Einstellmöglichkeiten werden über entweder via sieben (Serie mit Smartphone-Spiegelung) oder gut zehn Zoll (mit Navi) großem Infotainment-Display erledigt. Andere über die Lenkradtasten im Kombiinstrument. Durchblick gelingt schnell, wenngleich sich auch hier erst einmal ein Sonntag zum Einstellen Zeit genommen werden sollte.

Clevere Details erfreuen das Herz von Autofans. Beispiele: Die Lautstärke wird mit Zeige- und Mittelfinger an der Hinterseite der Lenkradspeiche geregelt. Die Finger der linken Hand verstellen auf diese Weise Radiosender oder Titel beim Streaming. Das Handy liegt rutschsicher unter dem 10,25“-Display und wird für kleines Geld kabellos geladen. Genau so koppelt sich dieses schnell mit AppleCarplay und macht USB-Stecker obsolet, die es als klassische Version selbstverständlich noch immer gibt. Unser Rose-Goldener-Stromer hatte den stärkeren der beiden Elektroantrieb im Bug. 118 PS leistet das Paket und besitzt 42 kWh Akkukapazität. Eine kleinere mit 95 PS und 24 kWh ist für Einsteiger zu haben. Der Große passt. Er bietet einen guten Kompromiss aus Alltagstauglichkeit und Ressourcenverbrauch. 294 Kilogramm Batteriegewicht sind zwar nicht wenig, jedoch ermöglicht dieses eine Reichweite von mehr als 300 Kilometern nach WLTP. Innerstädtisch sollen es bis zu 460 Kilometer sein. Dann sicherlich wird sehr defensiv gefahren – was zu begrüßen ist.

Aber der Fiat 500e animiert zum Stadtwuseln. Unter zehn Meter Wendekreis sind prima. Das installierte Fahrwerk ist super. Wer das Fahrverhalten des Verbrenners im Kopf hat, sollte das sofort ad acta legen. Der Stromer liegt satt, bügelt selbst herbe Flicken in der Straße aus und ist somit prädestiniert für den Großstadtdschungel. Dennoch kann er auch flink um die Kurven wedeln und vermittelt dabei einen äußerst soliden Eindruck.

Elf kW serienmäßig

Wie eingangs erwähnt, hat Fiat vor Jahren Hausaufgaben bekommen und kaum einer hätte den Italienern zugetraut, dass diese gelöst werden. Sie wurden erledigt. Oder besser: übererfüllt. So macht der Stromer genau das richtig, was ein Stromer richtig machen sollte. Er lädt mit elf kW an der Wallbox, mit 85 kW an den Schnellladern. Letzteres bringt ihm innerhalb von fünf Minuten 50 Kilometer Reichweite. An der Wallbox ist der Akku in rund fünf Stunden komplett gefüllt, sofern er zuvor überhaupt komplett entleert wurde. 330 Euro verlangt Fiat für das Typ-2-Kabel mit Tasche. Serienmäßig ist der Schukostecker an Bord, der wohl im Keller bleiben kann.

Beim Fahren erfreut die Längsdynamik ebenfalls. Und wer diese reduzieren will braucht nichts weiter zu tun, als den Fuß vom Fahrpedal zu heben. One-Pedal-Driving gibt es für alle. Die Bremsen werden somit kaum beansprucht, hinten hat er daher auch Trommelstopper. Wirkt antiquiert, ist aber sinnvoll, denn so müssen keine ungenutzten Bremsscheiben aufgrund von Rost unnötigerweise gewechselt werden. 220 Newtonmeter Drehmoment sorgen für Phänomenale Zwischenspurts. Auch das teilautomatisierte Fahren beherrscht der Fiat 500e ziemlich gut. Ob man es braucht? Dafür geht Fahren mit geöffneter Tür nicht mehr. Die Eingang-Automatik legt direkt wieder P ein. Auch angeschnallt sollte man sein, denn sonst blockiert die elektrische Feststellbremse die Hinterräder. Nichts Neues – bei Fiat schon.

Unser Favorit ist das Cabrio. Freiheit nach oben, gutes Gewissen im Herzen und Spaß im "Gasfuß". Der Dreitürer ist eine sehr clevere Lösung und für alle, die ab und an hinten jemanden oder etwas einladen. Für rund 28.000 Euro vor Förderung gibt es den Fiat 500e Passion samt sinnvollen Extras wie Typ-2-Ladekabel, Metalliclack, 16-Zoll-Alufelgen, Park, Winter und Komfort-Paket, kabelloses Handyladen. Der Dreitürer kostet 1.640 Euro weniger, nochmals 800 Euro spart man beim geschlossene Zweitürer. Abzüglich Fördermaßnahmen ist das ein äußerst attraktives Angebot. Der Verbrenner kostet gleich viel und ist spürbar älter.


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