Von Michael Specht/sp-x
Angespornt vom Erfolg des X5 (ab 1999) hatte BMW bereits 2004 als erster unter den deutschen Premium-Herstellern einen Trend hin zu kleineren SUV erkannt. Und lagen folglich auch mit dem X3 goldrichtig. Jedoch nicht, ohne Kritik einstecken zu müssen. Kunden klagten über lieblose Verarbeitung, zu viel Hartplastik im Cockpit und überzogene Preise.
Generation Nummer zwei kam 2010, größer, besser, wertiger und schon im Vorbeifahren sofort als neuer X3 zu erkennen. Und jetzt? Muss man genauer hinschauen, um handfeste Unterschiede auszumachen. Kleine Hilfe: Die Nieren sind nochmals größer geworden, wirken dreidimensionaler, die Flanken wurden ein wenig muskulöser, unter die Kotflügel passen jetzt 21-Zoll-Räder und die Rückleuchten ziehen sich weiter in die Heckklappe rein.
Technisch basiert der neue X3 (intern G01) auf der sogenannten Cluster-Architektur (CLAR), wurde dadurch um über 50 Kilo leichter. Was in Anbetracht strengerer Crashanforderungen und der um einige Zentimeter auf 4,71 Meter gewachsenen Karosserie keine leichte Übung für die Ingenieure war. Im Radstand legte der X3 fünf Zentimeter zu. Davon profitieren hauptsächlich die Passagiere im Fond. Die Beinfreiheit ist auch bei Großgewachsenen gut. Hinter den Rücksitzen bleiben immerhin 550 Liter fürs Gepäck. Kein schlechter Wert. Neu ist die Entriegelung der Lehnen vom Kofferraum aus. Danach reicht das Abteil für bis zu 1.600 Liter. Mehr bieten auch die meisten Mittelklasse-Kombis nicht.
Spezielles Fach im Kofferraumboden
Da gewöhnlich nach dem Umlegen der Rücksitzlehnen die ausziehbare Gepäckabdeckung das Laden behindert und – herausgenommen – man nie weiß, wohin damit, hat BMW unter dem Kofferraumboden ein spezielles Fach konstruiert. Dort passt das Teil hinein wie die Gabel in den Besteckkasten. Wer noch größere Variabilität benötigt, kann ein Cargo-Paket bestellen. Hier sind die Lehnen im Verhältnis 40:20:40 geteilt. Zudem lassen sie sich in der Neigung vielfach verstellen.
Zur Markteinführung im November startet der X3 mit einer Auswahl von drei Motoren. Den Einstieg bildet der xDrive20d. Die Bezeichnung steht für Allradantrieb und Zweiliter-Vierzylinder-Dieselmotor. Er leistet 142 kW / 190 PS und kostet 39.495 Euro netto. Der zweite Diesel ist der Sechszylinder xDrive30d mit 195 kW / 265 PS, zum Netto-Preis von 46.806 Euro. Und weil man den direkten Wettbewerbern im Hause Mercedes, Audi, Porsche und Jaguar nicht das Feld sportlicher SUV – sie versprechen die höchsten Gewinnmargen – allein überlassen will, schicken die Bayern gleich zum Anfang den X3 M40i an den Start. Der Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder schickt üppige 265 kW / 360 PS in die Achtgangautomatik. Mindestens 55.714 Euro ohne Mehrwertsteuer sind dafür zu überweisen.
Außerhalb Europas will BMW im kommenden Jahr noch einen sDrive20i mit 184 PS und Hinterradantrieb anbieten. Für den hiesigen Markt ist ein sDrive18d im Gespräch, der beim CO2-Ausstoß die 120-Gramm-Marke unterschreiten soll. Und in Zeiten der Elektrifizierung stellt sich natürlich die Frage, wird es den X3 auch als Plug-in-Hybrid geben, ähnlich X5 oder Dreier-Limousine? "Die CLAR-Plattform lässt dies technisch ohne weiteres zu", so die Antwort seitens BMW. Was so viel heißt: Spätestens 2019 dürfte der Teilzeitstromer mit einer elektrischen Reichweite von über 50 Kilometern beim Händler stehen. Im Jahr drauf folgt der X3 dann mit rein elektrischem Antrieb.
Ordentlicher Schub nach vorne
Für unsere erste Testfahrt standen nur besagter X3 M40i sowie der Dreiliter-Sechszylinder-Selbstzünder 30d zur Verfügung. Beide nicht unbedingt die am meisten nachgefragten. Lieber hätten wir den Bestseller xDrive20d (bei uns über 80 Prozent Verkaufsanteil) ausprobiert. Man braucht keinen Nobelpreis in Physik zu haben, um zu wissen, dass 500 Newtonmeter aus dem M40i oder gar die bulligen 620 Nm aus dem 30d für einen mehr als souveränen Antritt sorgen. Besonders der Diesel schiebt gnadenlos nach vorn. Erneut verblüfft die Handlichkeit des X3 sowie dessen enorme Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit. Ausreichend straff für eine zügige Kurvenhatz, ausreichend weich für lange Reisestrecken. Auch die geringen Abroll- und Windgeräusche fallen wohltuend auf. Bei einem SUV dieser Größe nicht immer selbstverständlich.
Nicht untalentiert zeigt sich der neue X3 auch auf losem Terrain. Schotter und Sand mögen in Deutschland zwar weniger eine Rolle spielen, doch in anderen Ländern schon. Das permanente Allradsystem wirft selbst dann nicht das Handtuch, falls die Verschränkung recht stark sein und mal ein Rad in der Luft hängen sollte. Auch Wasserdurchfahrten von einem halben Meter Tiefe nimmt der X3 gelassen.
Hinter dem Lenkrad Platz genommen, zeigt sich die bekannte BMW-Welt. Alles wirkt gediegen und luxuriös. In Sachen Qualitätsanmutung und Verarbeitung hat der neue X3 deutlich gegenüber seinem Vorgänger zugelegt. Die Bedienung läuft zu großen Teilen intuitiv ab, auch wenn man sich anfangs aufgrund der vielen Schalter und Knöpfe ein wenig überfordert fühlt. Natürlich ist die jüngste Ausbaustufe der Konnektivität an Bord. Dazu zählen WLAN, Navigation, Echtzeit-Verkehrsinfos, Gestensteuerung, Spracheingabe, Email-Empfang, Smartphone-Anbindung, Apps und Concierge-Service, halt alles, was der moderne Autofahrer heute meint, haben zu müssen. Die meisten Funktionen (übersichtliche Kacheldarstellung) laufen über den 10,2 Zoll großen Touchscreen ab.
Quasi Pflichtübung sind die Assistenzsysteme. Sie stammen aufgrund der gleichen Elektronik-Architektur vom Siebener und Fünfer. Neben dem üblichen Halten der Spur und des Abstands zum Vordermann, dem selbstständigen Wiederanfahren im Stau, dem Warnen beim Totem Winkel, dem Lesen von Verkehrszeichen, dem Notbremsen, dem vorausschauenden Sparfahren, der Rückfahrkamera, dem "360-Grad-Surround-View" oder dem automatischen Ein- und Ausparken kann der neue X3 auf der Autobahn sogar alleine überholen. Intelligenter ist derzeit kein SUV in dieser Klasse.