Von Michael Specht/SP-X
Dass Ulrich Hackenberg in der Branche bekannt ist für Perfektion im Detail, merkt man dem neuen A4 schon von außen an. Kein anderer Fahrzeughersteller leistet sich eine seitliche Sicke, die exakt in die Fuge der Haube überläuft und so eine durchgehende Linie bildet. "Dies so präzise hinzubekommen, war ein technische Herausforderung", sagt Audis Entwicklungschef. Der neue A4, intern B9 genannt, steht kurz vor dem Serienanlauf und soll im Herbst in den Handel kommen.
Derzeit ist Hackenberg mit seinem Entwicklungsteam auf sogenannter Abnahmefahrt unterwegs. Gewählt haben die Tester die kurvigen Gebirgsstraßen im südlichen Schwarzwald. Hier sollen letzte Fehler aufgedeckt, letzte Feinheiten geglättet werden. Sind noch irgendwo Störgeräusche zu hören, rasten alle Schalter ein wie gewünscht, fühlt sich alles perfekt an? Den Ingenieuren entgeht nichts. Hackenberg prüft sogar, mit welchem Widerstand sich der Verschluss des Spiegels an der Sonnenblende zur Seite schieben lässt. Ginge er zu schwer oder zu leicht, wäre dies nicht Audi-like. Der Mann ist Pedant. Alles muss eine hohe Präzision ausstrahlen. "Erst das Gesamtpaket macht ein gutes Auto aus", sagt Audis erster Ingenieur.
Das Ziel der Ingolstädter für den neuen A4 lautete ganz klar: Wir wollen den Spitzenplatz im Segment. Das heißt, leiser, leichter, sparsamer, komfortabler, moderner und vernetzter sein als die Konkurrenz, zu der vor allem die Mercedes C-Klasse und der 3er BMW gehören. Und jüngst auch der Jaguar XE mit seiner Vollaluminium-Karosserie, angeblich die leichteste Limousine in der Klasse.
Gesamtkomfort auf hohem Niveau
Hackenberg schmunzelt. "Wir sind leichter." Und nimmt auf dem Beifahrersitz eines A4 3.0 TDI Platz. "Bitte, Sie dürfen fahren!" Schon nach wenigen Kilometern wird klar, wie sehr sich der A4 im Vergleich zum Vorgänger gewandelt hat. Er lenkt präziser, reagiert direkter, fährt souveräner, bleibt in Kurven neutraler, rollt leiser ab und federt sensibler. Auch das Innengeräusch sank beträchtlich. Man könnte fast denken, in einem kleinen A8 zu sitzen. Nicht nur, weil das Interieur mit den edlen Oberflächen nahezu dessen Qualität aufweist, sondern auch, weil der Gesamtkomfort ein Niveau erreicht, das einen immer wieder staunen lässt. Selbst, wenn es mal über nicht topfebenen Asphalt geht, der A4 bleibt geschmeidig und ruhig. Mittelklasse ist dies jedenfalls nicht mehr.
Subjektiv sind daran natürlich auch der 272 PS starke Dreiliter-V6-Diesel und das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe beteiligt, eine Kombination, die den A4 fast zur Sportlimousine macht. Die interessanteste Neuheit beim Thema Antrieb dürfte jedoch der Zweiliter-Benziner mit dem bei einem Turbomotor erstmals eingesetzten Miller-Cycle-Brennverfahren sein. Hier wird das Gemisch so geschickt gesteuert, dass der 190 PS starke Vierzylinder zum weltweit sparsamsten Benziner seiner Leistungsklasse wurde. "Wir kommen auf einen Normverbrauch von 4,8 Liter und einen CO2-Ausstoß von nur 109 g/km", sagt Thomas Heiduk, Leiter Antriebsentwicklung.
Nicht einmal der kleine 1,5-Liter-Dreizylinder im Dreier-BMW kann hier mithalten, ebenso wenig die Turbobenziner in der Mercedes C-Klasse. Zum geringen Verbrauch des A4 steuern, neben dem intern "Triple-Eight" genannten Aggregat (EA888), auch andere Komponenten ihren Anteil bei. Dazu zählen Leichtbau, Aerodynamik, Reifen und alle Reibungsverluste im Antrieb. Wie tiefgreifend die Audi-Ingenieure hier im Detail optimiert haben, zeigt eine interne Messung aus Tempo 130. Nimmt der Fahrer den Fuß vom Gas, rollt der neue Audi A4 fast einen halben Kilometer weiter als sein Vorgänger.
Der 1,8-Liter TFSI wird nicht mehr angeboten
Im Programm bleibt der bewährte 2.0-TDI-Diesel. Ihn gibt es mit 150 oder 190 PS. Die auf Sparsamkeit getrimmte "Ultra"-Version soll mit nur 3,7 Liter pro 100 Kilometer auskommen. Nachgereicht wird im kommenden Jahr ein 1,6-Liter-TDI. Bei den Benzinern beginnt der Einstieg mit 1,4-Liter und ebenfalls 150 PS. Ende 2016 soll es den A4 auch mit Erdgasantrieb (g-tron) in Verbindung mit dem Miller-Cycle-Motor geben. Der 1,8-Liter TFSI wird aus dem Programm genommen. Mit e-tron, also dem Plug-in-Hybrid-Antrieb, lassen sich die Ingolstädter noch etwas Zeit. "Das hängt von den gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Nachfrage ab", sagt Entwickler Thomas Heiduk, "wir könnten aber schnell reagieren, da dieser Antrieb bereits im Q7 sitzt und im nächsten Q5 zum Einsatz kommt."
Auf der Pole Position fahren wollen die Ingolstädter auch bei Infotainment und Konnektivität. Der A4 kann optional mit dem virtuellen und umstellbaren Cockpit (bislang TT und Q7) bestellt werden. Erstmals bietet Audi in seinem Mittelklasse-Modell auch ein Head-up Display an. Und für die Verbindung nach draußen steht alles zur Verfügung, was heute "State of Art" ist: Hotspot, Apps, LTE, Smartphone-Anbindung über iOS und Android, kabelloses Laden des Handys und eine Sprachsteuerung, die alltägliche Formulierungen versteht.
Der neue A4 wuchs in der Länge nur um wenige Zentimeter auf 4,73 Meter. Der Radstand nahm ebenfalls minimal zu. Dennoch genießen die Gäste im Fond mehr Beinfreiheit, weil der Innenraum geschickter ausgenutzt wurde. Auch beim Kofferraum fanden die Entwickler noch einige Liter, zumindest beim Avant. Dessen Volumen steigt von 490 auf 505 Liter, was laut Audi ein "Klassenbestwert" ist. Die Limousine behält ihre 480 Liter. Erstmals können die Sitzlehnen im Verhältnis 40:20:40 umgelegt werden, per Fernbedienung vom Kofferraum aus. Beim Avant öffnet und schließt die Heckklappe automatisch. Aufpreis kostet es, wer sie mit einem Fußschwenk öffnen will. Erstmals öffentlich zeigt Audi den A4 auf der IAA Mitte September in Frankfurt.