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Continental: Neue Ära der Reifenentwicklung

24.09.2024 10:13 Uhr | Lesezeit: 4 min
Pirelli-Reifentest am Simulator
© Foto: Pirelli

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und neuronaler Netze generieren Reifenhersteller wie Continental und Pirelli bereits Vorteile für sich und ihre Erstausrüstungskunden.

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Ein einsamer Schornstein überragt die sanften Hügel des Odenwaldkreises. Mit dem rauchenden Schlot vergangener Industrieanlagen hat der fast schon päpstlich weiße Rauch bei Pirelli zwar kaum noch etwas zu tun, gedanklich schlägt man dennoch die Brücke zur Industrie und ihren Produktionsanlagen - und das zurecht. Seit mehr als 120 Jahren verarbeitet man hier in Breuberg Naturkautschuk. Seit mehr als 60 Jahren ist der Schornstein und das zugehörige Werk fest in italienischer Hand - zumindest auf dem Papier.

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In der Praxis arbeitet manch einer der rund 2.500 Pirelli-Mitarbeiter am Standort Breuberg schon in dritter Generation hier. Der Reifenhersteller indes ist auch nach etlichen Jahren davon überzeugt, hier in Breuberg am richtigen Ort zu sein. Der Standort sei nach wie vor "kompetent und zukunftssicher", erklärt der Vorsitzende der Pirelli-Deutschland Geschäftsführung Wolfgang Meier. Das kürzlich eröffnete Virtual Development Center (VDC) unterstreicht die Standortstrategie von Pirelli.

Continental: Zeit- und Kostenersparnis

Dort sollen neue Reifen virtuell entwickelt und getestet werden. Was im ersten Moment abstrakt klingen mag, ist mit den heutigen technischen Möglichkeiten jedoch möglich und bietet einen großen Impact auf den Entwicklungsprozess eines Reifens. Die hierfür benötigte Zeit soll sich so um bis zu 30 Prozent verkürzen, im selben Maß soll auch der Verschleiß physischer Prototypen sinken. Damit will der Reifenhersteller Zeit, Geld und letztlich auch weniger Treibhausgase emittieren, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 erreichen zu können.

So groß das Potential der Technologie ist, so unscheinbar gibt sich das Gebäude in der sie untergebracht ist. Erst hinter einer großen Doppelflügeltür wird schließlich auch optisch deutlich, dass hier die Zukunft der Reifenentwicklung zuhause ist.

Die langgezogenen Bedientische sind mit zahlreichen Monitoren bestückt, die Fensterfront auf der linken Seite gewährt einen Blick auf das Herz des Technologiezentrums: Eine gigantische Videoleinwand vor der, beinahe schon andächtig, ein Porsche Carrera steht. Der ist zwar auch mit Pneus ausgestattet, für den Test spielen diese allerdings keine Rolle. Die Produktentwicklung erfolgt ausschließlich virtuell. "Das VDC inklusive des Simulators unterstützt alle virtuellen Projektphasen für die deutschen Automobilhersteller", betont Florian Waffenschmidt, Head of VDC Pirelli Deutschland. Auf diese Weise kann der Hersteller schnell und agil auf die Anforderungen der Automobilhersteller reagieren und diesen entsprechen.

ContinreKI und neuronale Netze

Bevor jedoch der virtuelle Reifen auf den physischen Testwagen trifft, dessen Inneres durch zahlreiche Elektromotoren, Luftkissen und andere technische Systeme ersetzt wurde, um dem Fahrer ein möglichst realistisches Fahrgefühl vorzugaukeln, gilt es, mithilfe einer im Vorfeld durchgeführten Reifensimulation eine gewisse Vorauswahl zu treffen. Bei dieser Reifen-Erstauslese kommt künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Mithilfe von KI werden Simulationen durchgeführt, die anhand von im Vorfeld definierten Anforderungsparametern virtuelle Reifen entwickeln. In Kombination mit neuronalen Netzen soll, was bei der klassischen Reifenentwicklung ganze Tage gedauert hat, in wenigen Sekunden erledigt sein. Bis zu zehnmal schneller als in Echtzeit, heißt es auf Seiten von Pirelli, sei dieses Verfahren. "Es ist eine Art virtuelle Reifenfabrik", ordnet Thomas Michel, Chief Technical Officer (CTO) bei Pirelli Deutschland, das Wirken des Reifensimulators ein.

Simulation und Erfahrung

Damit diese virtuelle Reifenfabrik keine Luftnummern produziert, muss die Datenbasis stimmen. Hierfür hat man bei Pirelli lange und intensiv Daten gesammelt, auf die genannte Algorithmen ihre "Intelligenz" stützen. Über Nacht kann man verschiedene Parameter und deren Wirkung auf die Performance des späteren Reifens testen. Derzeit konzentriert man sich bei der Simulation auf bestimmte, streng definierte Fahrsituationen. "Lastfall" nennt sich diese Spitze des Belastungs-Eisbergs - und die wird schon zu 95 Prozent getroffen. Komplexe Wechselwirkungen von Fahrzeug, Asphalt und Gummi sind jedoch nach wie vor eine Sache des "Popometers" des Testfahrers, der hierfür im entkernten Porsche Platz nimmt.

Auf Knopfdruck kann dieser die Fahreigenschaften eines SUV oder eines anderen Fahrzeug-Prototypen, für den ein Reifen entwickelt werden soll, annehmen. Ingenieure von Pirelli können virtuelle Versionen aller Fahrzeugmodelle, die von den Automobilherstellern zur Verfügung gestellt werden, in den Simulator eingeben. "In unserem VDC können wir Reifen für Automobile entwickeln, die es in der Realität noch gar nicht gibt, sondern die uns die Automobilhersteller als digitale Modelle zur Verfügung stellen", erläutert CTO Thomas Michel.

Trotz der Tatsache, dass weder Reifen noch Fahrzeug "real" sind - das haptische Feedback ist es. Lenkwiderstand ist in Abhängigkeit zum Winkel und der Geschwindigkeit fühlbar, während die aufblasbaren Kissen im Rücken ein realistisches Gefühl einer Kurvenlage erzeugen. Selbst Feedback vom Fahrwerk bleibt nicht aus, wenn man mit dem virtuellen Fahrzeug über eine der zahlreichen, im System hinterlegten Rennstrecken fährt. Um auch hier möglichst nah an der Realität zu sein, wurden die realen Rennstrecken mit einem Laser vermessen. Die Ingenieure erkennen, wie das Fahrzeugverhalten durch Lenk-, Beschleunigungs- und Bremseingriffe in Abhängigkeit vom virtuellen Pneu beeinflusst wird.

Dabei oszilliert man stets zwischen den Fragen, was man am Reifen verändern muss - und ob das in der Realität überhaupt noch umsetzbar ist. "Das funktioniert nur im Schulterschluss zwischen diesen beiden Ansätzen", steckt Thomas Michel direkt die Grenzen zwischen Simulation und Realität ab.

Anforderungen der OEM

"Wir schaffen es, die neuen Technologien in Zusammenarbeit mit den OEM so zu nutzen, dass wir genau das treffen, was die anderen erwarten. Dabei geht es nicht darum, viele Daten zu erzeugen, die der OEM-Partner im Zweifel gar nicht will, sondern so genau und zielführend zu entwickeln, dass der Kunde am Ende genau das bekommt, was er erwartet hat", erklärt Pirelli Deutschland-Chef Wolfgang Meier.

Im Rückspiegel blitzt er dann nochmal auf, der Schornstein. Ganz ohne ihn wird es auch in Zukunft nicht gehen. Mit dem virtuellen Prototypentest ist man dieser Zukunft jedoch wieder einen Schritt nähergekommen.

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