Dass man im Hause Bentley eine neue Baureihe aufgrund der relativ kleinen Stückzahlen mehr als sorgfältig durchrechnet, versteht sich von selbst. Mitentscheidend, die 2012 in Genf vorgestellte Studie eines Luxus-SUV auch in Serie zu bauen war jedoch ein kleiner Aluminiumkoffer mit 2.000 Visitenkarten, säuberlich geordnet nach Regionen, Ländern und Märkten. Motto: Jede Karte ein potenzieller Kunde. Gesammelt hatte sie Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer. Ende 2012 übergab er den Koffer an Martin Winterkorn. Der VW-Konzernchef soll von dieser coolen Aktion sichtlich beeindruckt gewesen sein – und gab sein Ja-Wort.
Für den 27. November hat Bentley nun den sogenannten SOP ("Start of Production") angesetzt. Der Bentayga, so der Name des SUV, basiert auf der Plattform PL73 und wird anfangs ausschließlich mit dem bekannten W12-Motor (über 600 PS) ausgeliefert. Das macht ihn zum derzeit stärksten SUV überhaupt.
Die Rohkarosse des Bentayga entsteht bei VW im Werk Brastislava – hier werden auch der VW Touareg und der Porsche Cayenne zusammengeschweißt – und wird im englischen Crewe vervollständigt. Im Interieur soll das SUV das Niveau eines Mulsanne erreichen, mit höchster Material- und Verarbeitungsqualität. Bentley will noch 2016 rund 3.600 Bentayga verkaufen. "Allein in den USA haben wir 17.000 registrierte Bentley-Besitzer, und bei den meisten von ihnen steht heute noch ein anderes SUV in der Garage", weiß Bentley-Chef Dürheimer.
Bis zu sieben Sitze?
Den Bentayga wird es als Vier- und Fünfsitzer geben. Im Jahr darauf soll angeblich eine siebensitzige Variante folgen. Bestätigt hat Crewe das noch nicht. Neben dem Zwölfzylinder wird Bentley vermutlich etwas später einen von Porsche entwickelten V8-Benziner und einen Achtzylinder-Selbstzünder (Konzernmotor) einsetzen. Der Bentayga würde damit das erste Dieselfahrzeug von Bentley sein. Angedacht ist auch eine Plug-in-Hybrid-Version, abhängig von gesetzlichen Bestimmungen.
Mit der Studie EXP 10 Speed 6 (siehe Bildergalerie unten), einem zweisitzigen Coupé, ließ Bentley im März in Genf die Herzen der klassischen GT-Fans höher schlagen. Selbst wenn es derzeit keine offizielle Bestätigung gibt, es deutet viel darauf hin, dass dieses Modell als fünfte Baureihe ab 2018 in Serie geht. Aus der Entwicklungsabteilung ist zu hören, dass man aus der Studie sogar deren rautenförmige Kirschholz-Panele in den Türen in die Serie übernehmen will. So etwas ist bislang einzigartig im Automobilbau. Inwieweit der Speed 6 den modularen Standardbaukasten MSB von Porsche nutzt, hängt davon ab, ob und wie viel Karbon verbaut wird.
Eigene Leichtbau-Architektur beim Speed 6
Dürheimer favorisiert eine eigene Leichtbau-Architektur. Unter der Haube dürfte ebenfalls das V8-Herz von Porsche schlagen. Die enge Verflechtung zu dem Zuffenhausener Unternehmen hat seinen Grund. Dürheimer und sein 2012 hinzugekommener Entwicklungschef Rolf Frech waren früher für Porsche tätig.
Als gesetzt gilt das MSB-Chassis für den nächsten Flying Spur. Bentley vollzieht damit einen Wandel vom Längs- zum Standardbaukasten. Der MSB verfügt über eine bessere Achslastverteilung und geringes Gewicht, bietet hohe Fahrdynamik und eine moderne Elektronik. Noch Zeit lässt man sich im Hause mit der Erneuerung des Flaggschiffes Mulsanne. Es ist das einzige Modell im Portfolio, das noch eine eigene Plattform und einen urbritischen Motor besitzt, den 6 ¾ V8. Die Chancen stehen gut, dass dies auch bei der nächsten Generation (ab 2020) so bleiben wird. Zusätzlich wird es innerhalb der Mulsanne-Baureihe wieder ein Cabriolet und – neu – eine im Radstand verlängerte Version geben. Sie zielt damit unmittelbar auf Kunden, die normalerweise mit dem Phantom bei Rolls-Royce liebäugeln. Eine oft zitierte Coupé-Version des Mulsanne wird es allerdings nicht geben. (sp-x)