Lieferengpässe und Materialmangel hinterlassen immer deutlichere Spuren in der deutschen Industrie. Zwar gingen im September mehr Aufträge beim Verarbeitenden Gewerbe ein als im Vormonat, das Plus fiel aber geringer aus als erwartet. "Sind Rohstoffe und Vorprodukte nicht verfügbar, verzichtet so manches Unternehmen auf eine Bestellung", erläuterte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Lichtensteiner VP Bank. Aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags wird das globale wirtschaftliche Umfeld ungemütlicher, vor allem Lieferkettenprobleme spitzen sich zu.
Nach Daten des Statistischen Bundesamtes vom Donnerstag stieg der Auftragseingang in der Industrie im September um 1,3 Prozent gegenüber dem Vormonat. Experten hatten mit einem Anstieg von 1,8 Prozent gerechnet. Kräftige Zuwächse verbuchten allerdings die Maschinenbauer.
Volle Auftragsbücher, leere Lager
Die Auftragsbücher der Industrie insgesamt sind weiter gut gefüllt. Wegen des Materialmangels könne die Unternehmen die Bestellungen aber kaum in eine steigende Produktion ummünzen, "zumal die neue Corona-Welle in China wieder zu Schließungen von Fabriken führen dürfte, die für den Nachschub der deutschen Industrie wichtig sind", argumentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die deutsche Wirtschaft werde im vierten Quartal wohl kaum wachsen.
Bei einer DIHK-Umfrage deutscher Unternehmen im Ausland berichten 54 Prozent der Firmen von Problemen in der Lieferkette und der Logistik als Folge der Corona-Pandemie. Im Vergleich zum Frühjahr 2021 sei der Wert um 14 Prozentpunkte und damit auf ein Rekordniveau gestiegen.
Die Folge: Waren und Dienstleistungen fehlen, es kommt zu Produktionsdrosselungen - und sogar Ausfällen, wie DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier in Berlin sagte. Das führe zu einem Preisdruck. Firmen gäben Preissteigerungen an Kunden weiter - dies werde am Ende auch bei Verbrauchern ankommen.
Industrie und Baubranche besonders betroffen
Besonders Industrie- und Bauunternehmen seien von Lieferkettenstörungen und deren Auswirkungen betroffen. Neben einer gestiegenen Nachfrage auf der einen und zu geringen Produktionskapazitäten auf der anderen Seite sehen die Firmen laut Befragung Transportprobleme - besonderes wegen mangelnder Container und Frachtkapazitäten auf Schiffen sowie Produktionsausfällen bei Zulieferern. Der DIHK stellte einen "AHK World Business Outlook" vor, in dem Rückmeldungen von weltweit mehr als 3200 im Ausland vertretenen deutschen Unternehmen zusammengefasst wurden.
Bei der Nachfrage nach Maschinen aus Deutschland zeigten sich dagegen keine Bremsspuren. Der Auftragseingang im deutschen Maschinenbau stieg in den ersten neun Monaten 2021 preisbereinigt (real) um 36 Prozent gegenüber dem im Vorjahreszeitraum, wie der Branchenverband VDMA mitteilte. Im September gab es dank starker Großanlagengeschäfte ein kräftiges Plus von 65 Prozent. Die Belebung der Nachfrage sei weiter intakt und "nährt sich nur zu einem geringen Teil aus Hamsterkäufen", erläuterte VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann. Bis sich der Auftragsbestand in Umsätzen niederschlage dürfte es wegen Lieferengpässe länger dauern als sonst üblich. (dpa)