Man muss über keine extraordinäre Beobachtungsgabe verfügen, um zu erkennen, dass es Land Rover ernst meint mit der Offroad-Kultur. Überall in Europa und sogar weltweit finden sich so genannte Land Rover Experience Center – dabei handelt es sich um Einrichtungen, die 4x4-Fans aufsuchen, um dort ihre Geländewagen-Leidenschaft in vollen Zügen auszukosten. Die meisten davon, nämlich neun an der Zahl, liegen im Vereinigten Königreich, und eines davon befindet sich bezeichnenderweise direkt an der Land Rover-Produktionsstätte in Solihull. Hier läuft auch der Defender vom Band. Noch. Im Januar soll Schluss sein mit der 4x4-Ikone, die schon seit Ende der Vierzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts quasi unverändert existiert.
So ganz stimmt das natürlich nicht. In den Defender, der übrigens erst seit Anfang der Neunziger so heißt und früher einfach nur der "Land Rover" war plus Zahlenbezeichnung für den Radstand, hat sich langsam Modernität eingeschlichen, ohne dass die äußere Erscheinung nennenswert berührt wurde. Aus den ursprünglichen Blattfedern wurden Schraubenfedern. Vom Vierzylinder-Benziner (41 kW / 55 PS) über einen Sechsender mit 2,6 Litern Hubraum und 60 kW / 82 PS bis hin zum V8 mit 99 kW / 135 PS reicht(e) das Motorenangebot. In den letzten Jahren mussten die Europäer mit Dieseln Vorlieb nehmen und erlebten gar eine Art Downsizing. Vom 2,5-Liter-Fünfzylinder sanken Zylinderzahl und Hubraum auf vier Töpfe sowie 2,2 Liter Volumen. Die Leistung blieb allerdings konstant mit 90 kW/122 PS. Euro 5 beim Triebwerk war das höchste der Gefühle, und auch das Crashverhalten der liebevoll genieteten Karosse, unter der sich ein stabiler Leiterrahmen verbirgt, dürfte der europäischen Union missfallen. Wohl ein triftiger Grund für das Aus der Ikone.
Um das bittere Ende zu versüßen, bat Land Rover zu einer letzten Ausfahrt mit einem 110er Station der jüngsten Ausführung. Die Geländereduktion eingeschaltet, knurrt und kraxelt sich der Selbstzünder stoisch durch den morastigen Untergrund des Experience Center in Solihull. Steigungen von mehr als 30 Grad trotzt er ebenso wie steilen Abhängen, wo das Einlegen des ersten Ganges zum obersten Gebot wird statt Bergabfahr-Kontrolle per Tastendruck. Der Defender lebt auch 2015 noch die analoge Welt, pfeift auf modernes Infotainment und verlangt seinem Fahrer eine satte Portion Muskelkraft ab, wenn das knochige Sechsgang-Getriebe bedient werden will. Andererseits möchte er mit Klimaanlage wie Sitzheizung auch irgendwie mithalten in einer Welt der Komfort-Vehikel.
Herzen der Städter erobert
Aber ein Lifestyler ist er definitiv geworden über die Jahre, längst hat er auch die Herzen der urbanen Bevölkerung erobert. Statt Sandfarben sind heute knallige Orange-Töne in – die letzten Modelle rollen teils sogar mit edler Lederbestuhlung vom Händlerhof. Man kann den Defender zwar nicht mehr neu bestellen, aber wird ihn wohl noch lange kaufen können. Man entsorgt ihn nicht – so kraxelt er sich durch die Welt, bis er den Unfalltod stirbt. So etwas kennt man ansonsten nur von Autolegenden wie dem Porsche 911. So leben angeblich noch dreiviertel aller Defender respektive Ur-Land Rover. Zwei Millionen Exemplare sollen alleine vom Band in Solihull gelaufen sein – wer weiß, wie viele es noch waren in den 45 weiteren Produktionsstätten, die auf dem gesamten Globus montierten. Darüber hinaus gibt es auch noch die Lizenzbauten von Firmen wie Iveco oder Santana Motors.
Ob der Defender aber wirklich ausgedient hat, muss sich erst noch zeigen. Vielleicht lässt man ihn ja länger laufen und verkauft ihn als Exportschlager weiter. Die Europäer werden jedenfalls einen Ersatz bekommen, wenngleich die Land Rover-Mannschaft noch nicht verrät, wann und in welcher Form. Eine futuristisch und zugleich ursprünglich anmutende Studie macht jedenfalls schon einmal Appetit auf den potenzieller Nachfolger. Einziger Wermutstropfen: Er könnte erst gegen Ende des Jahrzehnts in Serie gehen. (sp-x)