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Forschung: Steinmarder knabbern für Autoindustrie

08.09.2017 00:56 Uhr
Forschung: Steinmarder knabbern für Autoindustrie
Die Marderabwehr wird auch wegen neuer Antriebsarten immer wichtiger: "Bei Elektroautos reicht ein Biss".
© Foto: picture alliance / blickwinkel/G. Kopp

Steinmarder sehen possierlich aus. Doch sie richten Millionenschäden an Autos an. Forscher wollen die Technik deshalb mardersicher machen. Und lassen Testnager auf Schläuche und Kabel los.

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Von Peer Körner, dpa

Es dauert ein bisschen, dann schauen die beiden aus einem kleinen Schlupfloch am Boden hervor. Erst William, dann Kate. Die Studienobjekte von Susann Parlow sind scheu und von Haus aus eher nachtaktiv, es sind Steinmarder. Die Biologin hat im Gehege der Tiere Fotofallen aufgestellt, die Kabel der Scheinwerfer sind mit dicken Ummantelungen vor den scharfen Raubtierzähnen geschützt.

In Teilen des Geheges sieht es aus wie in einer alten Scheune. Ein ausgedientes Auto mit offener Motorhaube und viel landwirtschaftliches Gerät stehen dort. Unter einem der Fenster sind mehrere Schläuche befestigt, der dünnste ist schon angeknabbert. Und genau darum geht es: Parlow will herausfinden, welche Arten von Kabeln und Schläuchen für die Tiere besonders uninteressant sind.

"Obwohl Steinmarder zunehmend Schäden an Häusern und Kraftfahrzeugen verursachen, wird diesem Phänomen im wissenschaftlichen Bereich bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt", sagt Hans-Heinrich Krüger. Der Wildbiologe ist zuständig für die Tierforschung hier im Otter-Zentrum Hankensbüttel im niedersächsischen Landkreis Gifhorn. "Die Schäden dürften eine Höhe von etwa 200 Millionen Euro erreichen", schätzt er.

Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin nennt man etwas niedrigere Zahlen. "Nach unseren Berechnungen verursachen Marder an Kraftfahrzeugen einen jährlichen Schaden von mehr als 60 Millionen Euro", sagt Sprecherin Kathrin Jarosch. "Bundesweit werden uns jedes Jahr mehr als 200.000 Fälle gemeldet."

Autos mardersicher machen

"Ziel ist, der Autoindustrie zu sagen, wie die Autos mardersicher gebaut werden können", sagt Wildbiologe Krüger. Seit über fünfzehn Jahren würden deshalb in Hankensbüttel Kabel und Schläuche auf ihre Eignung geprüft. Susann Parlow sitzt dort an ihrer Abschlussarbeit. Im Februar will die Studentin der Technischen Universität Braunschweig fertig sein, Krüger betreut ihre Masterarbeit.

Parlow ist 29, Zoologie und Verhaltensforschung schätzt sie besonders. "Wir prüfen Gummi, Silikon, PVC und Polyethylen, auch Schläuche mit Teflongewebe und Stahlgeflecht", so Parlow. "Uns beschäftigen dabei vor allem drei Fragen", erläutert sie. So gehe es um die Rolle des Durchmessers bei gleich bleibendem Material, das Material bei gleichem Durchmesser und als drittes um die Geschlechterfrage. Bislang sei angenommen worden, dass die Männchen die weitaus meisten Schäden anrichten.

Für Parlow zeichnet sich ein anderes Ergebnis ab: "Ich gehe davon aus, dass sich am Ende kaum große Unterschiede zwischen den Geschlechtern ergeben werden", verrät sie schon jetzt. Außerdem hat sie festgestellt: "Je kleiner der Durchmesser, desto verlockender ist der Schlauch für die Marder." Das optimale Material werde noch gesucht. "Metallgeflecht kriegen sie nicht kaputt, das ist aber kostspielig."

Schuld ist vor allem das Revierverhalten

Aber warum beißen Marder überhaupt in Kabel und Schläuche? "Schuld ist vor allem das Revierverhalten", erklärt Krüger das zerstörerische Werk der Allesfresser. Das Auto bewege sich durch verschiedene Reviere und nehme so den Duft von Rivalen auf. Zu Hause am Abstellplatz kommen dann die dortigen Steinmarder und beißen in Zündkabel, Kühlwasserschläuche und Stromleitungen. "Aber auch Neugier und Spieltrieb sind Faktoren", sagt Krüger. "Manchmal ist ein Kabel auch schlicht im Weg."

Die Knabberei sei für die Marder ungefährlich, betont Krüger, sie schluckten das Material nur sehr selten. "Was wir Menschen mit den Händen begreifen, machen sie mit den Zähnen", erklärt er. Und so nagen Kate und William für Forschung und Industrie, für Autobesitzer und Versicherer - und sie haben Erfahrung. "Die beiden sind seit sechs Jahren im Otter-Zentrum", berichtet Krüger über die nach dem britischen Prinzen und seiner Frau benannten Tiere. "Das sind zwei Findelkinder, die wir mit der Flasche aufgezogen haben."

Doch nicht nur die royalen Marder hat Parlow eingespannt. "An meinen Untersuchungen sind noch fünf weitere Tierparks beteiligt", berichtet sie. So sind auch Fred und Wilma im schleswig-holsteinischen Eekholt im Einsatz, wie das "Hamburger Abendblatt" kürzlich berichtete.

"Bei Elektroautos reicht ein Biss"

Die Marderabwehr wird auch wegen neuer Antriebsarten immer wichtiger: "Bei Elektroautos reicht ein Biss", betont Krüger. "Dann kann Wasser eindringen und das Auto schaltet sich automatisch aus. Dabei können Schäden von mehreren tausend Euro entstehen." Hilfreich sei die Ummantelung wichtiger Kabel und Leitungen oder eine Abschottung des Motorraums, heißt es beim ADAC in München. Keine Wirkung hätten hingegen Hausmittel wie Hundehaare, Mottenkugeln oder WC-Steine. "Die Tricks mit fremden Duftstoffen bringen bestenfalls kurzfristig Abhilfe, die Tiere gewöhnen sich schnell daran", meint auch Krüger. "Am ehesten helfen noch menschliche Gerüche, etwa alte Socken."

Während die Steinmarder in den anderen Wildparks in einigen Monaten ihre wissenschaftliche Knabberei einstellen werden, geht es für Kate und William weiter. Auch Susann Parlow will dabeibleiben, sie ist von ihrer Aufgabe begeistert. "Ich würde gern in der Richtung weiterforschen", sagt sie. Eine Arbeit, die Millionen sparen kann.

Was neugierige Marder anrichten können, hat sich im vergangenen Jahr in Genf gezeigt. Dort legte ein Steinmarder vorübergehend den größten Teilchenbeschleuniger der Welt lahm. Das Raubtier war in die unterirdische Riesenmaschine des Europäischen Kernforschungszentrums (Cern) eingedrungen und löste dort einen Kurzschluss aus. Der Marder überlebte den Ausflug in einen Transformator mit 66.000 Volt nicht, seine Überreste kamen in ein naturhistorisches Museum.

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