Von Dirk Kunde
Der Diesel-Motor läuft weiter, während die beiden Handwerker im geparkten Transporter vor der Baustelle sitzen. In der kalten Jahreszeit möchten die zwei während ihrer Mittagspause nicht frieren. Ein verständlicher Wunsch. Für viele in diesem Bereich ist das Fahrzeug Büro, Kantine und rollender Werkzeugkasten zugleich. Noch dominiert mit 88 Prozent der Diesel-Antrieb bei leichten Nutzfahrzeugen, die von Handwerkern als auch Paket- und Lieferdiensten genutzt werden.
Elektrische Antriebe erreichen erst vier Prozent Marktanteil. Meist sind es elektrische Versionen bekannter Transporter. Das will ein Neuling mit Flynt ändern.
Daniel Kirchert ist Flynt-CEO
Flynt ist ein deutsch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen. Gründer und CEO ist Daniel Kirchert, ein Automanager mit über 20 Jahren Berufserfahrung in China. Er war für Unternehmen wie BMW Brilliance, Nissan und Byton tätig. "Indem wir die Stärken europäischer und chinesischer Innovation vereinen, wollen wir neue Maßstäbe im Segment leichter Nutzfahrzeuge setzen.
Mit Flynt wollen wir Betriebskosten senken, Effizienz steigern und Emissionen reduzieren", fasst es Kirchert zusammen. Pro Jahr werden in Europa 1,5 Millionen leichte Nutzfahrzeuge verkauft. Mit 91 Millionen Tonnen CO2-Emissionen gehört der Sektor zu den größten Emittenten im Verkehrssektor.
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BildergalerieFlynt: Grundidee ist ein Skateboard-Konzept.
Während Kirchert mit seinem Team die Vertriebsstrukturen in Deutschland aufbaut, hat sein Mitgründer und COO, Rogan Liu, seinen Sitz in China. Der Automanager hält vor Ort den Kontakt zum Hersteller. Gemeinsam mit Miraco Motor wird das Lieferfahrzeug in Guangzhou im Süden Chinas entwickelt. "Miraco ist eine Ausgründung des Autoherstellers GAC, der bereits seit 1955 existiert", sagt Kirchert.
Die Grundidee für das Fahrzeug ist ein Skateboard-Konzept. Batterie, Leistungselektronik, E-Motoren und Räder bilden eine flache Einheit, die an ein Skateboard erinnert. Darauf werden Fahrerhaus und Stauraum gesetzt. Die Konstruktionsweise bietet für Nutzfahrzeuge etliche Vorteile. Hiermit sind Front-, Heck- oder Allrad-Antrieb möglich.
Mit weniger als 50 cm Einstiegshöhe wird das Be- und Entladen erleichtert. Die geteilte Heckklappe gibt eine Öffnung von 2,5 mal 2,5 Meter frei. Zudem kann das Fahrzeug durch seitliche Schiebetüren beladen werden. Der versenkte Motor schafft mehr Beinfreiheit im Fahrerhaus und der flache Boden bietet das Maximum an Ladefläche.
Flynt-Transporter kommt mit 800 Volt-Technik
Der Flynt-Transporter kommt mit Ladevolumina von 8,7 bis 16,5 Kubikmetern. Angeboten werden sechs Varianten, die in Länge und Höhe des Aufbaus variieren. Mit der niedrigsten Höhe von 2,05 Metern passt der Transporter noch in die meisten Tiefgaragen. In Planung sind drei Batterievarianten. Die 55 und 75 kWh LFP-Batterien werden mit bis zu 180 kW am Schnelllader in 20 Minuten von 30 bis 80 Prozent geladen. Am Wechselstromanschluss lädt Flynt mit bis zu 22 kW. Die 100 kWh NCM-Batterie nutzt eine 800 Volt-Technik, was höhere Schnellladeleistungen ermöglicht.
Sie soll eine Reichweite bis zu 500 km liefern. „Die Ansprüche an Reichweiten sind je nach Branche sehr unterschiedlich“, sagt Kirchert. Paketdienste fahren mehrere hundert Kilometer am Tag, während Handwerker lediglich wenige Kilometer bis zum Kunden zurücklegen. Für sie ist wichtig, dass sie ihre elektrischen Werkzeuge vom Fahrzeug mit Energie versorgt werden, falls es vor Ort keinen Stromanschluss gibt oder der zu weit entfernt liegt.
Flynt: Digitalangebote für Flottenmanager
Eine Wärmepumpe sorgt in der kalten Jahreszeit dafür, dass Heizen der Fahrerkabine nicht zu viel von der Reichweite nimmt. Der Fahrer hat einen ausklappbaren Tisch sowie diverse Ablagefächer. Im Armaturenbrett gibt es zwei Schlitze, in die man aufrecht Smartphones stellen kann. Android Auto und Apple Carplay sind nutzbar.
Assistenzfunktionen (Level 2) erhöhen den Komfort und die Fahrsicherheit. Insbesondere der Einparkassistent kann in engen Innenstadtstraßen hilfreich sei. Doch die wichtigste digitale Schnittstelle sind für Kirchert Digitalangebote für Flottenmanager. "Zur Gesamtkostenrechnung gehört, dass ein Flottenmanager von seinem Arbeitsplatz aus sehen kann, wie der Zustand eines Fahrzeugs ist und wie er oder sie es einplanen kann", so Kirchert. Flynt wird dazu ein Serviceangebot für Wartung und Reparaturen aufbauen, denn Ausfallzeiten sind im Transportwesen teuer.
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BildergalerieEin erster Blick auf den Prototypen zeigt ein sehr kantiges Design. Doch lautet das Ziel beim cW-Wert 0,3. Flynt hat noch eine weitere Zielgruppe im Blick. Bislang gibt es wenige emissionsfreie Angebote für Campingfreunde. "Wir arbeiten mit entsprechenden Ausrüstern zusammen und können uns eine Camping-Version des Fahrzeugs vorstellen“, sagt Kirchert. Erste Testfahrzeuge erwartet Flynt in der ersten Jahreshälfte 2025 in Europa. Auslieferungen an Kunden in Westeuropa sind im ersten Halbjahr 2026 geplant.