Der VW-Konzern will künftig mehr Taktgeber für neue Entwicklungen seiner Marken sein. Am Vorabend der Automobilmesse in Genf präsentierte der Konzern am Montag sein erstes Konzept eines selbstfahrenden Autos, das keinen menschlichen Fahrer mehr braucht. Damit wollen die Wolfsburger die Entwicklung von sogenanntem automatisierten Fahren vorantreiben - laut Experten ein künftiger Wachstumsbereich für die Automobilbranche.
"Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Volkswagen Konzern wird auch in Zukunft keine Autos bauen. Diese Aufgabe ist bei den Marken bestens aufgehoben", sagte Vorstandschef Matthias Müller auf einer Konzernveranstaltung. "Aber unser Concept Car steht für ein neues Selbstverständnis und für eine neue Form der Zusammenarbeit und des Know-how-Transfers im Konzern." Es sei das erste Auto im Konzern, das für autonomes Fahren konzipiert sei, das keinen Menschen als Fahrer benötige.
Das Konzeptauto soll auf Knopfdruck vollautomatisch vor dem Haus vorfahren und seine Insassen automatisch ans Ziel fahren. Das "Sedric (self-driving car)" getaufte Fahrzeug solle die Bedeutung des vollautomatisierten Fahrens in der Zukunftsstrategie des Konzerns unterstreichen, hieß es. "Viele Elemente und Funktionen dieses Concept Cars werden wir in den kommenden Jahren in den Fahrzeugen unserer Marken wiederfinden", sagte Müller.
Konzern will mehr Ideen für Marken liefern
Schwerpunktmäßig ist die Entwicklung neuer Modelle bei den zwölf Fahrzeugmarken von VW angesiedelt, künftig will der Konzern aber stärker als Ideengeber auftreten. VW hatte im Rahmen seiner bis 2025 ausgelegten Strategie auch eine dreizehnte Marke gegründet - Moia genannt. Sie soll künftig moderne Formen der Automobilnutzung wie Carsharing oder Taxidienstleistungen über Apps anbieten. Die Vorstellungen reichen dabei hin bis zu vollständig autonom fahrenden Taxiflotten.
Volkswagen hatte auch als Reaktion auf den Dieselskandal einen grundlegenden Konzernumbau eingeleitet. VW will dabei neben Mobilitätsdienstleistungen auch die Elektromobilität massiv ausbauen. Auch automatisiertes Fahren gehört zu den Zukunftsthemen der gesamten Branche.
Roboterwagen in "naher Zukunft"
Die Studie Sedric kommt ganz ohne Lenkrad, Gaspedal oder Bremse aus, dafür aber mit einem kleinen Kaktus-Garten hinter der Rückbank. "Ich weiß, dass viele von ihnen, wie ich, noch gerne selbst hinter dem Steuer sitzen", betont Müller fast schon ein wenig wehmütig, doch schon in "naher Zukunft" will VW so ein Auto ohne Lenkrad und Pedale in Serie bringen. Heißt konkret: In zehn, zwölf Jahren könnten uns fahrerlose Taxis wie Sedric durch die Großstadt kutschieren, und die Moia-Chauffeure wieder arbeitslos machen.
Angefordert wird Sedric per Knopfdruck. Digital natives kennen das Prinzip von Amazon, wo mittlerweile per Taste das Waschmittel oder die Druckertinte nachbestellt werden kann. Ist der Stromer, der den Radstand eines VW Up hat, aber innen mangels Armaturen, Motor- und Kofferraum deutlich geräumiger ist, lautlos angerollt, erkennt er seinen Besitzer automatisch und öffnet die Tür. Gesteuert wird Sedric per Sprache, und zwar so, "wie man auch mit einem Menschen spricht". Wer arbeiten oder einen Kinofilm anschauen will, kann die große Windschutzscheibe komplett in einen Bildschirm verwandeln. "Das Konzept eignet sich hervorragend als Carsharing-Lösung", betont Müller. Während man selbst also fleißig am Schreibtisch sitzt und arbeitet, kann das Auto andere Leute durch die Gegend kutschieren und im besten Fall damit Geld verdienen.
Was Autos wie Sedric am Ende kosten, steht derzeit noch in den Sternen. VW denkt aber schon jetzt über eine Diversifikation nach. Denn schließlich ist Sedric derzeit noch ein Kind des Konzerns – übrigens die erste Volkswagen-Konzern-Studie überhaupt. Deshalb steht er auch nicht auf der Messe, sondern wurde nur am Vorabend quasi markenneutral vorgestellt. In Serie gehen könnte Sedric in unterschiedlicher Größe und Ausstattung also sowohl als Audi, Seat oder Skoda gehen, aber auch ein Einsatz als Luxus-Shuttle der Marke Bentley wäre denkbar. Die Kunden der britischen Nobel-Tochter müssten sich auch am wenigsten umgewöhnen – die meisten von ihnen greifen schon heute nur selten selbst ins Steuer. (dpa/sp-x)