In der Druckindustrie sind höchste Präzision und langlebige Qualität wichtig, denn die Kolosse von bis zu 50 Metern Länge müssen in höchster Qualität jahrzehntelang ihre Dienste verrichten. Mit Blick auf die schnelllebigen Produkte der heutigen Zeit muten sie an wie etwas aus der Zeit gefallen. Aber es gibt ihn eben noch, den Bedarf an – vor allem – Verpackungsdruck und damit den nötigen Maschinen. Und so lud die Heidelberger Druckmaschinen AG einige Fachmedien nach Wiesloch-Walldorf in die Produktion. Allerdings spielten hier nicht die namensgebenden Industrie-Riesen die Hauptrolle, sondern die E-Mobilitäts-Sparte namens Amperfied.
Amperfied: Von der DC-Welt zur AC-Wallbox
Der Weg von Druckmaschinen zur Halbleitertechnik und zu Wallboxen ist nicht alltäglich, deshalb hier ein kurzer Exkurs, der zeigt, weshalb der Neuling (erst seit 2022 gibt es die Amperfied GmbH als eigenständiges Unternehmen) durchaus anders ist. Druckmaschinen müssen – ähnlich wie Teile aus der Autoindustrie – extrem zuverlässig sein. Runtergebrochen auf die tausende Relais und hunderte Motoren, die in jenen 50-Meter-Ungetümen wirken, bedeutet dies Fehlertoleranzen im kaum messebaren Bereich. Zwei wichtige Aspekte sind deshalb seit jeher den Maschinenbauern geläufig. Gleichstromnetzwerke (in den Druckmaschinen müssen bis zu 400 Antriebe synchron laufen) und Halbleitertechnik. Denn seit Ende der 1970er-Jahre entwickeln die Württemberger ihre eigenen Leiterplatten (schlichtweg, weil es bis dato keinen Anbieter dafür gab). Der Auslöser dafür war übrigens das Wechseln der Farbeinstellungen in den Druckmaschinen. Manuell dauerte dies mehr als anderthalb Stunden, mit der eigens erdachten Mikrochip-Lösungen nur noch halb so lange, erinnert sich Ulrich Grimm.
Jener Ulrich Grimm war es, der zusammen mit einem Kollegen den Vorschlag unterbreitete, dass man das Know-how und die eigenen Testcenter nutzen könnte, um nicht nur die Gleichstrom- (DC-)Produkte für Druckmaschinen, sondern auch (AC-)Wallboxen zu entwickeln. Denn die Druckindustrie leidet unter anderem unter dem Zeitschriften-Schwund, sodass neue Standbeine nötig sind. Das war Anfang der 2010er-Jahre. Um genau zu sein: Vor zwölf Jahren begann in Wiesloch-Walldorf, der Entwicklungs- und Produktionszentrale in Deutschland, das E-Zeitalter, indem man für einen OEM ein Mode-2-Ladekabel fertigte. Mitte der 2010er Jahre stieg man zum Tier-2-Lieferanten auf. Die erste Wallbox für Endkunden kam 2018 aus Wiesloch-Walldorf nach etwa eineinhalb Jahren Entwicklungszeit. Seit 2022 gibt es mit Amperfied die dazugehörige eigenständige Vertriebs-, Enwicklungs- und Dienstleistungssparte mit mittlerweile rund 60 Mitarbeitern.
Heidelberg Amperfied
BildergalerieAmperfied: 200.000 Wallboxen selbst gebaut
CEO von Amperfied ist Davide Ghione gebürtiger Turiner und mit internationaler Laufbahn. Zuletzt arbeitete er bei Arrival, davor bei Tesla. Er versprüht also E-Pionier-Geist. Ghione sieht gerade im AC-Heimladebereich sehr viel Konkurrenz. Mittlerweile wird das Geschäft rauer, und der Markt beginnt, sich zu bereinigen. Als Teil der Heidelberger Druckmaschinen Gruppe verfügt man allerdings über einen langen Atem, heißt es bei dem Journalisten-Talk. Da der Aufbau von Ladeinfrastruktur wie auch die Elektrifizierung der Flotten ein weltweites Thema ist, blickt Amperfied über den nationalen Tellerrand hinaus und ist bereits in anderen europäischen Ländern wie Spanien und Italien aktiv. Nach eigener Aussage sind die Heidelberger deutschlandweit die Nummer drei im Geschäft.
Seit 2014 produziert und verkauft man mittlerweile AC-Ladelösungen. Bislang wurden mehr als 200.000 Wallboxen vor Ort gefertigt, davon einige auch für Dritte. Offen gibt man sich auch beim Gestalten der sonst grauen Boxen. Seit jeher erhalten diese auf Kundenwunsch einen individuellen Touch. Das wird vor allem von Mittelständlern nachgefragt, die sich über die Wallboxen mit dem eigenen Firmenlogo besonders freuen.
Amperfied: Support statt nur Hardware
Die Wallboxen, also die Hardware, machen momentan gut 80 Prozent des Geschäfts aus, der Rest sind Dienstleistungen, Montage etc. Dieses Verhältnis soll sich mittelfristig drehen, sodass über Services und die eigene Cloud-Software das Gros des Umsatzes erwirtschaftet werden soll. „Unser Ansatz ist es, den Übergang zur Elektromobilität so reibungslos wie möglich zu gestalten, egal ob ein Privatkunde eine einzelne Wallbox benötigt oder ein Fuhrparkmanager eine integrierte Lösung zum Laden mehrerer Fahrzeuge“, betont Ghione.
So gibt es neben der Hardware, welche nach dem Start für Endkunden schrittweise um Ladesäulen für B2B-Anwendungen erweitert wurde, eine Backend-Lösung mit zahlreichen Dienstleistungsmodulen. Mit dem Vertragsmanagement, dem Verwalten verschiedener Ladetarife (zum Beispiel unterschiedliche für Mitarbeiter und für Besucher) oder der automatischen Abrechnung fächert sich ein großer Blumenstrauß auf, aus dem sich gerade die Flottenkunden individuell bedienen können. Sein eigenes Lade-Bouquet muss man dann nicht kaufen, man kann es auch mieten. Ein Service, der vor allem durch die zahlreichen neuen Anbieter am Lademarkt, welche in den vergangenen Monaten nach Deutschland drängten, immer präsenter wird. Hierfür arbeitet Amperfied mit der Finanzierungssparte des Mutterkonzerns zusammen. „Mit dem neuen Mietmodell Amperfied Rental, unterstützt von Heidelberg Print Finance, erweitern wir unseren Servicegedanken und bieten gewerblichen Kunden Ladeinfrastruktur mit allen dazugehörigen Dienstleistungen auf monatlicher Abrechnungsbasis an und senken damit die Hürde für die Installation von Ladeinfrastruktur deutlich“, beschreibt Ghione das Modell.
ADAC testet Wallboxen (2022)
BildergalerieAmperfied: Ladelösung zum Mieten
Bei Amperfied geht man von bis zu 50 Prozent Mietanteil aus, sofern keine neuerliche Förderung den Kauf übermäßig bevorteilt. Zur Grundmietgebühr kommen die Kosten für die Hardware (Wallboxen, Ladesäulen), Software (Backend) sowie die Dienstleistungen. Mindestens 36 bis maximal 60 Monate können die Mietverträge laufen. Aktuell gehalten wird das System über Over-the-Air-Updates. Wobei die Heidelberger einschränken, dass aufgrund einer Vielzahl regulatorischer Eingriffe (der Lademarkt wird zum Strommarkt) im Schnitt alle acht bis zehn Jahre die Wallboxen „veralten“ und erneuert werden müssten. Technisch könnten sie länger laufen.
Zurück zur Software, welche live vorgeführt wurde. Obwohl Amperfied selbst Hardwarehersteller ist, kann das Steuerungs-Dashboard nicht nur die eigenen, sondern auch Fremdfabrikate monitoren und verwalten. Die Freischaltung der Ladepunkte erfolgt momentan ausschließlich über eine Karte, beispielsweise den Mitarbeiterausweis, aber eine App-Lösung steht auf der Roadmap. Komfortelemente wie Plug-and-charge, wie sie einige OEM bereits anbieten, sollen in künftigen Versionen möglich sein, wie auch das Reservieren eines Ladepunktes (etwa aus dem Outlook heraus). Ein Anschluss an die unternehmenseigene eigene PV-Anlage wird erprobt.