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Streitfall Mietwagen

02.05.2016 06:00 Uhr
Streitfall Mietwagen

Mietet ein Geschädigter nach einem Unfall ein Ersatzauto an, muss er Alternativangebote für Normaltarife einholen. Unter besonderen Umständen wird für drei Tage der Unfallersatztarif erstattet.

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_ Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, ob ein Ersatzfahrzeug zu einem Unfallersatz- oder Normaltarif anzumieten ist, werden Geschädigte vor Anmietung verpflichtet, sich zumindest ein oder zwei Konkurrenzangebote für "Normaltarife" einzuholen (BGH, Urteil vom 2.7.1985, Az. VI ZR 177/84, NJW 1985, 2639).

Vom Vermieter vorgelegte Preislisten stellen kein solches dar. Sie eignen sich grundsätzlich nicht als Vergleichsbasis im Sinne eines Angebotsvergleichs am Markt. Zudem bringt der BGH in diesem Zusammenhang die Lebenserfahrung ins Spiel, die dafür sprechen soll, dass der Vermieter potenzielle Kunden nicht auf günstigere Konkurrenzangebote hinweist, wozu er rechtlich auch nicht verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 14.10.2008, Az. VI ZR 210/07, DAR 2009, 32). "Es müsse vielmehr jedem wirtschaftlich denkenden Bürger klar sein, dass eine solche Liste - dies gelte gerade in Anbetracht der speziellen Anmietsituation - das tatsächlich vorhandene Preisniveau der einzelnen Mietwagenunternehmen nicht wiedergeben könne, da davon auszugehen sei, dass im Hinblick auf den Konkurrenzkampf der Mietwagenunternehmen in einer dem potentiellen Kunden vorgelegten Liste nur vergleichbar teure Tarife anderer Anbieter aufgenommen würden." (BGH a. a. O.).

Schadenminderungspflicht

Ist dem Kläger ein kostengünstigerer Normaltarif bekannt und zugänglich und nimmt er diesen nicht in Anspruch, weil er nicht bereit war, mit den Mietwagenkosten in Vorlage zu treten oder eine Kaution zu leisten, kann ein Verstoß gegen seine Schadenminderungspflicht in Betracht kommen. Dem Geschädigten ist grundsätzlich zuzumuten, die im Zusammenhang mit der Instandsetzung anfallenden Kosten ohne Rückgriff auf einen Bankkredit aus eigenen Mitteln vorzustrecken, wenn dies ohne Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist (BGH Urteil vom 6.3.2007, Az. VI ZR 36/06, DAR 2007, 328).

Dabei kommt es insbesondere für die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den anmietenden Geschädigten darauf an, ob ein vernünftig und wirtschaftlich denkender Mensch unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Normaltarif gehalten gewesen wäre. Hierbei kann es erforderlich werden, sich geradezu aufdrängen, sich auch nach anderen Angeboten der jeweiligen Konkurrenz zu erkundigen (BGH, Entscheidung vom 14.10.2008, Az. VI ZR 210/07, DAR 2009, 32).

Wirtschaftlichkeitsgebot auch in der Not

In diesem Zusammenhang kann es eine entscheidende Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Auch in einer Notsituation ist er nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren zu wählen. Ist er in einer Eil- oder Notsituation nicht in der Lage, Erkundigungen einzuholen und ist kein Normaltarif zugänglich, können Mietwagenkosten in Höhe des erforderlichen Unfallersatztarifs verlangt und ersetzt werden (BGH, Urteil vom 9.3.2010, Az. VI ZR 6/09, DAR 2010, 462).

Mit dieser Entscheidung des BGH bleibt festzuhalten, dass die Einholung von Vergleichsangeboten aufgrund einer besonderen Eil- oder Notsituation des Geschädigten nicht möglich oder nicht zumutbar sein kann.

An dieser Stelle ergibt sich ein ganz anderes Problem: Die Einschätzung einer bestimmten Situation als Notlage bereitet Tatrichtern immer wieder Schwierigkeiten. Es gibt zwar bereits zahlreiche Entscheidungen zur Anmietung von Mietfahrzeugen in Eil-oder Notsituationen. Aber die oben genannte Entscheidung des BGH macht deutlich, dass es hierzu bisher keine klare und eindeutige Linie gibt. Im entschiedenen Fall lag zwischen dem Unfall und der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs eine Zeitspanne von vier Stunden, was für den BGH nicht ausreichte, wegen einer Eil- und Notsituation vom Erfordernis hinreichender Erkundigungen zu Vergleichsangeboten abzusehen.

Aktuelle Rechtsprechung

Hilfreich könnte hier die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung (Stichwort Dreitageschätzung) sein. Das Landgericht Braunschweig hat sich gleich in mehreren Entscheidungen mit der Frage der Erstattung von Mietwagenkosten befasst. Bei sofortiger Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nach einem Unfall ist nach Ansicht des Gerichts für die ersten drei Werktage, zuzüglich gegebenenfalls Sonn- und Feiertagen, anteilig der konkret geforderte Mietpreis (also auch der Unfallersatztarif) zu berücksichtigen (LG Braunschweig, Entscheidungen vom 30.12.2015, Az. 7 S 328/14, 7 S 535/14, 7 S 3/15, 7 S 98/15). Das Gericht legt hier besonderes Augenmerk auf das konkrete Schadenbild und das vorgetragene Maß der Erforderlichkeit. Es geht hier weiter von einem eigenen tatrichterlichen Schätzungsermessen aus. Dieses könne bei sofortiger Anmietung den konkreten Aufwand für das Mietfahrzeug für die ersten drei Werktage - gegebenenfalls zuzüglich Sonn- und Feiertagen - rechnerisch vorrangig berücksichtigen.

Darlegung der Eil- und Notsituation

Allerdings möchte das Gericht die "Dreitageschätzung" nur dann anwenden, wenn das Fahrzeug am Unfalltag ohne Verletzung der Schadenminderungspflicht angemietet werden durfte, etwa weil der Geschädigte keine Zeit hatte, Alternativangebote einzuholen und zu prüfen. Also auch hier muss der Geschädigte, um den gegebenenfalls teureren Unfallersatztarif zu erhalten, detailliert vortragen, warum er keine Vergleichsangebote einholen konnte. Er muss seine Eilsituation und Notlage darlegen.

Zurückkommend auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit macht dies auch Sinn; das Kriterium eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten darf nur dann zurücktreten, wenn es dringende Gründe gibt. Alles andere würde den Schädiger über Gebühr belasten. Anders ausgedrückt: Alle Beteiligten in einer solche Situation (Vermieter und Geschädigter) sollten sich die Frage einmal unter dem Blickwinkel stellen, ob ein Geschädigter, der den Mietwagen aus der "eigenen Tasche" bezahlen müsste - wenn es also keinen Versicherer im Hintergrund gäbe -, den teureren Tarif ohne Weiteres zahlen würde. Die Antwort würde wahrscheinlich "nein" lauten.

Nur ortsüblicher Preis für Selbstzahler

In diesem Lichte ist dann auch die aktuelle Entscheidung des OLG Bamberg (Entscheidung vom 4.8.2015, Az. 5 U 272/14, DAR 2015, 639) zu sehen. Bei nicht umgehender Anmietung ohne nachgewiesenen Versuch, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Tarif zu erhalten, steht dem Geschädigten nur der ortsübliche Mietpreis für Selbstzahler zu. Im zugrunde liegenden Fall hatte die Geschädigte nicht dargelegt, dass sie, bevor sie zwei Tage nach dem Unfall das Ersatzfahrzeug angemietet hatte, auf dem örtlichen Markt versucht hat, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Tarif ("Normaltarif") zu erhalten.

Mietwagenkosten

Grundsätze

- Erstattungsfähige Mietwagenkosten sind nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel zu schätzen.- Internetrecherchen sind unzuverlässig und nicht reproduzierbar, insoweit ist der Schwacke-Automietpreisspiegel vorzugswürdig.- Ein arithmetisches Mittel von Tabellenwerken weist keinen Preis aus, den ein Geschädigter im Rahmen seiner Nachfragepflicht erfragen kann.- Es ist gerichtsbekannt, dass Internetpreise je nach Auslastung des Fuhrparks stark variieren. Internet-Screenshots sind nicht geeignet darzulegen, ob verbindliche Endpreise gegeben sind oder nur Lockangebote; es ist nicht erkennbar, ob die dort aufgelisteten Fahrzeuge der Mietwagenklasse des Geschädigten entsprechen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu würde eine unzulässige Ausforschung bedeuten. Internet-Screenshots eines Autovermieters sind nicht geeignet, den Schwacke-Automietpreisspiegel als Schätzgrundlage infrage zu stellen.- Ein Geschädigter kann nicht auf Internet-Angebote verwiesen werden, da die Mietzeit von vornherein festgelegt ist und dies bei einer Reparatur des Unfallfahrzeugs problematisch sein kann.- Bei klassenniedrigerer Anmietung sind keine ersparten Eigenaufwendungen abzuziehen.- Zusatzkosten für Winterreifen sind erstattungsfähig.- Auch die Kosten für eine Haftungsreduzierung sind zu ersetzen, selbst dann, wenn diese Kosten die Reduzierung des Selbstbehalts übersteigen würden. Mit der Dauer der Anmietung steigen auch die Risiken, in Unfälle verwickelt zu werden, gegebenenfalls auch mehrere Unfälle zu erleiden.AG Köln, Entscheidung vom 18.12.2015, Az. 269 C 147/15, Die Verkehrsanwältin (DV) 2016, 50

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