_ Im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie wurde in Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar 2015 das Mindestlohngesetz (MiLoG) eingeführt. Bereits mit Wirkung zum 29. Juli 2014 ist das "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetz" (ZVEI) in Kraft getreten.
Seit der Einführung des MiLoG sind auch fuhrparkbetreibende Unternehmen als Auftraggeber diverser Dienstleistungen dafür verantwortlich, dass ihre Vertragspartner, insbesondere ihre Subunternehmer respektive deren jeweilige (Sub-)Subunternehmer, ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen. Tun sie dies nicht, so haftet der Auftraggeber zivilrechtlich und der Geschäftsleiter ist zudem strafrechtlich verantwortlich. Infolgedessen sollten sie die laufenden und künftigen Verträge mit Vertragspartnern mit Blick auf Enthaftungsmöglichkeiten überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Seit der Einführung des ZVEI gelten in Deutschland neue Zahlungsverzugsregeln, die eine Zäsur für Verhandlungen von Zahlungszielen mit sich gebracht haben. Denn seither schreibt das Gesetz Höchstgrenzen für Zahlungsziele im normalen Geschäftsverkehr vor.
Obgleich infolge dieser beiden Gesetzesänderungen eigentlich eine Anpassungsflut nicht nur in Fuhrparkmanagementverträgen, sondern auch in allen sonstigen Vertriebsund Serviceverträgen zu erwarten gewesen wäre, ist diese bislang ausgeblieben. Dies ist häufig auf eine fehlende Kenntnis oder ein falsches Verständnis dieser Gesetzesänderungen zurückzuführen.
MiLoG: Erforderliche Anpassungen
Auftraggeber im Sinne des MiLoG ist nach dem aktuell vorherrschenden Meinungsstand jedes Unternehmen, das gegenüber einem Dritten eine eigene vertragliche Verpflichtung zur Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen übernommen hat und sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung eines Subunternehmers bedient.
Beispiel: Mutterunternehmen M überträgt die Zuständigkeit für ihren Fuhrpark auf das Tochterunternehmen T. T beauftragt den Dienstleister D mit dem Fuhrparkmanagement für M. D wiederum beauftragt die Spedition S mit Transport- und Logistikleistungen.
-> T und D sind beide Auftraggeber im Sinne des MiLoG, M dagegen nach herrschender Auffassung nicht, da M im Gegensatz zu T und D "in eigener Sache" tätig wird und eben gerade keine eigene vertragliche Verpflichtung weiterreicht.
Nach dem MiLoG haftet ein Auftraggeber prinzipiell für die Verstöße seiner Subunternehmer und etwaiger Sub-Subunternehmer gegen das MiLoG.
Infolge dieser Haftung können Arbeitnehmer des Subunternehmers oder im Falle der Kettenbeauftragung die betroffenen Arbeitnehmer des jeweiligen Sub-Subunternehmers, die unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns vergütet werden, den oder die Auftraggeber für die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns in Regress nehmen. Wer also am Anfang der Leistungskette steht, trägt das Risiko der gesetzlichen Mindestlohnvergütung für alle nachfolgend eingebundenen Subunternehmer.
Bußgeld bis 500.000 Euro
Als wäre das nicht schon genug, ordnet das MiLoG zudem auch noch an, dass Verstöße gegen das MiLoG bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten sind. Diese Ordnungswidrigkeit ist schon dann verwirklicht, wenn der Auftraggeber weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass das Subunternehmen beziehungsweise im Rahmen der Kettenbeauftragung der jeweilige Sub-Subunternehmer den gesetzlichen Mindestlohn nicht gewährt. Das Bußgeld kann bis zu maximal 500.000 Euro betragen und trifft den Geschäftsleiter persönlich.
Beispiel (wie zuvor): S vergütet ihren Lkw-Fahrer M unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. M verlangt deshalb von T die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn und zeigt T und D wegen MiLoG-Verstoßes beim Zoll an.
-> T ist gegenüber M zum Schadensersatz verpflichtet.
-> Können sich die Geschäftsführer von T und D nicht entlasten, wird der Zoll ein Bußgeld verhängen.
Das MiLoG lässt diverse Fragen unbeantwortet, so zum Beispiel, was ein Auftraggeber tun muss, um sich nicht dem Vorwurf der fahrlässigen Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit nach dem MiLoG auszusetzen.
Bis zu einer Klärung dieser Fragen in der Rechtsprechung ist es deshalb essentiell, rechtssichere und zugleich praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Art und Umfang der zu entwickelnden Handlungsempfehlungen hängen dabei entscheidend von den jeweiligen vertraglichen Spezifika und dem jeweiligen Branchenumfeld respektive der Frage ab, ob und inwieweit der Auftraggeber und seine Subunternehmer im Niedriglohnbereich tätig sind.
Bei fuhrparkbezogenen Dienstleistungen besteht eine erhöhte Gefahr, dass Serviceleistungen im Niedriglohnbereich erbracht werden.
Handlungsempfehlungen
Generell zeichnet sich ab, dass sich Handlungsempfehlungen auf zwei Ebenen abspielen: Zum einen ist die Anpassung der Subunternehmerverträge unvermeidbar. Das betrifft nicht nur alle zukünftigen Verträge, sondern umfasst auch die Überprüfung und gegebenenfalls Umstellung der laufenden Verträge. Beispiele für vertragliche Regelungen: Der Auftragnehmer sichert zu, sich an das MiLoG zu halten, und verpflichtet sich, dies dem Auftraggeber nachzuweisen.
-> Einsatz von Subunternehmern ist nur nach vorheriger Zustimmung des Auftraggebers gestattet.
-> Freistellungsverpflichtung des Auftragnehmers bei Inanspruchnahme des Auftraggebers wegen MiLoG-Verstoßes
Jedoch ist folgender Hinweis wichtig: Da die Auftraggeberhaftung nach dem MiLoG eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung ist, können Auftraggeber durch vertragliche Anpassungen zivilrechtlich keine Enthaftung herbeiführen. Sie können hierdurch aber eine strafrechtliche Entlastung erreichen, sodass im Falle eines MiLoG-Verstoßes keine Ordnungswidrigkeit vorliegt.
Bevor die Vertragspartner wegen der erforderlichen Vertragsanpassung/MiLoG- Erklärungen kontaktiert werden, sollte man sich im Klaren sein, wie man reagiert, wenn einer der Vertragspartner die Vertragsanpassung ablehnt.
Außerdem müssen Auftraggeber auch noch im Einzelfall festzulegende Erkundigungen über ihre Vertragspartner einholen. Hier drei Beispiele für MiLoG-Überprüfungen:
-> Berichterstattung in den Medien
-> Bestätigung durch Steuerberater /WP
-> Einsicht in (geschwärzte) Lohnabrechnungen des Vertragspartners
ZVEI: Notwendige Anpassungen
Im Wesentlichen gab es folgende gesetzlichen Änderungen:
-> Zahlungsziele von mehr als 60 Tagen sind nur noch dann wirksam, wenn sie ausdrücklich vereinbart wurden und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig sind. In allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind im B2B-Bereich Zahlungsziele von mehr als 30 Tagen im Zweifel unwirksam.
Beispiel: 1. Unternehmen U schließt mit dem Fuhrparkmanagementdienstleister F einen Rahmenvertrag ab und verlangt bei Beginn der Vertragsbeziehung ein Zahlungsziel von 120 Tagen. Verstoß gegen § 271a Abs. 1 BGB.
2. U besteht im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf die Einbeziehung seiner allgemeinen Einkaufsbedingungen, die ein Zahlungsziel von 90 Tagen vorsehen. Klausel ist unwirksam.
-> Abnahme- und/oder Prüffristen, die Fälligkeitsvoraussetzungen darstellen, von mehr als 30 Tagen sind unwirksam (es sei denn, sie sind ausdrücklich vereinbart und nicht grob unbillig). In AGB sind im B2B Fristen von mehr als 15 Tagen im Zweifel unwirksam.
-> Der gesetzliche Verzugszinssatz in § 288 Abs. 2 BGB wurde um einen Prozentpunkt erhöht.
Sofern dennoch längere Zahlungsziele oder Abnahmefristen wirksam vereinbart werden sollen, bleibt nur der Griff in die "Trickkiste". Kreative Gestaltungsvarianten sind beispielsweise in Form einer fremden (Teil-) Rechtswahl, gegebenenfalls gepaart mit einer Schiedsklausel, und/oder, sofern möglich, durch die Umstellung auf Abschlags- oder sonstige Ratenzahlungen denkbar.
Für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 28. Juli 2014 entstanden sind, gilt die Gesetzesänderung erst ab dem 30. Juni 2016. Es bleibt also noch rund ein Jahr Zeit, um die Rahmenverträge umzustellen.
- Ausgabe 06/2015 Seite 74 (511.3 KB, PDF)