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BGH stärkt Diesel-Kläger: VW muss Schadenersatz zahlen

25.05.2020 11:16 Uhr
BGH stärkt Diesel-Kläger: VW muss Schadenersatz zahlen
Der BGH hat entschieden: VW muss Diesel-Klägern Schadenersatz zahlen.
© Foto: picture alliance/Foto Huebner

Volkswagen muss für seine Abgas-Trickserei geradestehen und klagenden Autofahrern den Schaden ersetzen. Im Dieselskandal gibt der Bundesgerichtshof damit die Marschroute für viele Tausend noch ausstehende Urteile vor. VW setzt aber auf einen anderen Weg.

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Zehntausenden Diesel-Fahrern steht im Abgasskandal Schadenersatz von Volkswagen zu. Die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) stellten am Montag fest, dass der Einsatz illegaler Abgastechnik in Millionen Fahrzeugen sittenwidrig war und den Käufern dadurch ein Schaden entstanden ist. Autobesitzer, die noch mit VW vor Gericht streiten, können ihren Wagen zurückgeben und das Geld dafür einfordern. Das gilt sowohl für Neu- als auch für Gebrauchtwagen. Auf den Kaufpreis müssen sie sich aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Es ist das erste höchstrichterliche Urteil aus Karlsruhe zum VW-Dieselskandal. (Az. VI ZR 252/19)

Die Entscheidung ist wegweisend für viele Tausend noch laufende Gerichtsverfahren. Der Konzern kündigte umgehend an, auf die Kläger zuzugehen und ihnen Vergleichsangebote zu machen.

In ihrem Urteil stellten die Richter fest, dass die Manipulationen von Volkswagen "objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren" seien. VW hatte Millionen Diesel-Autos mit einer illegalen Abgastechnik ausgestattet, mit der die Stickoxid-Grenzwerte zwar bei Tests auf dem Prüfstand, nicht aber auf der Straße eingehalten wurden. Damit, so der Schluss der Richter, hat der Wolfsburger Autobauer das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) über lange Jahre systematisch getäuscht - und zwar bewusst und gewollt zur Gewinnmaximierung und auf Basis einer grundlegenden strategischen Entscheidung. 

Vertrauen gezielt ausgenutzt 

Die massenhafte Software-Manipulation sei nicht nur mit einer erhöhten Umweltbelastung verbunden gewesen, heißt es in dem Urteil. Es habe außerdem die Gefahr bestanden, dass die betroffenen Autos beim Auffliegen des Skandals die Betriebsgenehmigung verlieren. Gegenüber den Käufern sei das "besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren". Ihre Arglosigkeit und ihr Vertrauen seien gezielt ausgenutzt worden, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters.

Der BGH bestätigte mit seiner Entscheidung im Wesentlichen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz. Es hatte den VW-Konzern verpflichtet, dem Käufer eines gebrauchten VW Sharan gut 25.600 Euro plus Zinsen zu erstatten. Der Mann hatte argumentiert, er habe der Werbung vertraut und geglaubt, ein sauberes Auto gekauft zu haben.

"Schaden liegt im ungewollten Vertragsschluss"

Auch die BGH-Richter gehen davon aus, dass der Mann das Auto nie gekauft hätte, wenn er von der illegalen Technik gewusst hätte. Sein Schaden liege darin, dass er ein Auto bekommen habe, das "für seine Zwecke nicht voll brauchbar war". Es sei letztlich allein vom Zufall abhängig gewesen, ob der Mangel aufgedeckt werde. Das von VW später angebotene Software-Update beseitigt aus Sicht der Richter das Problem nicht. "Der Schaden liegt im ungewollten Vertragsschluss", sei also schon beim Kauf entstanden, sagte Seiters.

Der Skandal um die illegale Abgastechnik in Millionen VW-Fahrzeugen war im Herbst 2015 aufgeflogen. Damals kam ans Licht, dass die Stickoxid-Emissionen des Motorentyps EA189 viel höher waren, als Tests auf dem Prüfstand zeigten. Verantwortlich war eine Software, die die volle Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand aktivierte.

Das OLG war zu dem Schluss gekommen, dass leitende Mitarbeiter und auch Vorstände von VW davon zumindest gewusst und es gebilligt hätten. Denn etwas Gegenteiliges hatte VW im Prozess nicht vorgetragen. Gegen diese Wertung hat der BGH nichts einzuwenden.

Gegen das Koblenzer Urteil hatten beide Seiten Revision eingelegt. Ker Kläger, Herbert Gilbert, hatte 2014 knapp 31.500 Euro für den Gebrauchtwagen bezahlt und wollte den vollen Preis zurück. VW wollte gar nichts zahlen. Der Autobauer hatte stets argumentiert, die Autos seien jederzeit voll nutzbar gewesen. Es gebe keinen Schaden.

Urteil mit "bitterem Beigeschmack"

Gilbert freute sich über das Urteil, sprach wegen des Abzugs für die gefahrenen Kilometer aber von einem "bitteren Beigeschmack". Allzu hoch ist dieser sogenannte Nutzungsersatz in seinem Fall aber nicht.

Das OLG hatte für Gilberts Sharan eine Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern angenommen. Er hatte das Auto mit 20.000 Kilometern auf dem Tacho gekauft und war nur noch gut 50.000 Kilometer gefahren. VW hatte kritisiert, die angesetzten 300.000 Kilometer seien zu viel, Gilbert wiederum hält den Wert für viel zu niedrig. Laut BGH haben die Richter der unteren Instanzen aber einen weiten Spielraum. Das OLG hätte auch mehr oder weniger schätzen können. Eine pauschale Vorgabe für jedes Auto hält der BGH für nicht geboten.

Nach VW-Angaben sind bundesweit noch rund 60.000 Verfahren offen. Für viele davon ist das BGH-Urteil eine wichtige Weichenstellung. Der Autobauer will nun aber möglichst viele Kläger aus den noch laufenden Verfahren dazu bewegen, einem Vergleich zuzustimmen. Man werde Einmalzahlungen als "pragmatische und einfache Lösung" anbieten, erklärte der Konzern. Wie viel Geld es gibt, hänge vom Einzelfall ab. Kläger könnten ihr Auto dann aber auch behalten. Wer per Urteil Schadenersatz erstreitet, muss es hingegen zurückgeben. Viele Kläger hatten sich zuvor schon individuell mit VW verglichen. Der Konzern hatte auf diese Weise auch versucht, Verfahren zu beenden und Grundsatzurteile mit potenziell breiter Wirkung zu vermeiden.

Viele Rechtsfragen bleiben allerdings auch nach der BGH-Entscheidung ungeklärt. Die Karlsruher Richter haben für Juli schon die nächsten drei Verhandlungen zu anderen Dieselkäufer-Klagen angesetzt, weitere sollen folgen. Auf den im Rahmen einer Musterfeststellungsklage ausgehandelten Vergleich, den laut VW rund 240.000 Diesel-Besitzer akzeptiert haben, hat das Urteil keine Auswirkungen mehr. (dpa)

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