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"Wir brauchen neue Statussymbole"

01.03.2017 06:00 Uhr
"Wir brauchen neue Statussymbole"

Der Geschäftsführer des Mobilitätsmaklers über den Bedarf nach flexiblen Lösungen, autonomes Fahren, eine geplanten Bezahlkarte und die Firmenmobilität der Zukunft.

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_ Herr Kneissler, wie positioniert sich Belmoto derzeit im Markt?

Philip Kneissler: Belmoto hat heute drei Geschäftsbereiche. Der Kernbereich ist die Beschaffung, die Organisation von Mobilität über Kauf, Leasing und Miete. Da übernehmen wir immer die vermittelnde Rolle. Uns gehören keine Autos, wir übernehmen ausschließlich die Rolle des Maklers, des Organisators. Dann gibt es außerdem Belmoto Plus. Das ist die Dienstleistung während der Laufzeit, also die Betreuung der Flotten und Fahrzeuge. In der Vergangenheit ging es da vor allem um das Schaden- oder Rückgabemanagement, jetzt haben wir das Produkt in Richtung Fuhrparkmanagement weiterentwickelt und übernehmen zum Beispiel auch den Tankkartenservice oder das Contract Management für Leasingverträge. Und als dritte Säule gibt es das Thema Future Mobility. Unter dieser Brand treten wir aktiv mit bestehenden und neuen Kunden in den Dialog und diskutieren mit ihnen, welche modernen Mobilitätsinstrumente sie heute schon in ihren Fuhrpark einbinden können. Zum Beispiel, wie sie Carsharing umsetzen können.

_ Wie hat sich Ihr Kerngeschäft 2016 entwickelt?

P. Kneissler: Wir hatten im letzten Jahr insgesamt ein Umsatzplus von zirka 20 Prozent. Das haben wir mit knapp über 5.000 betreuten Fahrzeugen erreicht und insgesamt 610.000 Mobilitätstage organisiert. Diese Messgröße nutzen wir, weil wir weniger auf das Auto an sich, sondern auf die Organisation von Mobilität fokussiert sind. Wir brechen also alle Leistungen auf den Tag herunter, eine Langzeitmiete über drei Wochen erfassen wir als 21 Mobilitätstage.

_ Damit stellen Sie sich schon auf die Anforderungen der künftig vernetzten Mobilität ein?

P. Kneissler: Genau. Aus unserer Sicht macht es keinen Sinn, in Zukunft noch wie eine Leasinggesellschaft einzelne Leasingverträge von Autos zu zählen. Darum wird es in unserem Business Case zum Schluss gar nicht mehr gehen. Wir merken das schon heute im Kundenverhalten: Wir haben erste Kunden, die Leasing durch Miete ersetzen.

_ Das ist für sich genommen noch keine Mobilitätsrevolution. Wo sehen Sie da den Anknüpfungspunkt zu neuen Mobilitätsformen?

P. Kneissler: Die Kunden wollen mehr Flexibilität. Einfacheres Handling, weniger Verwaltungsaufwand. Ein Leasingvertrag bietet ein Grundgerüst, dann müssen Sie sich aber noch um die Wartung, die Steuer oder die Rundfunkgebühr kümmern. Außerdem dürfen sich in den drei oder vier Jahren die Grundannahmen für den Vertrag nicht ändern. Ist das nicht der Fall, müssen Sie den Vertrag ändern - und das ist nicht immer günstig. Im Mietwagenbereich ist es da einfacher. Wenn Laufzeit und Bedarf auseinanderdriften, passt der Kunde den Vertrag an die Praxis an. Es geht also auch hier um kurzfristige Flexibilität, die in Zukunft noch viel ausgeprägter sein wird.

_ Wie flexibel ist Belmoto bei solchen Anpassungen?

P. Kneissler: Unsere Kunden können ihre Autos nach Ablauf des Basismonats jederzeit zurückgeben. Die Abrechnung erfolgt dann taggenau. Und wer möchte, kann monatlich auch die Fahrleistung anpassen. Was aus unserer Sicht dem Kunden ebenfalls entgegenkommt: Während der Vertragslaufzeit tauschen wir keine Autos mehr aus.

_ Glauben Sie, dass Ihnen die IFRS-16-Regelungen einen Nachfrageschub bei der Langzeitmiete bescheren werden?

P. Kneissler: Davon gehe ich aus. Da wird vor allem die Nachfrage nach Einjahres-Mietverträgen steigen. Das spielt natürlich vor allem bei größeren Unternehmen eine Rolle, die verhindern wollen, dass der Fuhrpark plötzlich wieder in den eigenen Büchern bilanziert wird.

_ Um einen Blick in die längerfristige Zukunft zu werfen: Welche Projekte gehen Sie derzeit über die Säule Future Mobility an?

P. Kneissler: Aus dem Thema Future Mobility ist zum Beispiel das Projekt "Switch Card" entstanden. Da geht es um die Frage, wie ich Mobilität für Dienstwagenberechtigte und Nicht-Dienstwagenberechtigte in den Unternehmen sicherstelle. Im Ganzen gedacht hat diese Frage ja gar nicht so viel mit dem Auto zu tun. Sondern viel mit dem Thema Organisation: Wenn Mitarbeiter zwei Tage von zu Hause aus arbeiten können, hat das dramatische Auswirkungen auf die Mobilität. Nicht nur junge Mitarbeiter stellen sich da vielleicht die Frage, ob sie für die restlichen drei Tage ein eigenes Auto benötigen. Deshalb haben wir ein Produkt entwickelt, mit dem wir Unternehmen Fahrzeuge zur Verfügung stellen, aber gleichzeitig ein Rechnungssplitting anbieten, weshalb der Mitarbeiter das Auto auch privat nutzen kann. So wollen wir im Prinzip fördern, dass Mitarbeiter im Zweifel auf Autos verzichten - in Kombination mit alternativen Verkehrsmitteln. Hier kommt dann die Switch Card ins Spiel: Ähnlich einer Kreditkarte ist sie aufgeladen zum Beispiel mit dem Ursprungsbetrag, den ein Mitarbeiter früher als Dienstwagen-Budget zur Verfügung hatte. Den Betrag kann er aber nicht nur für die Pool-Fahrzeuge im Unternehmen nutzen, sondern auch für andere Verkehrsmittel. Für das Unternehmen ist das flexibler, außerdem kann es sich als moderner Arbeitgeber präsentieren.

_ Also ein Poolwagenmodell kombiniert mit einer Mobilitätskarte. Wäre es denkbar, zugeordnete Dienstwagen in das Modell aufzunehmen?

P. Kneissler: Im Prinzip ja. Das würde das System aber verkomplizieren. Wir haben gelernt, dass es besser ist, einfach zu starten. Firmen und Mitarbeiter müssen sich an neue Mobilitätsformen ja auch erst mal gewöhnen.

_ Wie handhaben Sie die Abrechnung der Mobilitätskarte?

P. Kneissler: Noch sind wir ja in der Entwicklungs- und Testphase. Geplant ist aber, dass hinter der Switch Card Kreditkartenanbieter stehen. Wir werden keine eigene Karte entwickeln, sondern engere Partnerschaften eingehen.

_ Generell sind die Bezahl- und Abrechnungsmodelle ein Dreh- und Angelpunkt moderner Mobilitätsmodelle. Welche Herausforderungen sehen Sie da aktuell?

P. Kneissler: Richtig, wer moderne Mobilität anbieten und organisieren will, muss die entsprechenden Abrechnungsprozesse beherrschen. Aber es gibt noch ein paar Knackpunkte. Nutzer wollen zum Beispiel nicht für jeden Mobilitätsanbieter einen eigenen Zahlungsaccount anlegen. Wer ein neues Profil für den Bus anlegen muss, nimmt ihn nicht. Wir brauchen also übergreifend anerkannte digitale Bezahlmöglichkeiten. Dass wir da noch einen weiten Weg vor uns haben, sehen wir allein schon daran, dass sich mit Car2Go und Drivenow die beiden größten Carsharing-Anbieter Deutschlands nicht einig werden, ihr Netz zu teilen.

_ Welche Veränderungen in den Köpfen sind für die Umsetzung neuer Mobilitätsmodelle notwendig?

P. Kneissler: Gerade bei älteren Mitarbeitern wird das Auto mit Sicherheit Statussymbol bleiben. Da wäre es auch Unsinn, über Malus-Regeln moderne Mobilität zu erzwingen. Aber man kann sicher versuchen, alte Gewohnheiten über positive Anreize zu durchbrechen. Zum Beispiel über ein paar Probemonate mit einem Mobilitätsbudget anstelle eines Dienstwagens - und mit der Möglichkeit zur Rückkehr zum alten Modell. Wichtig ist einfach, dass es nicht ums Wegnehmen gehen darf. Und gerade bei vielen jüngeren Mitarbeitern stößt man mit solchen Themen ja auf offene Ohren. Für die spielt gerade im urbanen Umfeld mit seinen Staus und Parkplatzproblemen vielfach nicht mehr das eigene Auto, sondern eben die situationsbedingt effizienteste Mobilität eine Rolle.

_ Während Ihres Vortrags auf dem Autoflotte FuhrparkMonitor 2016 hatten Sie vier Megatrends der Mobilität der Zukunft identifiziert: das autonome Fahren, die E-Mobilität, Konnektivität und das Carsharing. Wie werden sich diese Trends im Detail entwickeln?

P. Kneissler: Bis Autos in der Breite vollständig autonom fahren, wird es sicher noch eine Weile dauern. Aber ich glaube, in den nächsten fünf Jahren werden da brachiale Weiterentwicklungen stattfinden. Vor allem in urbanen Regionen werden autonome Autos schnell auf Akzeptanz stoßen, als Alternative zum eigenen Auto, aber auch zu U-Bahn oder dem Taxi. Beim Carsharing kommt es auf das Netz an. Da können wir nur hoffen, dass sich die Anbieter am Ende zusammentun. Außerdem wird es spannend, wie sich das Carsharing in mittelgroßen Städten entwickelt. Grundsätzlich muss sich das Carsharing zum Carpooling entwickeln und auch zum Local-based-sharing. Warum kann man sich nicht auch in einer Straße Autos teilen? Man muss sich dazu ja nicht kennen, ein Dritter kann das organisieren. Die E-Mobilität wird kommen und je nach politischen Rahmenbedingungen den Diesel ablösen. Denn die Reichweiten werden sich sehr stark weiterentwickeln. Und das vernetzte Auto ist schon jetzt keine Zukunftsmusik mehr.

_ Was müssen Fuhrparks tun, um den Anschluss nicht zu verpassen?

P. Kneissler: Fuhrparkmanager müssen sich zum Mobilitätsmanager entwickeln. Sie werden mehr und mehr zum Organisator, ähnlich den Travel-Managern. Vielleicht wird es künftig eine Position geben, die kurz- und langfristige Mobilität, losgelöst von der Frage nach dem Automobil, abdeckt. Fuhrparkverantwortliche sollten diese Szenarien weiterentwickeln, zumindest in einem abgesteckten Bereich sollten moderne Instrumente schon heute einfach dazukommen. Automobilbegeistert aufgewachsene Menschen erfüllt das vielleicht mit ein bisschen Wehmut. Wir brauchen neue Statussymbole. Das ist sicherlich auch eine Nebenfacette, aber für junge Leute wird Status nicht mehr das Auto sein. Da gibt es andere Dinge, die motivieren.

_ Herr Kneissler, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Christian Frederik Merten

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