Wer wissen möchte, wie es im nächsten Golf aussieht, der sollte sich mal näher sein Smartphone anschauen. Und wer immer noch kein Smartphone hat, der könnte im Golf der nächsten Generation so seine Schwierigkeiten bekommen. Heinz-Jakob Neußer weiß allerdings, dass die meisten seiner Kunden längst iPhone und Android-Handys als tägliche Begleiter in die Familie aufgenommen haben - und eine junge Generation komplett mit Smartphones, Tablets und Smartwatches heranwächst. "Diese Nutzung setzt auch für die Autoindustrie den Standard", ist sich der VW-Entwicklungsvorstand sicher. Und darum präsentiert sein Team auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas derzeit seinen Ausblick auf die Bedientechnik von Morgen.
Im Zentrum steht dabei der Golf R-Touch. So heißt ein Show-Car, dass bis auf seine Lackierung außen wie ein ganz normaler Sport-Ableger des Wolfsburger Bestsellers aussieht. im Inneren allerdings fehlen vor allem: Schalter. Dafür hat der Golf gleich drei große Bildschirme. Auf dem ersten über dem Lenkrad werden je nach Bedarf die klassischen Instrumente, Navigationsanweisungen oder Fahrzeuginformationen angezeigt. Dieses virtuelle Cockpit kennen manche Fahrer des neuen Passat schon - nur noch nicht derart hochauflösend.
Auch der Touchscreen in der Mittelkonsole oben wirkt auf den ersten Blick nicht revolutionär; nur mit 12,8 Zoll sehr groß. Doch verbunden mit einer 3-D-Kamera im Dachhimmel kann der Bildschirm auch ohne direkten Fingerkontakt Berührungen und auch Gesten erraten. "Das Wischen kennen die Menschen ja vom Smartphone - das bringen wir bald auch ins Auto", so Neußer. So lassen sich etwa Musiktitel einfach per Wisch überspringen.
Am Klima fingern
Der dritte, 8-Zoll-Bildschirm darunter ist für die klassischen Auto-Bedienungen wie Klima oder Fahrzeugeinstellungen gedacht - und gibt dem Finger eine spürbare Rückmeldung. So soll der Fahrer nicht vom Blick auf die Straße abgelenkt werden. Im R-Touch werden übrigens auch das Licht oder die Fensterheber durch Wischbewegungen mit Näherungssensor über einer Fläche bedient. Und selbst das Schiebedach und die Fenster lassen sich mit einer Handbewegung öffnen. Sieht lässig aus - bietet aber zumindest beim Fensterheber wenig erkennbaren Vorteil.
Ob jeder Schalter durch die Touch-Oberflächen ersetzt wird, weiß auch Neußer nicht: "Mal sehen, wie sich da die Smartphone- und Tablet-Nutzungsgewohnheiten entwickeln." Die variablen und teils gestengesteuerten Displays werden aber Zug um Zug in viele VW-Modelle der nächsten Jahre einziehen.
Smartphone-Funktionalitäten, die sehr viel schneller in neue VW kommen, sind aber ebenfalls auf der CES zu sehen. Ab Ende Mai werden die ersten Polo und Passat ausgeliefert, die alle gängigen Smartphone-Betriebssysteme in die Fahrzeug-Infotechnik integrieren. "Ob Mirror-Link, Apples Car-Play oder Android-Auto – das ist gleich", so Neußer. Der Inhalt, Apps und die gewohnte Bedienung aus den Smartphones oder Tablets kann dann vom Multimediasystem abgebildet werden - und wird aus diesem bedient.
Nutzen von Streckenroutinen
Wer auf seinem Smartphone Google-Now nutzt, wird sich übrigens bald auch in Golf, Passat und Co. heimisch fühlen. Denn auch das VW-Navigationssystem wird häufig gefahrene Routen speichern und anwählen, ohne dass der Fahrer das speziell eingeben muss. Ist dann etwa der tägliche Weg zur Arbeit mal gesperrt, schlägt das System eine Alternative vor.
Die Wolfsburger demonstrieren auf der CES zudem, wie sie sich beim Antrieb von der Technik der Top-Smartphones inspirieren lassen. Stichwort: induktives Laden. Ein Golf mit Elektroantrieb parkt dazu einfach auf einer Metallmatte, die an einen Aufnehmer unter dem Fahrzeug berührungslos den Ladestrom fließen lässt. Anfang des kommenden Jahrzehnts könnte das serienreif sein - aber wohl eher in einem Phaeton als im Golf. Denn die teure Technik braucht reichlich Platz.
Für den Massenmarkt ist dagegen der Parkassistent gedacht, der auf die Showbühne in der Spielerstadt kurvt: VW zeigt einen Golf, der einparkt, ohne das ein Fahrer hinter dem Steuer sitzt. Ein Druck aufs Display einer Smartwatch oder eines Handys reicht - die übrigens den Schlüssel auch gleich ganz ersetzen. Wo und wie genau der Wagen parken soll, das trainiert sich das Auto selbst an: Es merkt sich vielgenutzte Parkplätze. Steuert der Fahrer sie an, schlägt ihm das Auto vor, doch auszusteigen und den Rest von allein erledigen zu lassen. Gerade bei engen Parklücken oder in kleinen Garagen eine echte Erleichterung.
Neußer ist sich sicher, diese Technik noch in diesem Jahrzehnt anbieten zu können. Und sie werde auch nicht viel teurer als die bisherigen Einpark-Automaten von VW sein. "Die Sensoren sind ja schon da - wir müssen bloß die Software und die App draufsetzen." Eine Methode, die ja eigentlich auch dem Smartphone zum Durchbruch verholfen hat. (Peter Weißenberg/sp-x)