Die in Deutschland üblichen Schnellladesäulen sind vollgestopft mit Technik. Neben Kabel und Ladestecker integrieren sie alle für den Schnellladevorgang entscheidenden technischen Komponenten. Bei großen Ladeparks ist dieser Aufwand unnötig, sagt eine Studie. Und plädiert für eine clevere Lösung.
Der traditionelle Typ Ladesäule wird als Stand-Alone-Ladesäule bezeichnet. Sie technisch autark, ist mit Leistungselektronik, Netzkomponenten und Lüfter ausgestattet und muss daher nur noch an einen Transformator angeschlossen werden. Ein neues und alternatives Ladesäulenkonzept bündelt dagegen einige dieser in der Säule untergebrachten Komponenten in einer Einheit, der Power-Unit, an die sich in flexibler Anzahl so genannte Dispenser mit unterschiedlichen Ladeleistungsstufen nach Bedarf anschließen lassen, die der Stromkunde als eigentliche Ladesäule wahrnimmt.
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Das Münchner Unternehmen EcoG, Software-Spezialist für Ladelösungen, und die Marktanalysten der Boston Consulting Group (BCG) haben nun einen Leitfaden veröffentlicht, der Ladesäulenbetreibern empfiehlt, beim Ausbau der Ladeinfrastruktur auf eben diese Power-Unit/Dispenser-Architektur statt auf Stand-alone-Ladesäulen zu setzen, da sie in der Regel ein flexibleres und zukunftssicheres Mitwachsen bei zudem deutlich geringeren Kosten erlaubt.
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BildergalerieWirtschaftliche Vorteile bei wachsender Nachfrage
Der Leitfaden vergleicht die traditionelle Stand-Alone-Architektur mit der neuen Alternative, insbesondere im Hinblick auf die Kosten, die bei der flexibleren Power-Unit-Architektur deutlich geringer ausfallen können. Ein Rechenbeispiel bezieht sich auf die Installation von Ladestationen auf Supermarktparkplätzen. Hier wurden in der jüngeren Vergangenheit häufig ein bis zwei Schnellladesäulen mit jeweils zwei 50-kW-Ladepunkten installiert.
Gegenwärtig würde eine solche Installation 27 Prozent weniger Kosten verursachen als eine flexible Power-Unit-Architektur mit der gleichen Anzahl von Ladepunkten. Sollte die Anzahl der Ladepunkte jedoch auf mehr als sechs steigen, könnten mit der flexiblen Architektur bereits heute etwas geringere Installationskosten erzielt werden.
Langfristige Ersparnisse ab 2030
In einem Zukunftsszenario im Jahr 2030 könnten nach diesen Berechnungen modulare Lösungen bereits ab vier Ladepunkten zu etwas geringeren Kosten führen. Deutlich größere Kostenvorteile werden hingegen bei einer deutlich höheren Anzahl von Ladepunkten prognostiziert. Bei 20 Ladepunkten steigt der Kostenvorteil im Szenario 2030 auf 38 Prozent gegenüber einer vergleichbar dimensionierten Installation mit Stand-alone-Ladesäulen. Ähnliches gilt für HPC-Ladepunkte mit 200 kW entlang von Autobahnen sowie für Ladeparks von Unternehmen und Flottenbetreibern, die eine größere Anzahl von Ladepunkten mit unterschiedlichen Ladeleistungen anbieten wollen.
Für 2030 prognostiziert der Leitfaden für solche Ladeangebote Einsparungen von mehr als 30 Prozent gegenüber der heute üblichen Insellösung. Für größere Ladeparks, die in Zukunft weiterwachsen sollen, verspricht die Power-Unit/Dispenser-Architektur schon heute Kostenvorteile. Ein zu schneller Ausbau gefährdet die Wirtschaftlichkeit, während ein zu langsamer Ausbau Chancen verpasst und die Nachfrage hemmen kann. Hier sind skalierbare und flexible Lösungen im Vorteil.
Der Grund für diese Kostenvorteile liegt vor allem im einfacheren Aufbau der Stromzapfsäulen. Sie sind nur noch mit Relais, Ladekabel, Bezahlfunktion, RFID-Leser und Display ausgestattet und damit kostengünstiger als eine herkömmliche Ladesäule, was sich vor allem bei einer Erweiterung auf viele Ladepunkte bemerkbar macht. Zudem können bereits installierte Säulen leichter an sich ändernde technische Anforderungen angepasst werden. Mittlerweile gibt es in Deutschland Ladesäulen, die technisch veraltet sind und zum Teil bereits außer Betrieb genommen bzw. nicht mehr repariert werden.
Zudem werden 50 kW-Schnellladesäulen, wie sie häufiger an Raststätten zu finden sind, von vielen Elektroautonutzern gemieden, da ihre Fahrzeuge inzwischen deutlich höhere Ladeleistungen vertragen. Die Umrüstung einer Ladesäule auf schnellere Ladetechnik ist wiederum mit hohen Investitionen verbunden. Eine grundsätzlich flexiblere Installation könnte auch eine vergleichsweise kostengünstige Nachrüstung ermöglichen.