VW zieht die Zügel an und will in der neuen Nfz-Sparte (mit Scania und MAN) weitere Fakten schaffen. So streben die Wolfsburger seit gestern offiziell "den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der MAN SE" an, wie es in einer Mitteilung heißt. Bislang hält VW 75,03 Prozent der Stimmrechte an MAN SE.
Gleichzeitig könnte die Zusammenarbeit mit Daimler bei den Transportern beendet werden. Volkswagen wolle sein Modell VW Crafter künftig alleine planen und bauen, berichtet die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (Mittwoch) unter Berufung auf Konzernkreise. Demnach dringe VW-Patriarch Ferdinand Piëch auf ein Ende der 2002 geschlossenen Partnerschaft für Entwicklung und Herstellung.
Crafter als Eigenentwicklung
Unternehmenskreise bestätigten der Nachrichtenagentur dpa Überlegungen zum Alleingang bei VW. Der VW Crafter wird mit dem Mercedes-Sprinter in den Daimler-Werken Düsseldorf und Ludwigsfelde produziert. Beide Seiten wollten den Bericht nicht kommentieren.
Nach dpa-Informationen werden die laufenden Verhandlungen zur Zukunft der bis ins Jahr 2016 reichenden Kooperation spätestens im Frühling zum Abschluss kommen. Das mögliche Ende der Partnerschaft ist in der Branche nicht neu. So gilt es schon seit längerem als wahrscheinliche Alternative, dass die VW-Konzernmutter in der Entwicklung eines Nachfolgemodells mit den Kollegen aus Bayern zusammenarbeiten könnte.
Eine solche familieninterne Regelung könnte zudem die schwierige Annäherung der Ableger MAN, Scania und der leichten VW-Nutzfahrzeuge voranbringen. Ziel ist es vor allem, Einkaufs- und Entwicklungskosten durch gemeinsame Projekte zwischen den einzelnen Ablegern zu drücken. Großtransporter sind eine strategisch wichtige Nahtstelle zwischen den Pkw und dem reinen Nutzfahrzeugsegment professioneller Logistik.
Daimler profitierte vom Modell am meisten
Der Lastwagenweltmarktführer Daimler verkaufte 2011 weltweit gut 163.000 Sprinter, die VW-Nutzfahrzeugtochter VWN setzte damals von ihrem LT-Nachfolgemodell Crafter keine 40.000 ab, rund vier Fünftel davon in Europa. Bis auf die Motoren und Getriebe sind Crafter und Sprinter überwiegend baugleich. Anlauf auf dem Markt war 2006.
VW-Patriarch Ferdinand Piëch hatte auch schon angedeutet, er sehe Möglichkeiten für eine Lösung mit MAN. Der VWN-Betriebsrat dringt darauf, dass ein Crafter-Nachfolger im Stammwerk Hannover gebaut wird. Laut "HAZ" gilt der Standort aber keinesfalls als ein Favorit.
Neue Chance für Renault?
Daimler hätte mit Renault einen gut bekannten Alternativpartner an der Hand. Derzeit machen sich die Stuttgarter laut Insidern für eine Trio-Variante aller drei Autobauer stark – vom Tisch sei diese Chance nicht, die Gespräche liefen noch, heißt es in Konzernkreisen. Seit 2010 sind die Schwaben eng mit der französisch-japanischen Allianz Renault-Nissan verbandelt.
Renault hat in der Sprinter-Klasse das Modell Master im Angebot, das sich die technische Basis mit dem NV400 von Allianzpartner Nissan teilt. Daimler und der Partner hatten erst jüngst betont, ihre Zusammenarbeit generell intensivieren zu wollen. (Heiko Lossie und Jan-Henrik Petermann/dpa, rs)