Von Peter Weißenberg
Wenn Elektroautos im Schadenfall spektakuläre Bilder produzieren, dann meistens durch helle Flammen. Die brennende Batterie gilt gemeinhin als besondere Gefahr der neuen Mobilität. Manche Interessenten zögern genau deswegen noch, ein Auto mit Hochvolt-Antrieb zu kaufen.
Carsten Reinkemeyer kann da allerdings entwarnen. Nach einer neuen Auswertung des Leiters der Sicherheitsforschung im Allianz Zentrum für Technik (AZT) "geraten Elektroautos nicht öfter in Brand als alle anderen." Und das heißt: sehr selten. In Deutschland werden jährlich gerade einmal rund 15.000 Pkw-Brände gemeldet – 99 Prozent davon sind Benziner oder Diesel.
Feuerwehrleute wünschen sich zwar besser zugängliche Batterien oder spezielle Löschöffnungen, damit nicht jede entzündete Batterie gleich in speziellen Löschcontainern ausgekühlt werden muss. Aber grundsätzlich haben die Brandexperten auf dem Autotag des AZT betont, dass sie auch brennende E-Autos im Griff haben.
Marderbiss bedeutet oftmals Totalschaden
Der Kunde allerdings muss nach der Studie statt dem Funken eher einen kleinen tierischen Angreifer fürchten, wenn es um den Totalschaden geht: "Hochvoltkabel kann man nicht so einfach tauschen, wenn da ein Marder reinbeißt", erklärt Reinkemeyer. Ist auch nur ein Kabel angegriffen, muss darum meist der ganze Kabelsatz ausgetauscht werden. Und das koste mindestens 7.000 Euro, oft auch mehr.
Die Folge: Gerade, je günstiger ein E-Auto im Kaufpreis, desto weniger lohnenswert ist da eine Reparatur. Der zerbissene Kabelsatz im VW e-Up, Renault Zoe oder Dacia Spring bedeutet also wahrscheinlich einen Totalschaden, beim Audi etronGT oder Tesla Model S lohnt der Austausch. "Und das Problem wird noch größer, wenn ältere Gebrauchte angegriffen werden", so der Schadenforscher.
Weiterer Risikofaktor auf einen Totalschaden ist jede Beschädigung an oder in der Batterie. Denn die macht bei einem Elektroauto wertmäßig rund 30 Prozent der Gesamtkosten aus. "Die Batterien werden zwar sehr gut geschützt, aber auf Reparaturfreundlichkeit wird dabei noch zu wenig Wert gelegt", so der Experte. Zudem gibt es technische Vorgaben, die etwa bei manchen Herstellern verlangen, bei jedem Auslösen des Airbags in der Folge auch den Akku zu tauschen. Da es aber noch keinen Markt für Gebrauchtbatterien gebe, bedeutet auch das oft den wirtschaftlichen Totalschaden. Auch darum seien E-Autos im Schnitt rund zehn Prozent teurer in der Versicherung als vergleichbare Verbrenner.
Schaden bei E-Autos im Schnitt 30 Prozent höher
Was überdies dafür sorge, dass der durchschnittliche Schaden bei einem E-Auto rund 30 Prozent höher liegt als bei Kollisionen von Verbrennern: Die Fahrzeuge sind wegen der Hochvolt-Technologie nur in wenigen Werkstätten zu reparieren – und meistens nicht in günstigen freien Werkstätten um die Ecke. Daran dürfte sich wohl erst etwas ändern, wenn mehr ältere Elektroautos im Markt unterwegs seien.
Eine weitere Komplikation bei der Unfallreparatur: Der Akku enthält auch bei nicht mehr funktionsfähiger Anlage noch immer viel Energie. Nach einer Bergung entstehen dadurch zusätzliche Kosten durch die notwendige Brandvorsorge. Das E-Auto muss in der Werkstatt erst mal in Quarantäne.
Aber die Unfall-Experten erwarten keine unendlich steigende Kostenspirale bei den E-Autos. Erstens werden die Fahrzeuge inzwischen im Schnitt günstiger, weil sie auch in kleineren Klassen angeboten werden. Und gerade die Massenhersteller oder im Flottenmarkt starke Anbieter optimieren die Reparaturfreundlichkeit ihrer batteriegetriebenen Fahrzeuge.
Einfach austauschbare einzelnen Batteriemodule stehen bei vielen Herstellern weit oben im Lastenheft der nächsten Generationen. Und manchmal bringen auch einfache Maßnahmen schon große Ersparnisse: Einige Hersteller, so Reinkemeyer, haben etwa ihre Hochvolt-Kabel inzwischen mit extradicken Ummantelungen umgeben. Daran beißt sich der Marder die Zähne aus. Und die Reparatur des Schadens kostet nur noch 200 statt 7.000 Euro.