Rückgabe mit reiner Weste
So manche Leasingrückgabe wird für Fuhrparks zum finanziellen Fiasko. Das muss nicht immer so sein. Autoflotte hat eine Rückläufer-Bewertung der DB ProjektBau bei einer Dekra-Station in München begleitet. Die hatte zwar einige Überraschungen für den Fahrer parat, lief aber fair und „unparteiisch“ ab.
Reinhold Schmidgunst hat nichts zu befürchten an diesem sonnigen Herbsttag. An diesem Montagmorgen wird er sein ausgemustertes Dienstfahrzeug, einen Ford Focus, für das der Leasingvertrag ausgelaufen ist, zurückgeben. Die Rückgabe ist für ihn mittlerweile ein Routinetermin geworden – schon zum siebten Mal macht er dieses Prozedere mit. Sein neues Fahrzeug, ein VW Bus mit kleinem mobilem Büro, steht schon auf dem Parkplatz der Dekra-Station in München Nord zur Weiterfahrt an seinen Arbeitsplatz bereit. Das sind Stellwerke und Bahnübergänge im südbayrischen Raum – Schmidgunst ist Abnahmeprüfer für Bahnübergangsanlagen der DB ProjektBau, die ihre Fahrzeuge bei DB FuhrparkService least.
Warum Reinhold Schmidgunst zu diesem Termin mit einer sprichwörtlich reinen Weste erscheint, wird schnell klar: Sein altes Dienstauto ist quasi neu, zudem top gepflegt und ausschließlich für Dienstfahrten genutzt worden.
Von solchen Rückläufern träumt so mancher Flottenchef. Nur 17 Monate hat Schmidgunst den ihm fest zugeordneten Ford Focus genutzt und in dieser Zeit 34.000 Kilometer auf seinen Dienstfahrten zurückgelegt, die alle fein-säuberlich in einem Fahrtenbuch erfasst sind.
Einen größeren Schaden am Heck des Vollkasko versicherten Fahrzeugs, der ihm – vermutlich von einem unfallflüchtigen Radfahrer – auf einem Parkplatz zugefügt wurde, hat die Vertragswerkstatt fachgerecht repariert. So verfährt sein Arbeitgeber bei jeder bekannt gewordenen Beschädigung an Leasingfahrzeugen. Weitere noch existente Schäden sind dem Dienstwagenfahrer nicht bekannt. „Jetzt bin ich mal gespannt“, sagt Schmidgunst, kurz bevor sein innen wie außen frisch gereinigtes Fahrzeug in die große Halle gefahren und vom Prüfer der Dekra in Augenschein genommen wird.
Punkt für Punkt durchs Protokoll
Die Fahrzeugbewertung an diesem Tag übernimmt der Kfz-Sachverständige Hubert Rail. Bevor es ans „Eingemachte“ geht, werden erst die Formalitäten abgehakt (Fotos Mitte und unten): Sind alle Schlüssel und Papiere vorhanden? Welchen Kilometerstand zeigt der Tacho an? Wurden die Hauptuntersuchung, Abgasuntersuchung und Inspektion vorgenommen? Hubert Rail geht sein Rücknahmeprotokoll Punkt für Punkt durch.
Dann erst geht es ans eigentliche Objekt. „Irgendwelche Schäden am Auto?“, fragt er pro forma, denn eigentlich hat die Antwort, gleich wie sie ausfällt, keine Bedeutung: Dem Sachverständigen kann ein Dienstwagenfahrer nichts vormachen. Dieser verneint aber nach bestem Wissen und Gewissen, worauf der Prüfer ein skeptisches, aber auch spaßig gemeintes „Ehrlich?“ erwidert. Der kritische Rundgang ums Auto beginnt.
Der geschulte Blick des Profis
Die größte Beschädigung findet Rail gleich zu Beginn. Sein Blick übers Dach ergibt: Der Focus hat einen Hagelschaden, den Reinhold Schmidgunst nicht bemerkt hatte – das Autoblech weist dort einige kleine Dellen auf. Die Frage, ob der Schaden bei der Versicherung gemeldet worden sei, muss er folglich verneinen. „Wenn der Wagen verstaubt ist, sieht man einen solchen Hagelschaden nicht“, nimmt der Sachverständige den Fahrer in Schutz.
Bei diesem Schaden soll es nicht bleiben, denn als Rail den Türrahmen hinten rechts ansieht, bemerkt er im Einstieg eine kleine Delle (Foto oben rechts). Dafür hat er auch gleich eine Erklärung parat: „Vermutlich ein eingeklemmter Sicherheitsgurt.“ Ein Fall für Smart Repair, also keine große Sache nach Ansicht von Rail. Auch dieser Schaden war Schmidgunst nicht bekannt. Er kann sich ihn auch nicht erklären, da er stets allein unterwegs ist, nie Kollegen mitgenommen hat.
Dann untersucht Rail die Reifen und misst deren Profiltiefe. Der Focus ist – getreu der „O-bis-O-Regel“ – an diesem milden Herbsttag schon mit Winterreifen ausgerüstet. Vier bis fünf Millimeter Restprofil ergibt der Test. Der Prüfer ist zufrieden: Theoretisch dürften sie nach Gesetzeslage bis auf 1,6 Millimeter runtergefahren werden, aber bei weniger als vier Millimetern Restprofiltiefe sind die Pneus nicht mehr wintertauglich.
Positiver Gesamtzustand
Als Letztes hat Rail noch eine kleine Delle am linken Schweller zu beanstanden – eine Kleinigkeit, die er aber dennoch ins Protokoll aufnehmen muss. Über den Gesamtzustand des Focus äußert er sich positiv. Gerade bei Dienstfahrzeugen, die viel im Gelände auf unwegsamem Terrain eingesetzt werden, hat er bei Leasingrückgaben schon ganz andere Zustände feststellen müssen.
Reinhold Schmidgunst ist überrascht, dass der Dekra-Prüfer Mängel an seinem Focus festgestellt hat. „Den Hagelschaden habe ich nicht gesehen, sonst hätte ich ihn gleich gemeldet. Und die Beifahrertür hinten mache ich eigentlich fast nie auf. Da kann ich jetzt echt nicht sagen, wo dieser Schaden herkommt. Der ist mir auch noch nie aufgefallen“, sagt er.
Ob die Schäden dem Leasingnehmer belastet werden, soll Rail abschließend sagen. „Ich bin hier nur der Schiedsrichter, ich mach nur eine Bewertung entsprechend der Richtlinie“, sagt Rail. „Ob DB FuhrparkService einem Großkunden diese Wertminderung belastet, das weiß ich nicht. Das glaube ich aber nicht.“
Die gute Pflege zahlt sich aus
Mit seiner Einschätzung soll er dieses Mal Recht behalten. Denn der Poolfahrzeugdisponent für den Bereich Planung bei DB ProjektBau, Udo Plank, erhält für den Focus nur eine Abrechnung des Hagelschadens von der Versicherung, der auf 1.851 Euro beziffert wurde. Davon muss der Fuhrparkbetreiber die Selbstbeteiligung in Höhe von 750 Euro tragen.
Von DB FuhrparkService hat Plank auch zwei Monate nach der Rückgabe keine Belastungsanzeige erhalten. Das ist ein gutes Zeichen, denn üblicherweise dauert die Abrechnung für Leasingrückläufer rund vier Wochen, und für spätere Rückläufer sind schon Belastungsanzeigen eingetroffen. Also scheint für den gepflegten Ford Focus von Schmidgunst keine Nachforderung zu kommen. „Das ist wirklich erfreulich, denn Kratzer oder Dellen, insbesondere am Stoßfänger, Kotflügel, an Tür oder Dach, bleiben natürlich nicht aus. Und in den meisten Fällen wird uns die Reparatur dann anteilig in Rechnung gestellt“, sagt Udo Plank, der jährlich 20 Fahrzeugrückgaben verwaltet. Die kleine Delle im Türrahmen und eine weitere am linken Schweller waren in diesem Fall wohl nur übliche Gebrauchsspuren.
Mireille Pruvost
- Ausgabe 2/2009 Seite 36 (260.3 KB, PDF)