Von Michael Blumenstein
Seit 1991 nennen die Hessen ihre Kompaktklasse Astra. Und zum Jahreswechsel 2021/2022 kommt die Generation 6 und lässt damit den Insignia als letzten GM-Opel im Portfolio. Der Terminologie folgend heißt der neue Astra, Astra L. Er wird übrigens nach langer Abstinenz von Beginn an wieder im Stammwerk in Rüsselsheim produziert, wie auch einer seiner zwei Technik-Zwillinge, der DS 4. Der andere, der Peugeot 308, kommt aus Frankreich. Citroëns C4 – ebenfalls ein Kompaktgeschwisterchen im Konzern – steht übrigens auf der "kleineren" Plattform, auf der Opel Corsa und Crossland, Peugeot 208 und 2008 und beispielsweise der DS3 Crossback basieren.
Der Astra ist also komplett neu, was nicht nur der Tatsache geschuldet ist, dass der alte Astra (K) zusammen mit GM entwickelt wurde. Bei den Abmessungen bleibt alles ähnlich und mit gut 4,37 Metern Länge kompakt. Vorne sticht die "Vizor-Front" hervor – die nun aber geschlitzt ist. Nach Crossland, Mokka und Grandland trägt nun der Astra als vierter das neue Markengesicht. Am Heck könnten Betrachtende ein geschärftes Golf-8-Design erkennen, wenn man denn wollte. Die kurzen Überhänge lassen den Astra nun formvollendeter auf der Straße stehen und sollen mit dazu beitragen, dass das Raumgefühl im Inneren gut ist.
Großer Kofferraum
Gut ist es, andere sind jedoch besser und bieten mehr Platz. Immerhin passen laut Opel-Infos 422 Liter Gepäck in den Kofferraum, dessen Klappe nun aus gewichtsparendem Kunststoff besteht. Das sind 42 Liter mehr als ins Golf-Heck passen (der jedoch neun Zentimeter kompakter ist). Die Ladekante im Astra ist jedoch recht hoch, weshalb ein doppelter Ladeboden ein Muss ist. Das Kofferabteil ist gut eingerichtet und mit vernünftigen Materialien ausgeschlagen.
Auf der Rückbank (gegen Aufpreis beheizbar) sitzt es sich mit gutem Beinwinkel recht bequem. Sitzriesen streifen schonmal die Decke. Und es gibt ausreichend Kopffreiheit. Zu viert in den Urlaub? Klappt. Besonders gut klappt das vorne. Hier versprechen die optional erhältlichen AGR-Sitze (Aktion Gesunder Rücken) – die Opel bereits seit 2003 im Programm hat – Langstreckenkomfort. Die neue Sitzkontur mag "Alt-Opel-Kunden" nicht auf Anhieb gefallen, die Einstellmöglichkeiten von Sitz (auf Wunsch sehr tief) und Lenkrad und das erste Drinsitzen gefallen dafür sehr gut; ebenso die verwendeten Materialien.
Wer es edel haben möchte, aber auf Tierhaut verzichten will, wählt feines Alcantara und wertet den Innenraum spürbar auf. Die Kunststoffflächen fassen sich größtenteils gut an und das Pure Panel genannte Cockpit schafft den Spagat zwischen spacig-abgefahren und edel-zurückhaltend ziemlich gut. Ein echtes Head-up-Display kann geordert werden und macht den Blick ins Kombiinstrument eigentlich obsolet. Das Pure Panel wirkt wie aus einem Guss und besteht dennoch aus zwei Zehn-Zoll-Breitbildschirmen, von denen der rechte leicht fahrerorientiert angewinkelt ist. Sie sind auf Wunsch speziell verglast und lassen angeblich keinerlei Spiegelungen entstehen. Sie wirken auch in natura sehr pur. Zumindest solange sie frisch gewischt sind. Das (zu) Viel an Hochglanzschwarz ist für Putzfetischisten Himmel und Hölle zugleich.
Opel Astra L (2022) Vorstellung in Rüsselheim
BildergalerieWichtige Schalter vorhanden
Schön, dass Opel beim Astra nach wie vor an einigen physischen Schaltern festhält. So sind alle Klimaveränderungen via Tastendruck durchführbar und die Lautstärke beispielsweise per Drehregler. Das vereinfacht die Bedienung und stört optisch keineswegs. Etwas schwierig könnten Opel-Freunde den Lichtschalter (emp-)finden, der nun à la française in den Blinkerhebel gerutscht ist, pardon.
Geschaltet wird konventionell manuell in sechs Gassen oder mittels Achtgang-Automatik, dessen Mini-Wählhebel im Konzern mittlerweile hinlänglich bekannt ist. Ablagen gibt es ausreichend, viele sind sogar mit einem Rollo verschließbar, was hochwertig aussieht und gierigen Blicken die Sicht versperrt.
Um die Sicht aufs Wesentliche außen zu lenken, besitzt der Astra stets LED-Scheinwerfer und auf Wunsch feingliedriges Matrix-Licht mit 84 Segmenten pro Seite – Pixel-LED genannt. Da wird Opel seinem Ruf als Lichtpionier wieder einmal gerecht und bringt Premiumtechnologie in bezahlbare Regionen. Der Aufpreis dürfte bei rund 850 Euro (netto) liegen, das zumindest verlangen die Rüsselsheimer beim Grandland, der dieselbe Technik nutzt.
Deutlich mehr Leistung
Bei den Motoren gibt es übrigens keine Überraschungen, wohl aber deutlich mehr Leistung als bislang, wo die PS-Spanne des Astra bei 110 PS begann und bereits bei 145 PS endete. Gestartet wird mit zwei Plug-in-Versionen mit 180 und 225 PS und Frontantrieb. Als Benziner werden 1.2 T mit 110 und 130 PS ins Rennen geschickt, ein Diesel mit 130 PS rundet das Paket ab. Eine Achtgang-Automatik ist bei den Phevs obligatorisch und bei den 130-PS-Verbrennern optional erhältlich. Zu erwarten ist, dass später eine Starkversion mit 300 PS und Allradantrieb folgen könnte, bei der die Hinterachse mit Kraft vom zweiten E-Motor beaufschlagt wird. Dieser Plug-in-Hybrid ist ebenfalls bereits aus dem Grandland bekannt. Eine reine E-Version startet 2023, womit dann bis 2028 Benziner, Diesel, Phev und Bev erhältlich sind. Der Kombi folgt in jedem Fall, etwa ein halbes Jahr später.
Bei 18.878 Euro (netto) startet der neue Astra in der Basisversion. Das sind 1.150 Euro mehr als bislang für den "alten" Astra in der Business Edition fällig wurden – deren Preis sicherlich auch noch kommuniziert wird und damit auf dem Niveau des Vorgängers liegen dürfte – trotz besserer Ausstattung. Der Kombi liegt voraussichtlich 920 Euro darüber.