Studien zur Umweltverträglichkeit von E-Autos gibt es wie Grashalme auf der Wiese. Das Problem: So homogen Grashalme aussehen, so heterogen fällt das Ergebnis der Untersuchungen auf dem Papier aus: Vom Klimaretter bis zum -killer wurde der E-Mobilität schon alles zugeschrieben.
Getreu dem Motto "Traue keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast" liegt es nahe zu vermuten, dass das Ergebnis eben so grün (oder so schwarz) ausfällt, wie es dem Auftraggeber (vom E-Mobilitätsverband bis zur Diesel-Lobby) zupasskommt. Das mag zutreffen. Eine weitere Erklärung für die diversen Ergebnisse ist, dass der gesamte ökologische Fußabdruck eines Autos von Faktoren abhängt, die nicht bestimmbar sind oder stetigem Wandel unterliegen.
Der ökologische Rucksack
Einer dieser unsicheren Faktoren ist die Batterieproduktion. Es herrscht Einigkeit darüber, dass für die Fertigung eines batterieelektrischen Autos mehr Energie aufgewendet werden muss. Doch wie viel genau? Schließlich ist das der "ökologische Rucksack", also der Rückstand, mit dem das E-Auto die Verbrenner erst einmal im Laufe seines Lebens wieder einholen muss.
In der Studie "Klimabilanz von Elektrofahrzeugen" legt die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) offen, warum die Klimabilanz der Batterieproduktion variieren kann. Für die Bewertung werden nämlich die energiebedingten Treibhausgas-Emissionen (THG) bezogen auf eine Kilowattstunde (kWh) produzierte Elektrofahrzeugbatterie berechnet. In den Wert "Kilogramm CO2-Äq. je kWh produzierter Batteriekapazität" werden alle Emissionen eingerechnet, die anfallen, wenn Energie für die Materialproduktion und die Batteriefertigung bereitgestellt oder umgewandelt wird.
Den größten Einfluss, nämlich 40 Prozent dieses Werts, hat der Strombedarf für die Batteriefertigung. Je weniger Strom hierbei eingesetzt wird und je grüner er ist, desto niedriger ist der THG-Emissionswert.
So erklärt die Forschungsstelle, wieso bisherige Ökobilanzstudien eine sonderbare Bandbreite von zehn bis 170 kg/kWh aufweisen. Ein weiterer Grund für die Heterogenität: Die Hersteller rücken im Normalfall ihre Daten für die Batterieproduktion nicht heraus, diese werden als vertrauliche Unternehmensinformationen gehütet.
Die FfE rechnet bei Strom aus grünen Quellen in einer modernen Anlage mit 62 kg CO2-Äq. je kWh produzierter Batteriekapazität, bei Pilotanlagen mit Kohlestrom liegt der Wert bei 212 kg/kWh. Für die Produktion von industriellen Batteriezellen und -systemen sei zukünftig mit einer Senkung des Strombedarfs und somit einer Verbesserung der Klimabilanz zu rechnen. "Weiterhin sollte bei der Standortwahl neuer Produktionsanlagen auch die Energieversorgung Berücksichtigung finden, da diese Effekte auf die Klimabilanz der produzierten Batterien hat", empfiehlt das Institut.
Bei einer durchschnittlichen Batteriekapazität von 35 kWh - diese Größe ist beispielsweise im Seat Mii electric installiert - fallen rund fünf Tonnen CO2-Äq./kWh an, die zur restlichen Herstellung dazukommen. So kommt ein E-Auto auf zehn bis 13 Tonnen CO2/kWh. Benziner und Diesel liegen laut Experteneinschätzungen bei etwa sechs bis sieben Tonnen.
Nach jetzigem Stand rechnet die Forschungsstelle mit dem Break-even (dem Moment, ab dem sich ein E-Auto ökologisch amortisiert) ab einer gefahrenen Strecke von zirka 50.000 Kilometern - bei einem E-Auto mit einer Batteriekapazität von 30 kWh und dem deutschen Strommix mit einem Anteil von damals aktuellen 29 Prozent erneuerbarer Energieträger.
Mehr als das Doppelte, 127.500 Kilometer, veranschlagt hingegen die aktuelle Lebenszyklus-Analyse der Forschungsgesellschaft Joanneum Research im Auftrag des ADAC - ganz offensichtlich auf Basis komplett anderer Parameter. Bei einer Jahreslaufleistung von 15.000 Kilometern und einer Lebensdauer von 15 Jahren würde das E-Auto in einer generischen "Golfklasse" erst nach 8,5 Jahren einen Benziner einholen, einen Diesel erst nach 14,6 Jahren. "Erst mit einem immer höheren Anteil an regenerativem Strom können die E-Autos ihre Klimabilanz gegenüber herkömmlichen Antrieben deutlich verbessern", urteilt der ADAC. Je weniger Kohle und Erdgas für die Stromgewinnung eingesetzt werden, desto schneller holt das E-Auto die Konkurrenz ein.
Kleiner Akku, schneller grün
E-Autos können heute schon eine nachhaltige Lösung sein, wenn sie nicht zu schwer sind und ihre Akkus nicht allzu groß sind. Zu dieser Einschätzung kommt die Denkfabrik Agora Verkehrswende auf Grundlage einer Studie des ifeu-Instituts Heidelberg. Hierfür verglichen die Forscher einen VW Golf in der Elektro-, Benzin- und Diesel-Variante. Ergebnis: Bei einer Akkukapazität von 34 kWh rentiert sich der E-Golf ökologisch ab einer Laufleistung von 60.000 Kilometern im Vergleich zum Benziner, gegenüber einem Diesel ab 80.000 Kilometern. Es spiele allerdings eine Rolle, ob das Auto regelmäßig im Stadtverkehr oder auf der Autobahn eingesetzt werde. Ein Renault Zoe mit kompakter 25-kWh-Batterie ist bereits nach 40.000 Stadtkilometern sauberer als ein Benziner, einen Diesel holt er auf der Autobahn jedoch erst nach 150.000 Kilometern ein - ökologisch betrachtet, versteht sich. Angesichts einer Durchschnittsfahrleistung von 34 Kilometern pro Tag empfehlen die Agora-Experten, dass Privatpersonen ohnehin eher ein kleineres Auto mit kompaktem Akku in Erwägung ziehen sollten. Einer aktuellen Umfrage zufolge erwarten aber ebenjene mindestens 450 Kilometer Reichweite.
- Ausgabe 01/02/2020 Seite 18 (437.4 KB, PDF)