Langsam lernen auch Unternehmen zu teilen. Zumindest was die Flotte betrifft. Corporate-Carsharing-Projekte gehörten in den letzten Monaten zum Spannendsten, was die Welt rund um Dienstreisen und Mobilität in Firmen zu bieten hatte. Etwas früher begannen damit bereits einige Kommunen.
Nicht nur das Bild vom klammen Stadtkämmerer sollte man hier im Hinterkopf haben, aber natürlich heißt es auch auf kommunaler Ebene: Ressourcen schonen. Sowohl finanziell, aber auch ökologisch. Denn dort, wo sich abgasarme Techniken wie Gasfahrzeuge im großen Stil deutlich besser durchsetzen als in der freien Wirtschaft, ist es auch nicht weit zum Carsharing-Gedanken.
In Leipzig geistert dieser seit 2011 durch die Bach-Stadt. Verantwortlich dafür ist unter anderem Hauptamtsleiter Christian Aegerter.
Mobil in der Stadt
Der Fuhrparkmanager der Stadtverwaltung ist Herr über rund 450 Fahrzeuge, wovon ein Großteil typische kommunale Zwecke wie Müllabfuhr oder Feuerwehreinsätze erfüllt. Zu den zahlreichen Lkw und Transportern gesellen sich gut 150 Pkw. Diese reichen aus, um jene von den zirka 6.000 städtischen Mitarbeitern - vom Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes bis zur Kindergärtnerin - mobil zu halten, die überhaupt auf Dienstreisen gehen.
"Natürlich fährt der Thomaner-Chor mal nach Japan oder das Gewandhaus-Orchester in die USA, aber die allermeisten Dienstreisen finden innerhalb von Leipzig statt. Die Feuerwehr ist in der Stadt unterwegs, die Politesse bewegt sich innerhalb des Stadtgebietes. Für viele Mitarbeiter sind zumeist die beiden zentralen Verwaltungsgebäude, das Neue Rathaus und das Technische Rathaus, Start- oder Zielpunkt", erklärt der Hauptamtsleiter. Die Wege sind also recht kurz für die laut dem Fuhrparkleiter maximal eintausend potenziellen Dienstreisenden. Deren wirklichen Bedürfnisse untersucht das Team von Aegerter, denn neben der Flottenverwaltung gehört auch das Reisemanagement zu dessen Aufgabenbereich.
Dreiteilung
Vor einigen Jahren bereits ging man intensiv der Frage nach, welche Art von Dienstreisen es in der Stadtverwaltung überhaupt gibt und wie diese optimiert werden können. Die Bestandsaufnahme fiel eindeutig aus. Der beste Weg sei natürlich die Vermeidung von Dienstreisen. "Der Idee gingen wir nach, indem wir Dienststellen zusammenlegten. Im Jahr 2009 wurden dafür eine Vielzahl von Abteilungen im Technischen Rathaus zusammengeführt. Der nächste Schritt wären Telefon- und Videokonferenzen, aber da stecken wir wie viele andere auch technisch noch in den Kinderschuhen", erzählt der Sachse. Es blieb also ein Mindestmaß an Dienstreisekilometern, die es gilt, effektiv zurückzulegen. Würde man rein auf die CO2-Bilanz der Fahrten schauen, dann wäre für das Gros der dienstlichen Wege der öffentliche Personennahverkehr oder das Fahrrad die erste Wahl.
"Der ÖPNV geht aber nur bei direkten Verbindungen", schränkt Aegerter ein, "denn wenn der Mitarbeiter bis zum Ziel noch dreimal umsteigen muss, ist der Zeitverlust viel zu groß." In diesen Fällen hat die individuelle Mobilität ihre Daseinsberechtigung. Und diese ist oft zweirädrig: Viele Mitarbeiter nutzen in der "Stadt der kurzen Wege" ihr Fahrrad oder ein Dienstfahrrad. Und wenn nicht?
CO2-Vorgaben
"Ein effektiver Weg ist es, dass Privatfahrzeuge für die dienstliche Nutzung genutzt werden. Das Auto ist schon vorhanden und die Abrechnung für diese Fahrten ist recht einfach", berichtet der Flottenverantwortliche. Für alle übrigen Fälle steht die Flotte der gut 150 Dienst-Pkw parat.
Für den Flottendurchschnitt des CO2-Ausstoßes aller Pkw im Fuhrpark gilt entsprechend des durch die Verwaltung erarbeiteten Mobilitätskonzeptes nicht nur ein Limit von maximal 130 g/km, um den selbst auferlegten ökologischen Vorgaben zu entsprechen. Mittelfristig soll dies auf 120 g/km und später auf 90 g/km gesenkt werden.
Die Flotte soll auch in Summe kleiner und abgasärmer werden. "Dazu wollen wir den Fuhrpark in drei Teile aufgliedern", berichtet der Hauptamtsleiter. Zu einem Drittel bleiben die klassischen Dienstfahrzeuge, ein weiteres Drittel sollen E-Fahrzeuge werden, die durch die größte Stadt Sachsens surren, und das letzte Drittel soll über Carsharing abgedeckt werden."
Diese letzte Säule wurde im großen Rahmen im Jahr 2012 gestartet. Seit dem teilen sich die städtischen Mitarbeiter Fahrzeuge mit den Bürgern der Stadt. Vor dem Umstieg galt es für den Flottenchef vor allem eines: Überzeugungsarbeit leisten. Und dieser Prozess ist längst nicht abgeschlossen, denn das Hauptamt stellt zwar den Betrieb der Flotte sicher, aber die Pkw sind den einzelnen Fachämtern zugeordnet und hier ist immer noch nicht jeder vom Gedanken des Teilens überzeugt.
Um diese Widerstände klein zu halten und selbst erste praktische Erfahrungen mit einer teilbaren Flotte zu haben, starteten die Leipziger 2011 zunächst ein Pilotprojekt. "Die beiden Ämter für Umweltschutz respektive Stadtgrün und Gewässer haben jeweils vier Fahrzeuge stillgelegt. Im Gegenzug haben wir eine eigene Carsharing-Station mit fünf Fahrzeugen installiert. Das Ganze lief ein knappes Jahr im Test und wurde überwiegend sehr positiv aufgenommen", erzählt Aegerter.
Partner gefunden
Ende 2012 folgte die Ausschreibung für einen Carsharing-Partner. Da man seitens der Kommune statt auf Floating-Systeme ohne feste Parkplätze lieber auf fixe Stationen setzt, mussten die Bewerber Standorte im Umkreis der Verwaltungsgebäude garantieren. Auch die Fahrzeugemissionen wurden genau vorgegeben. Als Fahrzeugklassen sollten Klein- und Kompaktwagen sowie Transporter dienen. Den Zuschlag erhielt schließlich der Carsharing-Anbieter "teilAuto" aus Leipzig.
Alle Nutzer erhielten daraufhin eine gemeinsame Schulung im Umgang mit der Chipkarte zum Auf- und Zusperren des Autos und zum Umgang mit der Tankkarte. Generell werden bei einer Fahrzeugbuchung über die Internetplattform städtische Angestellte nicht priorisiert oder anders behandelt als Privatnutzer. Der Carsharing-Anbieter beobachtet aber die Auslastung an den Stationen und würde, wenn mehr Kapazitäten erforderlich wären, die Zahl der Autos erhöhen. Bislang musste aber noch kein Autoteiler aus der Stadtverwaltung auf einen Wagen warten, heißt es beruhigend aus der sächsischen Metropole.
Zurück zum eigenen Dienstwagen will keiner der momentan rund 150 Nutzer, versichert der Projektleiter Aegerter. Er weiß auch, dass die Zahl an Nutzern ausbaufähig ist. Bislang bemisst sich die Carsharing-Flotte auf 20 Autos. Aegerter sieht aber noch Luft für nochmal so viele.
Doch wie überzeugt man als Flottenchef seine Dienstwagennutzer davon, statt in den eigenen Dienstwagen zu steigen, zur Carsharing-Station zu gehen? "Der erste Anlaufpunkt ist das Gespräch beim turnusmäßigen Fahrzeugwechsel", berichtet Christian Aegerter. In diesen Momenten kann der Hauptamtsleiter oftmals einige Bedenken des Gegenübers zur Seite schieben: "Die Fahrzeuge sind immer sauber und getankt. Zudem merken die Mitarbeiter, dass die Vergabe der Fahrzeuge plötzlich viel einfacher läuft, als zuvor." Bequem ist es allemal. Denn die größte Station ist direkt am Neuen Rathaus. Hier gibt es immer ein Auto und einen Parkplatz.
Größer sind die Widerstände in den kleineren Außenstellen. elbst wenn in der Nähe bereits Carsharing-Stellplätze vorhanden sind, kontern die Mitarbeiter mit dem Hinweis, dass die nötige Spezialausrüstung nur aufwendig in den wechselnden Autos untergebracht werden kann. "Hier hilft es, die alltäglichen Einsätze ein paarmal praktisch durchzuspielen, um zu sehen, ob dieses Argument wirklich greift", sagt Aegerter. Eine Sache spielt dem umtriebigen Flottenmanager in die Karten: die Demografie. "Die jüngeren Mitarbeiter wachsen bereits mit den Möglichkeiten von Carsharing auf, sodass hierfür eine Wissensbasis und sicherlich auch weniger Skepsis vorhanden sind."
Die Kostenfrage
Dass sich der mitunter mühsame "Kampf" mit jedem Mitarbeiter lohnt, liest sich eindrucksvoll in der Bilanz. "Ein erster Kostenvergleich nach einem Jahr zeigte, dass beim Carsharing nur gut die Hälfte der Ausgaben anfallen, als wenn wir die Autos selbst bewirtschaften würden. Allerdings sank gleichzeitig die Laufleistung der Fahrzeuge um ein Viertel." Es rechnet sich also, zumal neben den Kosten auch der Aufwand immens zurückging. "Wir müssen keine Fahrzeuge selbst neu ausschreiben und auch das Handling für diese Teilflotte ist deutlich einfacher für uns", summiert Aegerter die Vorteile auf.
Das künftige Teilen von Beamten und Bürgern wird indes durch eine Sache gebremst, die übrigens auch den E-Flotten zu schaffen macht - die Verfügbarkeit freier Stell- respektive Ladeflächen im Stadtgebiet. Will man für einen der momentan zehn Stromer im Fuhrpark eine Ladesäule errichten oder für die Carsharing-Autos Parkplätze reservieren, muss man oft auf die raren Privatflächen ausweichen. "Bei bestehenden Parkflächen, die ich einfach zu Carsharing-Plätzen ummünzen will, bedarf es einer Änderung des Straßenverkehrsrechts. Was die Sache kompliziert macht", klagt zwar Aegerter, aber mit Widerständen weiß er ja umzugehen.
- Ausgabe 03/2015 Seite 54 (285.7 KB, PDF)