Bei der langen Geschichte des Leasings hatten Sie vermutlich die Sumerer im Zweistromland, also die heutigen Iraker, nicht im Verdacht. Aber sie waren es, die in ihren Geschäften Instrumente einsetzten, die wir heute als Grundprinzip des Leasings bezeichnen. Im 19. Jahrhundert ging es dann auch erst richtig los. Telefongesellschaften wie Bell nutzten ab 1877 gezielt dieses Prinzip beim Absatz ihrer Telefonapparate. In den 1920er-Jahren folgte IBM mit den Lochkartenanlagen und dann starteten - in einer Absatzflaute - die Automobilhersteller.
Vor knapp 60 Jahren begann der heute überaus stark fragmentierte deutsche Leasing-Markt mit aktuell geschätzten 2.200 Leasingfirmen und einem Volumen von knapp 75 Millarden Euro bei zwei Millionen Neuverträgen in 2019. Vier von zehn Kfz-Neuzulassungen sind nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Leasing-Unternehmen geleast. Und nun? Weiter so oder doch anders?
Kurze Geschichte von den drei Trends am Markt
Kommen wir zurück zu den drei Trends.
1. Private Equity finanzierte Start-ups und Automobilfirmen prüfen, ob höhere Flexibilität sich auch ohne jahrelanges Leasen auszahlen kann - auch für sie selbst.
2. Mobilität als Service-Plattformen mit Fokus auf Nachhaltigkeit, und
3. All-inclusive-Full-Service-Angebote für multimodale Mobilitätsstationen von Unternehmen und Wohnungsgesellschaften - statt nur Autofuhrparks.
Auto-Abos kosten am Ende mehr
Hersteller wie Audi fuhren mal voran, boten alle drei Monate ein neues Modell an - und stellten schnell wieder ein. Nach Audi Select kam Volvo Care, KintoFlex für Toyota und VW sowie viele hochfinanzierte wie niedrigvolumige Anbieter wie Cluno, Faaren, finn.auto, like2drive, ViveLaCar. Alle versprechen dem Fuhrparkmanagement Modellvielfalt bei hoher Flexibilität zwischen 30 Tagen und sechs Monaten.
Die Probleme, dass im Sommer überraschenderweise alle Cabrios wollen, die Flexibilität hart betriebswirtschaftlich gerechnet vor allem bei Rückgabe und deren Instandsetzungen zu teuer und letztlich zu nah am Mietwagen ist, sprechen sich noch schneller rum als die Anbieter-Marken. Wegen der Mietwagen-Nähe segelt Sixt das Thema in Corona-Zeiten auch mit einem "Umsteigebonus von ÖPNV und Deutsche Bahn" noch härter am Wind. Spätestens hier wird das Nachhaltigkeitsmanagement hellhörig - gerade in Corona-Zeiten, wo Dienstfahrten wie Dienstwagen neu gedacht wurden. Umstieg vom Umweltverbund zurück in den Miet-Diesel?
Mobility as a Service
Auch hier waren Deutsche Bahn mit Quixxit oder Daimler mit Moovel Vordenker und hatten - nach der Erkenntnis der Probleme - Nachahmer und Weiterentwickler: App-basierte Mobilitätsplaner, die dann vor dem Ticket-Kauf (ver-)endeten.
Der Finne Sampo Hietanen hatte 2015 - der Branche angemessen unbescheiden - MaaS Global gegründet und wollte mit seiner App Whim - das "Netflix des Transportwesens" aufbauen. Das Experiment läuft, vermutlich auch hier der Analogie angemessen, in mehreren Staffeln mit einem noch nicht absehbaren Serien-Finale. Denn weder Whim noch die ähnlichen Anbieter verdienen am Ende der aktuellen Episode Geld. Und noch immer ist der DB Navigator Deutschlands "Einhorn-App" schlechthin. Und die postpandemischen Zeiten - nach eingeübten Home-Office- und Videokonferenzen mit deutlich gestrichenen Dienstreisen-Etats - lassen die nächste Staffel von diesen Modellen eher als Drama erscheinen.
Noch ist auch die Forschung hier unscharf. Intermodale Mobilitätsplattformen mit klugen Mobilitätsbudgets der Arbeitgeber und einer besonders klugen Data Governance im Betreibermodell werden weiterhin spannend bleiben. Und das sehen auch etablierte Leasing-Anbieter: Arval hat im Oktober seine Arval-Beyond-Strategie 25 vorgelegt: "Von einem Full- Service-Leasingunternehmen hin zu einem führenden Unternehmen für nachhaltige Mobilitätslösungen, wobei Fahrzeuge weiterhin ein zentrales Thema spielen." Der Nachsatz zu den "Lösungen" ist nicht nur interessant, weil es zu einem Viertel Elektroautos werden sollen, sondern weil Fahrzeuge allein eben keine Lösung mehr zu sein scheinen.
Mobilitätsstationen für Arbeitgeber und Quartiere
Die nachhaltigste Transformation wird vermutlich nicht die Flexibilisierung der Finanzierung sein, sondern die Bereitstellung flexibler Mobilitätsangebote, die sich tatsächlich für alle Parteien auch wirtschaftlich ehrlich tragen und einen Beitrag zu Akzeptanz und Klimabilanz leisten können.
Die "Gesellschaft für Urbane Mobilität BICICLI" hat mit ihrer Beratungseinheit diverse Auszeichnungen gewonnen. Und diese Vielfalt der Preise (siehe Kasten) steht für Projekte von Flughäfen über Wohnungsbau- und Gewerbebaugesellschaften bis hin zu Co-Working-Anbietern und umdenkenden Arbeitgebern, die sich im wahrsten Sinne in der Breite durchsetzen könnte.
Die breite Lösung: multimodale Mobilitätsstationen mit Digital- (Buchung und Schließung), Park- und Ladeinfrastruktur sowie steueroptimierten Lösungen für Arbeitgeber und Wohnungsbaugesellschaften. Und dies in einem inklusiven Leasing- oder Finanzierungsmodell, das Refinanzierungsmöglichkeiten in Anrainer-Modellen vorsieht und so einen stationsgebundenen, versicherten und vorort gewarteten Concierge-Ansatz für infrastrukturelle Quartiersentwicklung darstellt.
In solchen Stationen werden für Mitarbeiter, Kunden, Mieter, Kurier- & Paketfahrten vor allem Mikro-Mobilitäten, Sharing-Angebote, Mietwagen, Ride Sharing, Hailing auf Basis der erstellten Mobiliätsbedarfsanalysen in ein Konzept gebündelt - und sicher fahren da sogar geleaste Autos rum. Aber das kennen Sie ja bereits - seit den Sumerern.
Zur Person
Prof. Dr. Stephan A. Jansen ist Geschäftsführer der "Gesellschaft für Urbane Mobilität BICICLI" mit Mobilitätskonzeptberatung für Unternehmen, Wohnungsbaugesellschaften und Städte sowie Flotten-, Dienstrad- und Infrastruktur-Full-Service-Leasing. BICICLI hat mit ihrer Beratungseinheit Auszeichnungen beim Deutschen Fahrradpreis 2020, den Jury- und Publikumspreis 2020 beim Future Mobility Summit vom Tagesspiegel sowie beim Innovationspreis des Handels 2020 gewonnen.Jansen ist langjähriger wissenschaftlicher Berater der Bundesregierung (u.a. Mitglied des Innovationsdialogs der Bundeskanzlerin, der Forschungsunion, Spitzencluster-Initiative etc.). Jansen ist Gründungspräsident der Zeppelin Universität und seit 1999 Gastforscher an der Stanford University. Er wurde vielfach für seine Arbeit und Publikationen ausgezeichnet - auch international im globalen Ranking der "Thinkers50".Er schreibt hier in seiner Kolumne "Neue Fahr-Lässigkeit" - wissenschaftlich, bissig, humorvoll oder eben: autonom, elektrisierend und rasant.
- Ausgabe 12/2020 Seite 34 (104.1 KB, PDF)