Jörg Heuer ist ein Begriff besonders wichtig im Gespräch über Ladeinfratruktur, Strommarkt und Fuhrparkbetreiber: Zuverlässigkeit. Denn jeder, der ein neues Betätigungsfeld betritt, wie etwa ein Flottenbetreiber, der seinen Fuhrpark elektrifiziert, braucht positive Erlebnisse, um Vertrauen in die neue Technik zu gewinnen. Daraus entsteht dann die Fähigkeit, sich weitere Anwendungsfälle zu überlegen, was mit dem neuen System – in dem Fall die Ladeinfrastruktur – passieren kann, um die Investitionskosten wieder einzuspielen und vielleicht mit dem Strom selbst Geld zu verdienen.
EcoG, die Firma von Jörg Heuer, "katalysiert die DC-Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu einem schnell wachsenden, professionalisierten Markt", wie das in München ansässige Tech-Unternehmen proklamiert. Man unterstützt also Firmen wie Siemens dabei, Ladelösungen zu entwickeln und schnell auf den Markt zu bringen. Dabei helfen Referenzdesigns, Ladecontroller und Steuerungssoftware. Mit seiner Ladesoftware ist EcoG laut eigener Aussage Marktführer in Europa mit mehr als 15 Prozent Marktanteil. Man berät allerdings nicht nur die Industrie, sondern auch Firmen, die ihre Flotte elektrifizieren wollen und damit neben dem Auto- auch den Strommarkt zu ihrem Asset machen wollen.
Was bringt mit die Ladeinfrastruktur noch alles?
Egal welche Firma elektrifiziert wird, sie muss auf jeden Fall ihre Investitionen gut durchrechnen – purpose driven – nennt Heuer dies, also ein Gespür zu entwickeln, was ich vielleicht auch künftig für Umsätze mit meiner Ladeinfrastruktur erwirtschaften kann. Der Türöffner hierfür heißt Bidirektionalität, also das Entnehmen und wieder Einspeisen von Strom in und aus den Autobatterien ins Stromnetz.
Der Fuhrpark wird dabei zum Stromhändler. Der Ansatz heißt dabei aber nicht: Wie verkaufe ich den Strom möglichst teuer? Denn das ist laut Heuer ein viel zu kleiner Hebel im Reich der Elektromobilität. Vielmehr kann jeder Partizipant durchaus eigene Produkte kreieren, die aus einem nötigen Invest einen ertragreichen Nebenerwerb machen kann. Beispiele gefällig?
Handelsketten etwa haben das Potenzial bereits erkannt. Wenn Kunden auf deren Parkplätzen stehen und ihr Auto laden, während sie einkaufen. In der Fläche gibt es diese Variante aber noch nicht, da es in der Regel ein Zuschussgeschäft ist. "Einige Retailer beweisen aber, dass das Betreiben einer öffentlichen Ladeinfrastruktur rentabel sein kann. Dies funktioniert wie die Vielfliegerprogramme: mit dem Laden als Bestandteil des Alltags Kundenloyalität erzeugen. Für ein flächendeckendes Geschäft braucht es allerdings eine Balance aus frequentierten Standorten und verfügbaren, verlässlichen Ladesäulen, die die Stammnutzer erkennen." Das wissen alle Shells oder EnBws genau.
Doch wie kann EcoG dabei helfen? Die Münchner wollen für mehr Transparenz sorgen und aufzeigen, wie zuverlässig die aktuellen Ladesäulen und E-Autos zusammen agieren. Bevor Heuer sein Tech-Unternehmen EcoG gründete, war er lange im Telekommunikationsbereich aktiv. Aus dem Segment entlehnt er auch ein Beispiel, um die Marktchancen zu verdeutlichen: Die Telefonanbieter haben ihre Netze aufgebaut, um anfangs Telefonie zu verkaufen. Mittlerweile verdient man natürlich deutlich mehr mit anderen Diensten, aber die Basis war die Infrastruktur.
Das gilt auch für die E-Mobilität. Allerdings sind die Wachstumsfaktoren zwischen der Anzahl an E-Autos und der Anzahl der Ladesäulen unterschiedlich hoch. „"Wenn wir beim E-Auto von einem Wachstum um Faktor zwei bis vier ausgehen, liegt dieser bei der Ladeinfrastruktur gut ein- bis zweieinhalb Punkte niedriger", betont Heuer. Solange das E-Auto an der vorhandenen Säule auch laden kann, ist das in der Regel auch kein Problem. Wie es hier um die Zuverlässigkeit bestellt ist, ermittelt EcoG mit einem eigenen Index zur Ladezuverlässigkeit. Das Prinzip kennen wir bereits von P3 (einen Bericht finden Sie hier), die den unterschiedlichen Ladekurven nachgehen und ihre Erkenntnisse publik machen. Nicht, um jemanden anzuschwärzen, sondern um Transparenz in die Abläufe zu bringen, und diese sind beim von außen betrachtet simplen Anstecken des Ladekabels recht komplex.
Erkenntnisse des Charging Reliability Index
Das böse Wort der Schnittstelle fällt in diesem Zusammenhang. Denn jeder Übergang von einem auf den anderen Bereich, Anbieter oder Verantwortlichen schafft Potenzial für Störungen. Das zeigt eine Grafik, welche aus den zum Jahresanfang veröffentlichten Ergebnissen des Konsortiums "Wirkkette Laden" stammt. EcoG war Teil des vom Verkehrsministerium geförderten Projektes.
Am Ende des Projekts stand nun die Idee, den eigenen Index zu erstellen. Dafür wurden 13 verschiedene Tests durchgeführt, die die Zuverlässigkeit der Ladeschnittstelle am Fahrzeug bewerten. In den drei Kategorien Ladebeginn, Ladevorgang und Benutzerkommunikation sowie Fehlervermeidung wurden die Ladeschnittstellen von zehn E-Fahrzeugplattformen verschiedener Marken geprüft.
Die zentralen Erkenntnisse des EcoG Charging Reliability Index (CRI) lauten:
- Die Zuverlässigkeit (CRI), mit dem Auto wirklich laden zu können, variierte von 37 Prozent bis 100 Prozent, im Durchschnitt konnte ein Index von 68 Prozent festgestellt werden.
- Zwei von zehn getesteten E-Fahrzeugplattformen weisen eine störanfällige Ladesteuerung auf, die zu häufigen, zufälligen Ladeabbrüchen führt.
- Die Testergebnisse zeigen, dass fünf von zehn Fahrzeugen dem Endnutzer nicht mitteilen, ob der Stecker richtig verriegelt ist oder nicht. Damit bestehen bei 50 Prozent der getesteten Fahrzeuge für den Nutzer Kommunikationsschwierigkeiten und Unklarheiten.
Wenn es hakt, liegt es laut Heuer in der Hälfte der Fälle an administrativen Problemen, die sich per Anruf oder per Chatfunktion schnell lösen lassen. Bei einem Viertel lagen die Probleme aber im technischen Bereich. Hochgerechnet auf alle Ladevorgänge in Deutschland wären das sechs Prozent, bei denen der Stromer oder das Phev nicht lädt, obwohl der Stecker gesteckt ist. “Nichts ist schlimmer, als ein leer gefahrenes E-Auto, das sich nicht mit der Ladestation verbinden lässt. Daher ist ein messbarer Index, an dem sich Autohersteller und Autokäufer orientieren können, notwendig”, erklärt der CEO. Ähnlich wie es P3 mit den Ladekurven praktiziert, will EcoG den Blick auf die Zuverlässigkeit der DC-Lader im Land lenken, um die Ausfallzeiten gering und die Akzeptanz hoch zu halten und zwar für alle Marktteilnehmer auf der Spielwiese namens Elektromobilität.
"Der Zuverlässigkeitsindex fungiert wie ein Testbericht – transparent, konkret und messbar. Dies ermöglicht es den E-Auto-Fahrern, die Qualität des Elektroautos hinsichtlich der Ladeschnittstelle nachzuvollziehen. Mit dem EcoG CRI wollen wir Transparenz für Hersteller und Nutzer schaffen und damit die Lade-Angst reduzieren, wie dies bei der Reichweitenangst bereits gelungen ist. Gemeinsam mit den Autoherstellern möchten wir daran arbeiten, den Standard zu erhöhen und so von 68 Prozent auf die üblichen 99 Prozent zu gelangen", betont Heuer und wirbt damit für: die Zuverlässigkeit.