_ Mit der Übernahme von Athlon Car Lease durch Daimler Financial Services nimmt die Marktkonzentration weiter zu. Mit welchen Folgen für die freien Leasinggeber?
Harald Frings: Angesichts der überschaubaren Größe von Athlon Car Lease in Deutschland gehen wir nicht von einer erheblichen Marktveränderung im Inland aus. Die Übernahme ist daher vermutlich eher ein strategischer Schritt der Captive auf europäischer Ebene.
_ Im vergangenen Jahr haben Sie erste Bremsspuren beim Bestellverhalten Ihrer Kunden für Modelle aus dem VW-Konzern beobachtet. Wie sieht es denn auf der Restwerte-Front aus?
Michael Velte: Die unabhängigen Leasinggesellschaften haben für die betreffenden Fahrzeuge mit einem Alter von durchschnittlich 40 Monaten und Gesamtlaufleistungen von 125.000 Kilometern im Vergleich zu den Ergebnissen vor der Abgas-Krise Verluste in der Verwertung erlitten.
Die gegenteiligen Aussagen der unabhängigen Marktbeobachter wie Schwacke beziehen sich jedoch im Wesentlichen auf Fahrzeuge, die deutlich jünger sind und erheblich geringere Laufleistungen aufweisen. Diese Fahrzeug-Gruppe wurde außerdem durch Sonderaktionen seitens der Hersteller enorm unterstützt. Insofern entsteht eben ein sehr differenziertes Bild.
_ Sind die Verluste bezifferbar?
M. Velte: Die Vermarktung dieser Modelle wird uns noch bis Ende 2017 begleiten. Bis dahin haben die im VMF - Verband markenunabhängiger Fuhrparkmanagementgesellschaften - enthaltenen Non-Captives im Vergleich zu den kalkulierten Restwerten vor der Abgas-Affäre deutliche Verluste zu verzeichnen. Da wir uns in einem laufenden Verfahren mit noch möglichen Schadensersatzforderungen befinden, möchte ich dies an der Stelle nicht weiter quantifizieren. Obendrein tragen wir zusätzliche Risiken aus der Gewährleistung im Remarketing, da wir die Fahrzeuge, bei denen bis jetzt noch keine Instandsetzung stattgefunden hat, alle unter Verweis auf den Mangel an privat und gewerblich verkaufen.
_ Und abgesehen von VW-Modellen - wie sieht es für die Restwerte generell aus?
M. Velte: Die Restwerte werden sich unserer Einschätzung nach in diesem Jahr seitwärts entwickeln oder etwas unter Druck geraten. Für eine positive Prognose fehlt aktuell die Fantasie. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Europa lassen keine andere Deutung zu.
_ Wie sehen Sie den Hype um Elektrofahrzeuge? Nehmen Autos mit Stromantrieb in Fuhrparks Fahrt auf?
M. Velte: Derzeit ist kaum Nachfrage vorhanden. Ich sehe aber zwei wesentliche Entwicklungen. Erstens - auch wenn es grotesk klingen mag -: der Diesel wird sich nach jetzigem Stand stabilisieren, weil die EU-Normen im Flotten-Mix gerade ab 2023 so eng sind, dass diese mit Benzinmotoren kaum zu erreichen sind. Der Diesel kann mit der entsprechenden Technologie, unter anderem mit Adblue-Technologie, immer noch sauberer arbeiten als ein Benziner. Zweitens: Um den geforderten Flottendurchschnitt zu erreichen, müssen zwingend mehr Fahrzeuge mit alternativen Antrieben wie Hybrid- und E-Motoren auf die Straße.
H. Frings: In den kommenden Jahren werden die E-Autos zudem ihre Reichweite bei gleichem oder günstigerem Anschaffungspreis deutlich steigern. Analog den Entwicklungen in der IT-Branche werden dann auch Technik und Leasingraten kalkulierbarer sein. Für die Kunden entsteht wiederum eine ganz andere Flexibilität, wenn die Reichweite auf dann beispielsweise 500 Kilometer ausgedehnt wird. Deshalb sprechen die alternativen Antriebe trotz Unterstützung gegenwärtig nur einen begrenzten Nutzerkreis an.
In den nächsten fünf Jahren wird sicher ein langsames Wachstum eintreten und auf längere Sicht zunehmen. Der Wandel kommt und wird mit Ausbau der Infrastruktur progressiv sein. Die Mineralölkonzerne denken ja auch bereits um und rüsten ihre Stationen zur Ladung von E-Fahrzeugen auf.
_ Feilen Sie aktuell an Neuerungen oder Projekten beziehungsweise sind solche in naher Zukunft geplant?
H. Frings: In den kommenden Monaten rollen wir unseren webbasierten Car-Konfigurator aus. Dieser wird auf die jeweiligen Kunden zugeschnitten und das jeweils komplette kundenspezifische Rahmenwerk enthalten. Bis Ende 2017 wollen wir so rund 150 Kunden individuell abbilden.
Zur Verbesserung der Kundenberatung sowie der Wertschöpfung des Flottenbestandes erweitern wir auch unser Consulting-Team. Ferner investieren wir deutlich in den Vertriebskanal mit den Sparkassen. Hierbei unterstützen wir die Kundenbetreuer aus angrenzenden Geschäftsfeldern mit Informationen aus dem Flottengeschäft. So wollen wir die Marktdurchdringung bei den Sparkassenkunden erhöhen.
_ Herr Velte, Herr Frings, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Annemarie Schneider
- Ausgabe 01/02/2017 Seite 56 (158.6 KB, PDF)