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Autonomes Fahren: In fremden Händen

11.07.2023 05:17 Uhr | Lesezeit: 4 min
Janari gehört zu den Profis im Elmo-Team und erklärt uns die Fahrweise auf dem Tele-Chauffeure-Platz
Unter Anweisung von Janari bekommen wir ein Gefühl davon, wie man ein Fahrzeug fernsteuert. In Estland ist das heute schon im Straßenverkehr Alltag
© Foto: Michael Blumenstein/Autoflotte

Telegesteuerte Fahrdienste sind keine Science-Fiction. Das zeigt unser Selbstversuch mit dem estnischen Pionier Elmo, der in Deutschland helfen will, ein entscheidendes Mobilitätsproblem zu lösen.

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Die Mobilitätswende krankt an vielem – wie beim Blick auf die CO2-Bilanz des Verkehrssektors deutlich wird. Ein wesentlicher Punkt für die nötigen Veränderungen beim Individualverkehr ist die Ehrlichkeit, dass "Stadt" und "Land" unterschiedliche Konzepte brauchen, um Akzeptanz beim Nutzer, Dienstwagenfahrer oder Bürger zu erfahren, damit jeder beim Wandel mitmachen kann. Unter dieser Prämisse versteht man, dass sich etwa Carsharer in der Stadt immer noch schwer tut, aber um die ländlichen Gebiete eine großen Bogen machen. Es rechnet sich für sie einfach nicht.

STEP Mobility geht einen anderen Weg. Das Business-Ridesharing-Unternehmen organisiert Fahrgemeinschaften für den Weg zur Arbeit. Gründer und CEO Bernhard Edmaier verfügt über ein Netzwerk an Firmen und Gemeinden, welche diese Art der Mobilität mit B2RIDE praktizieren, und er bringt diese nun mit einer neuen Idee in Kontakt: dem Remote-Carsharing. Hier kommt nun das estnische Start-up namens Elmo ins Spiel.

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Elmo ist eine etablierte Marke im kleinsten der drei baltischen Staaten. Seit 2013 hilft Elmo beim Teilen von Autos, also der "Shared Mobility". 140 Autos sind in der Flotte und bewegen laut Elmo gut 20.000 Kunden. Vor fünf Jahren übernahm Enn Laansoo Jr. die Geschäfte und erdachte zwei Jahre später das Remote-Konzept, das seitdem in Estland schon praktiziert wird. In der estnischen Hauptstadt Tallinn sucht deshalb ein Teil der Carsharing-Nutzer nicht das Auto, sondern das Auto sucht (und findet) seinen Fahrgast.

Im angepassten City-Tempo (bis 35 km/h) rollt das Elektroauto ohne Insassen durch die Straßen, denn das Auto wird hier telegesteuert. Der Fahrer des umgebauten Nissan Leaf sitzt weit entfernt vor einem Cockpit aus mehreren Bildschirmen und steuert das Auto per Lenkrad und Pedalerie. Autos vom Typ Nissan Leaf sind die ersten Autos, in denen Elmo die Technologie installiert hat. Die Technologie zur Fernsteuerung von Fahrzeugen kann bei allen Fahrzeugen mit Automatikgetriebe und vorzugsweise bei Elektrofahrzeugen installiert werden. Elmo ist bereit, jedes Elektrofahrzeug entsprechend den Kundenanforderungen nachzurüsten.



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Remote-Carsharing gibt es also bereits, aber es hat auch seine Tücken. Ortskenntnis hilft hier ebenso wie das angeleitete Training am Simulator, damit die Fahrt mit den virtuellen Fahreindrücken nicht im Schneckentempo passiert und zum Ärgernis für alle anderen wird.

An dieser Stelle sollte noch einmal auf den Unterschied zum autonomen Fahren hingewiesen werden. Das ist das Ziel zahlreicher Autohersteller und passiert auf einem fünfstufigen Entwicklungspfad, wovon aktuell die Stufe 3 schon Fahr-Realität geworden ist. Das Prinzip des telegesteuerten Autos, wie im Fall von Elmo oder beim Anbieter Vay, der in Hamburg aktiv ist, ist bewusst weniger Science-Fiction, auch wenn es sich zunächst so anfühlt, wenn man - wie wir von der Autoflotte - bei einer Testfahrt auf einem Privatgelände in Oberpfaffenhofen ein paar Runden mit dem estnischen Nissan Leaf drehen darf.

Wir durften an die Pedalerie und ans Steuer des Autos, was beides mobil in einem Transporter aufgebaut war. Den Blick auf mehrere Bildschirme gerichtet, die eine 360-Grad-Übersicht bieten, welche sich aus den Bildern von sechs Kameras am Stromer speisen. Schnell werden dabei die Stärken und Schwächen der aktuellen Technik spürbar.

Vor fünf Jahren übernahm Enn Laansoo Jr. die Geschäfte und 
erdachte zwei Jahre später das Remote-Konzept, das seitdem in Estland schon 
praktiziert wird
Seit 2013 hilft Elmo beim Teilen von Autos. 140 Autos sind in der Flotte und bewegen laut Elmo gut 20.000 Kunden. Vor fünf Jahren übernahm Enn Laansoo Jr. das Geschäft und entwickelt es fortan weiter
© Foto: Michael Blumenstein/Autoflotte

Autonomes Fahren: Datenströme laufen parallel

Ist es beispielsweise sehr sonnig, wie an jenem Tag, dann erscheint der Untergrund wenig kontrastreich, und es braucht eine gewisse Ortskenntnis, um wirklich den Asphalt von Schotter zu unterscheiden. Die Verzögerung des virtuellen Lenkeingriffs ist bei sehr niedriger Geschwindigkeit allerdings kein Problem, das Wechseln der Schaltstufen (P, R, D) des Automatikgetriebes klappt ebenfalls flüssig. Zumindest solange die Funkverbindung steht. Hier arbeitet man – wie immer in der IT – redundant. Sprich: Es werden vier SIM-Karten parallel verwendet, um das stärkste Funksignal nutzen zu können. Sollten beide Provider (4-G-Netz) zu schwach sein, stoppt die Fahrt sofort. Die sensible Datenleitung teilt sich auf zwei Bandbreiten auf. Zwei SIM-Karten werden für die Videoübertragung genutzt, die anderen beiden für die Re-mote-Steuerung des Fahrzeugs selbst.

Deutlich routinierter, als wir es tun, agiert Janari. Er gehört zu den Profis im Elmo-Team der estnischen Tele-Chauffeure. Er erzählt, dass es gut zwei Wochen dauerte, bis er ein Gefühl für die Dimensionen des Autos und die Auswirkungen seiner Fernfahrbefehle entwickelte. Denn beim Steuern des Autos umfliegen einen ständig Fragen wie: Ist das Auto zu weit in der Mitte oder zu nah am Bordstein? Welcher Bildschirm bringt mir am schnellsten jenen Blick, der für eine sichere Fahrt für alle in der Umgebung sorgt? Wie gut ist die Sicht bei Regen, bei Schnee, bei Dunkelheit?

Nach weiteren zwei Monaten im Live-Einsatz, bei denen ein Back-up-Fahrer auf dem Fahrersitz Platz nahm und in Notsituationen manuell eingriff, war Janari einsatzfähig. Seine längsten Touren gingen seitdem gut 90 Minuten lang, was eine Menge Aufmerksamkeit erfordert, wie wir bereits nach zehn Minuten am virtuellen Steuer feststellen. Aber am Ende ist alles eine Frage der Übung.


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Autonomes Fahren: Lokale Partner einbinden

Wichtig ist dabei, dass der Bewegungsradius des telegesteuerten Fahrzeugs vorab genau erfasst und im Einsatz eingehalten wird. Da die Funknetzabdeckung sowie straßenbauliche Besonderheiten wie Tunnel (die das Mobilsignal stören) eine wesentliche Rolle spielen, wird vor dem Start des Dienstes der Aktionsradius der remoten Fahrzeuge genau definiert. "Das passiert in Absprache mit den lokalen und regionalen sowie überregionalen Behörden, die damit von Anfang an ins Projekt eingebunden sind", erklärt Edmaier. Deshalb erhält der Remote-Fahrer dann eine Art Geofencing-Gebiet für die Touren. "Am Anfang fährt allerdings immer ein Fahrer im ferngesteuerten Auto mit", betont der CEO von STEP Mobility, dem Partner von Elmo für Deutschland und Österreich. Die nötigen technischen Freigaben der Fahrzeuge soll der Tüv Süd erteilen.

Unser Nissan Leaf mit dem estnischen Kennzeichen, den wir in Oberbayern bewegen durften, wirkt recht normal, abgesehen von seiner Beklebung im Heck mit den zwei gelben Ausrufezeichen: Vorsicht, hier sitzt kein Fahrer am Lenkrad, sondern hier steuert ein Tele-Chauffeur, will man damit sagen und für Geduld bei den anderen Verkehrsteilnehmern werben. Auffällig sind die sechs Dachantennen im Heck des Leaf, die wie ein kleines CB-Funk-Sextett anmuten, aber die Verbindung zwischen Fahrzeug und Mensch darstellen. Sie sind die Lebensadern des Remote-Carsharings.

Die Technik bauen die Experten von Elmo selbst ein – und zwar so, dass sie rückstandslos wieder abgebaut werden kann. Die Kabel von den Antennen und den Extra-Kameras in den Seitenfenstern, den Außenspiegeln und im Heck führen alle in die Datenübertragungseinheit. Das ist eine rechteckige Box, die im Kofferraum verschwindet. Die Kosten für die gesamte Technik beziffert Enn Laansoo jr. auf gut zehn Prozent des Fahrzeugwerts.


Autonomes Fahren - Entwicklung

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Für B2B und B2C

Die Lösung von STEP Mobility und Elmo will Firmen in einem Landkreis zusammenbringen, um diese Art des modernen Autorufs in die Breite zu bringen, mit folgenden Anwendungsszenarien: Diese telegesteuerten Fahrzeuge werden von den Angestellten verschiedener regionaler Arbeitgeber für Dienstfahrten genutzt. Das leere Auto wird zum nächsten Nutzer gefahren. Abends stehen die Fahrzeuge als Mobilitätsgarantie für B2RIDE-Mitfahrer zur Verfügung. In der übrigen Zeit sowie an Wochenenden können die remoten Autos die Mobilitäts-Bedürfnisse der Anwohner der Gemeinde ebenso wie die von Ausflüglern oder Touristen decken. Für welchen Zweck das Auto dann genutzt wird, spielt also keine Rolle.

Aus dem ursprünglichen B2B- wird dann ein B2C-Produkt, das sich über die hohe Auslastung auch rechnet – anders als die meisten Carsharing-Angebote im ländlichen Raum. Neben Estland gibt es eine Lizenz für das finnische Helsinki. Was vor drei Jahren als Idee begann, ist mittlerweile ein Service, der von sieben remoten Fahrzeugen angeboten wird. Für die Kunden ist der Service derzeit kostenfrei.

Sie interessieren sich fürs autonome Fahren und wollen als fuhrparkverantwortliche Person in Ihrem Unternehmen wissen, was das für Sie in Zukunft bedeuten kann? Dann holen Sie sich hier das White Paper, über deren Inhalte wir bereits beim Autoflotte-Webinar Megatrends Fleet berichtet haben.

 

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