_ 20 Jahre DAD. Herr Kroschke, lassen Sie die Zeit doch einmal Revue passieren ...
Philipp Kroschke: Schon vor 20 Jahren hat sich unsere Familie Gedanken darüber gemacht, wie wir die Kroschke-Gruppe, zu der der DAD ja gehört, zusätzlich zum Schildergeschäft zukunftsorientiert aufstellen. Und da ist mein Vater im Zuge der Wettbewerbsanalyse schnell auf das Thema Großkundenzulassungen inklusive der Briefverwaltung und anderer Services gekommen. Wir haben schon damals die Digitalisierung der Großflottenzulassungen inklusive des Aufbaus entsprechender Portale vorangetrieben. Denn bis zu 1.000 Zulassungen am Tag können Sie analog nicht abwickeln.
_ Also ein früher Blick in Richtung Digitalisierung?
P. Kroschke: Ja, noch bevor das Wort Digitalisierung geprägt wurde. Im Grunde haben wir nach einer effizienten Lösung für ein konkretes Problem gesucht und da waren digitale Konzepte eben schon damals ein wichtiger Ansatz.
Mirko Dobberstein: Zu Beginn ging es um das Thema Automatisierung. Wir wollten Schnittstellen aufbauen und Prozesse optimieren. Das ist auch heute noch so, nur dass wir noch digitaler unterwegs sind. Das geht so weit, dass wir unsere Kunden aufgrund zielgerichteter Datenanalyse in vielen Prozessen bis hin zu Planungsprognosen und zum Fahrzeugverkauf unterstützen können.
_ Was sind derzeit die erfolgreichsten DAD-Produkte?
M. Dobberstein: Unsere Kerndienstleistungen sind ganz klassisch die Einsteuerung und die Aussteuerung, also die Zulassung und die Abmeldung von Fahrzeugen. Das können wir für die Flotten über unser einzigartiges Filialnetz deutschlandweit als ganzheitlichen Prozess anbieten.
Damit korrespondiert auch das Leistungsspektrum der Brief- und Zweitschlüsselverwaltung. Ein Thema, das in den letzten Jahren auch für Flotten immer wichtiger wurde, ist die Fahrzeugüberführung. Der Bedarf an dieser Logistikleistung nimmt zu. Wir werden unser Portfolio dort in Zukunft weiter ausbauen - sei es in Richtung Eigenachsoder Fremdachstransport. Eine weitere flottenrelevante Leistung ist unser digitales Strafzettelmanagement. Und ganz neu ist Easycheck - ein fälschungssicheres elektronisches Smartphone-Label zur ortsunabhängigen flexiblen Führerscheinkontrolle.
_ Was ist das Besondere an Easycheck?
M. Dobberstein: Easycheck ist eine digitale Signierung des Führerscheins, die die Überprüfung via Handy ermöglicht. Der Fahrer muss also keine Tankstelle mehr anfahren. Durch ein fälschungssicheres elektronisches Siegel lässt sich eindeutig feststellen, dass der Führerschein noch im Besitz des Fahrers ist.
P. Kroschke: Der besondere Vorteil ist, dass wir den Führerschein nicht mehr abfotografieren müssen. Das ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Punkt, Betrügereien und Fälschungen zu unterbinden. Außerdem greift Easycheck auf keine weiteren Daten zurück, Smartphone und Label korrespondieren ohne zusätzliche Datentransfers.
_ Welche Kernzielgruppen sprechen Sie im Flottenmarkt mit Ihren Leistungen an?
M. Dobberstein: Zu Beginn haben wir vor allem größere Firmenflotten angesprochen, mittlerweile sind aber auch kleine Flotten für uns sehr interessant. Das ist ein wahnsinnig spannender Markt für uns, den wir vor allem mit unseren "Software as a Service"-Lösungen bedienen.
_ Inwiefern differenzieren Sie Ihr Angebot nach Fuhrparkgröße?
M. Dobberstein: Die Differenzierung nach Fuhrparkgröße wird bei uns künftig eine noch größere Rolle spielen. Denn eines ist klar: Kleine Fuhrparks brauchen nicht die gleichen Management-Tools wie die großen Flotten.
_ Sie verweisen oft auf die Punkte "Analytics" und "Prognose". Was genau können wir uns darunter vorstellen?
M. Dobberstein: Da geht es konkret um zwei Themen: einmal um die Prozessnachverfolgung und die Nutzung und Auswertung der erhobenen Daten. Zum anderen geht es darum, aus der Datenanalyse heraus Prognosen zu erstellen, um die Steuerung der Prozesse zu optimieren.
Zum Beispiel können wir im Rahmen der Fahrzeugrückgabe die schwierige Aufgabe unterstützen, wann welche Gutachter wo vor Ort sein sollten. So können wir klare Handlungsempfehlungen geben und auf diese Art und Weise die Prozesse straffen und die Ergebnisse verbessern.
_ Welche Vorbereitungen beim Kunden sind dafür nötig?
M. Dobberstein: Damit wir zuverlässige Analysen und Prognosen stellen können, nehmen wir eine klassische Prozessanalyse beim Kunden vor. Darauf aufbauend machen wir dann Vorschläge, wie wir ihn unterstützen können und bauen Schnittstellen zu den Partnern des Kunden auf. Aus den aggregierten Daten können wir dann entsprechende Handlungsempfehlungen ableiten.
_ Seit Kurzem sind Sie aber auch im Bereich Telematik aktiv ...
M. Dobberstein: Über unsere Beteiligung am Schweizer Software-Unternehmen Spearhead haben wir Zugang zu einem einzigartigen Verfahren zur Bewertung von Unfalldaten.Wir haben einen ganz klaren Marktvorteil. Um das verständlich zu machen, muss ich ein bisschen ausholen. Die Telematikeinheit erkennt zunächst, dass ein Unfall stattgefunden hat. Aus den Crashdaten ermitteln wir den Einschlagwinkel, die Stärke der Krafteinwirkung und letztendlich die Schadenhöhe. Diese Berechnung erfolgt mit einer Genauigkeit, die der Arbeit eines Gutachters entspricht. Das alles funktioniert derzeit sehr zuverlässig bei Schadenhöhen bis ungefähr 7.500 Euro. Damit wird der gesamte Schadenmanagement-Prozess auf den Kopf gestellt. Die automatische Unfallmeldung, die direkte Bewertung des Schadens sowie die schnellen Reaktionsmöglichkeiten verkürzen den Prozess signifikant.
_ Beschränken Sie sich dabei auf den Datenversand an den Kunden oder greifen Sie auch darüber hinaus aktiv in das Schadenmanagement ein?
M. Dobberstein: Wir beraten den Kunden zwar beim Aufbau seiner Prozesskette, im konkreten Schadenfall stellen wir aber ausschließlich die Daten zur Verfügung.
_ Welche Rückmeldung erfahren Sie auf Ihr Telematikangebot? Gerade in Deutschland herrscht ja noch viel Skepsis, was diese Art von Technik angeht.
M. Dobberstein: Lassen Sie es mich so formulieren: Wir durchlaufen derzeit eine Anlaufkurve. Das Interesse ist da, aber ja, gerade mit Blick auf die neue Datenschutzgrundverordnung stellen die Kunden auch viele Fragen. Wir sehen jedoch, dass derzeit viele Telematik-Piloten an den Start gehen. Das Thema Telematik gewinnt an Fahrt. Wichtig ist dabei, dass der Kunde einen individuellen Nutzen aus dem Service ziehen kann.
P. Kroschke: Genau das ist unsere Zielsetzung. Wir sagen: Es reicht nicht, dem Kunden Daten zur Verfügung zu stellen. Nein, wir müssen ihm eine konkrete Hilfestellung anbieten. Genau das tun wir zusammen mit Spearhead. Wir testen das derzeit übrigens auch an unserer eigenen Flotte.
_ Welche Erfahrungen haben Sie damit bislang gemacht?
P. Kroschke: Bei unserer eigenen Flotte greifen wir ja nicht nur Schadendaten bei Unfällen ab, sondern haben mit "Mein Standort" ein Tool entwickelt, welches die Auswertung verschiedener Kennzahlen wie Verbräuche oder Streckennutzungen ermöglicht. Und tatsächlich sehen wir einen Trend zum ökonomischeren Fahren. Auch die Zahl der Bagatellschäden hat sich seit Beginn der Testphase deutlich reduziert. Die Fahrer agieren vorsichtiger und vorausschauender, wenn sie wissen, dass ihr Verhalten nachvollziehbar ist.
_ Mit Kroschke Digital haben Sie ein Startup ins Leben gerufen, das Sie weiter fit machen soll für die Zukunft. Was ist aus dieser Einheit zu erwarten?
P. Kroschke: Kroschke Digital ist als Future Lab dafür verantwortlich, für alle unsere Geschäftseinheiten visionäre Ideen in praxisnahe Projekte und Produkte zu formen. Ein wichtiges Thema ist dabei die Forcierung der volldigitalen Zulassung. Dieses Thema wollen wir stärker platzieren und eine Vorreiterrolle einnehmen.
_ Wird es langfristig also so weit kommen, dass Autos ohne Blechschilder herumfahren?
P. Kroschke: Nein, das möchte ich mir nicht vorstellen. Mein Idealbild ist ein Hybridkennzeichen, welches die Vorteile der geprägten Schilder, nämlich die schnelle Sichterkennung und die schwierige Zerstörbarkeit, mit denen der E-Ink-, also der volldigitalen Schilder verknüpft. Dann nämlich könnte man individuelle Informationen wie Steuer- und Versicherungsdaten oder Angaben, ob das Auto gestohlen ist, kombinieren.
_ Werden Sie auch das Thema Internationalisierung weiter forcieren?
M. Dobberstein: Auf jeden Fall. Wir sind mit Zulassung, Abmeldung und Logistik zwar schon heute europaweit aktiv. Aktuell arbeiten wir aber noch mit externen Partnern zusammen. In Zukunft werden wir europaweit vermehrt eigene Standorte haben.
_ Herr Kroschke, Herr Dobberstein, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian Frederik Merten
Im Detail - DAD Deutscher Auto Dienst
Aktuell nutzen bei 274 Großkunden rund 7.000 aktive User die DAD-Kundenportale. Über die Portale lassen sich 1.500 individuelle Anwendungen steuern, dazu hat der DAD über 500 Schnittstellen zum Datenaustausch mit den Kunden implementiert. In den 20 Jahren seines Bestehens hat das Unternehmen:- 2,7 Millionen Zulassungen abgewickelt, hauptsächlich für Autovermieter und die Leasinggesellschaften- 3 Millionen Abmeldungen durchgeführt- 60 Millionen Überführungskilometer auf eigener Achse absolviert und- 18,2 Millionen Fahrzeugbriefe sowie- 3,6 Millionen Zweitschlüssel eingelagert
- Ausgabe 08/2018 Seite 40 (119.0 KB, PDF)