Die Rolle des elektrifizierten Preiswunders teilt sich der kleine Spanier mit Skoda Citigo E und VW e-Up, die ebenfalls im slowakischen Bratislava gefertigt werden. Genau genommen ist der Mii damit also weder Spanier noch Katalane, sondern viel schöner: Europäer.
Der Elektroflitzer eignet sich hervorragend für verdeckte Ermittler: flüsterleise unterwegs, aber bloß nicht auffallen. Anders als der Renault Zoe, der von Grund auf als Elektroauto entwickelt wurde, kommt der 3,56 Meter kurze Mii electric lediglich als neue Antriebsvariante eines bereits bekannten Modells. Änderungen am Außendesign haben sich die Spanier gespart: Ein "electric"-Schriftzug am Heck, "electric"-Aufkleber an den Seiten, graue 16-Zoll-Aluräder für die Plus-Ausstattungsvariante - das war's.
Keine komplette Neuentwicklung
LED-Technologie gibt's nur für die kleinen Tagfahrlichter in der Frontschürze, wo früher runde Nebelscheinwerfer saßen. Dass der Mii keine komplette Neuentwicklung ist, zeigt sich allerdings nicht nur an seinen Halogen-Scheinwerfern. Auch ein konventioneller Handbremshebel und ein ebensolcher Zündschlüssel zählen zu seinen serienmäßigen Merkmalen - und tun gut. Denn gegen die bewährte Technik ist kaum etwas einzuwenden. Verwunderlich ist hingegen, dass auch gegen Aufpreis weiterhin kein Navi erhältlich ist. Stattdessen muss das eigene Smartphone über eine Universalhalterung mit der Armaturentafel vereint und dann via USB-Kabel verbunden werden. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Funktionen der Seat-App etwas vielfältiger und leichter zu bedienen wären. Gerade das Aufspüren freier Ladesäulen entlang der Route sollte in einem Elektroauto ein Kinderspiel sein. Im Mii empfiehlt es sich, für die Recherche einen sicheren Parkplatz anzufahren und das Smartphone in die Hand zu nehmen.
Auf den Bordcomputer ist Verlass
Wer unterwegs auf Online-Informationen verzichten kann, ist keinesfalls verloren. Denn die Reichweitenanzeige des Bordcomputers zählt zu den zuverlässigsten ihrer Art. Sie arbeitet präzise und berücksichtigt den Fahrstil, der zuvor an den Tag gelegt wurde. So erschienen während unseres Tests bei vollständig geladenem Akku zwischen 204 und 208 Kilometer auf dem kleinen Display unterm Tacho. Bei einer anderthalbstündigen Etappe ins Mittelgebirge überstieg der angezeigte Stromverbrauch (16 kWh/100 km) den angegebenen WLTP-Normverbrauch (14,9 kWh/100 km) recht deutlich. Auf dem Rückweg mit einigem Gefälle lag er mit 14,3 kWh/100 km sogar unterhalb der Norm. Legt man den Mittelwert der beiden Messungen zu Grunde und geht von durchschnittlich 15 kWh/100 km aus, reicht der Strom tatsächlich für etwas mehr als 200 Kilometer. Damit lässt sich arbeiten: Die durchschnittlich 35 Kilometer, die ein Pendler jeden Tag zur Arbeit und zurückfährt, schafft der Mii electric mehr als fünf Mal nacheinander - ohne Nachladen. Auch Pflegedienste dürften damit entspannt durch einen oder auch mehrere Tage kommen. Wer ab und an mal eine längere Etappe fahren muss oder möchte, sollte sich die CSS-Ladedose zum Aufpreis von 504 Euro gönnen. An den Schnellladern kann an öffentlichen Ladesäulen Gleichstrom mit maximal 40 kW Ladelesitung geladen werden. Das füllt einen leeren Akku in einer Stunde wieder zu 80 Prozent.
Auch über Land flott unterwegs
Der E-Antrieb setzt sich aus Elektromotor, Leistungselektronik und Lithium-Ionen-Akku zusammen, wobei der Stromspeicher aus 168 Pouch-Zellen besteht, von denen je zwölf zu einem Modul zusammengefasst sind. Die 14 Module bilden zwei Blöcke - einen flachen langen unter den Vordersitzen und einen kurzen hohen unter der Rücksitzbank. Das komplette Akku-System wiegt 248 Kilogramm. Gut für Schwerpunkt und Raumangebot: Der platzsparend im Unterboden untergebrachte Stromspeicher schränkt das Gepäckfach nicht ein.
Während der VW e-Up der ersten Generation (2013-2019) mit einer nutzbaren Batterie-Kapazität von 16,4 Kilowattstunden (kWh) auskommen musste, kann die elektrische Dreierbande des Jahres 2020 auf 32,3 kWh Energieinhalt zurückgreifen. Die kleine E-Maschine unter der Stummelhaube gibt eine Dauerleistung von 54 PS ab und kann bei Bedarf durch einen Kick-Down kurzzeitig 83 PS freisetzen. 212 Newtonmeter Drehmoment stehen aus dem Stand zur Verfügung. Für flottes Mitschwimmen in der City ist das mehr als genug, und auch über Land macht der Mii viel Freude. Positiv überraschen kann der neue Spurhalteassistent, der ab Tempo 65 km/h verhindert, dass der Kleine unbeabsichtigt von der Fahrbahn abkommt.
Hinterm Lenkrad kommt keine Langeweile auf. Die Rekuperationsstärke des Elektromotors kann in nicht weniger als fünf Stufen an die jeweilige Fahrsituation und die Vorlieben des Fahrers angepasst werden. In den höheren Stufen verzögert der Mii electric im Schubbetrieb so stark, dass er sich mit etwas Übung im fließenden Verkehr fast mit Fahrpedal alleine fahren lässt.
Die Aktivierung eines der beiden Eco-Fahrprofile dürfte im Alltag nur für Sparfüchse und Puristen - oder aber im Notfall auf den letzten Kilometern zur nächsten Ladesäule - in Frage kommen. Im Modus "Eco" verringern sich die Motorleistung (kein Kick-Down möglich), das Drehmoment (167 Nm) und die Höchstgeschwindigkeit (115 km/h). Noch drastischer drückt "Eco+" auf die Bremse - mit 54 PS Leistung, 133 Nm Drehmoment und 90 km/h Spitze. In beiden Programmen wird die Klimaanlage automatisch deaktiviert.
Nicht billig, dafür günstig
Mit der Markteinführung der elektrischen Version hat Seat den Verkauf der benzin- und erdgasbetriebenen Modelle eingestellt. Damit verdoppelt sich der Basispreis von bisher knapp 8.500 Euro (netto) auf jetzt mindestens 17.350 Euro. Wer die Umweltprämie in Anspruch nimmt, spart etwas mehr als 6.000 Euro und der Fahrzeugpreis des Mii electric reduziert sich auf Kleinwagen-Niveau. Dienstwagenfahrer profitieren noch deutlicher, reduziert sich der zu versteuernde Fahrzeugwert auf ¼ und belastet das Privatkonto kaum.
Für das Geld gibt es einen 3,56 Meter langen, geräumigen Viertürer und das gute Gefühl, ohne Auspuff-Abgase unterwegs zu sein. Nicht vergessen: Wer keinen regenerativ erzeugten Strom durchs Ladekabel lässt, erhöht seinen CO2-Fußabdruck um 60 Gramm pro Kilometer (deutscher Strommix). Aktuell ist jedoch sowohl der Seat Mii electric als auch der VW e-Up für das Jahr 2020 ausverkauft. Lediglich Skoda sagt, dass der der Citigo-e noch zu haben sei - nur noch als Topversion.
Von Autoflotte getestet
+-> angenehmes Fahrgefühl-> überschaubare Kosten-> einfache Technik--> für 2020 bereits ausverkauft-> unausgereifte Seat-App-> Kopfstützen nicht verstellbar
Seat Mii electric
Preis: ab 17.350 EuroPermanenterregter Synchronmotor Maximalleistung 61 kW/83 PS | 212 Nm 130 km/h | 12,3 s | WLTP 14,9 kWh/100 km | 0 g/km Reichweite: 251 km Luftgekühlter Lithium-Ionen-Akku 307 Volt | 32,3 kWh | 248 kg 3.556 x 1.645 x 1.481 mm 251 - 923 LiterHK: 15 | VK: 15 | TK: 15Wartung: 30.000 km/2 JahreGarantie: 2 Jahre/8 Jahre (Akku)/ 160.000 kmAlle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer
- Ausgabe 05/06/2020 Seite 54 (465.1 KB, PDF)