Den ersten Kontakt zu Volker Buttermann gab es vor einem guten Jahr, damals ebnete Alphabet seine "Road to Sustainability" und führte Infineon als Beispiel an. In der damaligen Runde war der Fuhrparkverantwortliche nur virtuell zugeschaltet. Heute sitzt er vor uns und erklärt, dass er eigentlich für den indirekten Einkauf beim Dax-Unternehmen Infineon zuständig ist, die Mobilitätsfragen aber schon seit vielen Jahren zur Arbeit seines Teams dazugehören. Bei Konzernen ist dies nicht unüblich, denn die Anschaffung von mobilen und immobilen Gütern geht schnell in die Millionen, sodass vor allem ein Einkäufer gefragt ist.
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Die Mobilität der allein in Deutschland fast 12.000 Mitarbeiter steuert also die Fachabteilung Mobility Services. Hinsichtlich des Fuhrparks passt die Strategie dieses Bereichs zur übergeordneten Firmenstrategie, denn etwa die Hälfte der produzierten Infineon-Chips wird von der Autoindustrie abgenommen und bereits seit Jahren unterstützt man den Wandel zur E-Mobilität.
In der großmarkthallengroßen Tiefgarage, welche den Infineon Campus südlich von München komplett unterkellert, stehen insofern auch jede Menge Stromer, deren elektronische Grundbausteine durchaus eine Etage höher entwickelt sein könnten. So ist man Teil des Produktes, welches das Fuhrparkmanagement bestellt. Auch die Ladeboxen verdanken ihre hohe Effizienz Infineon-Chips, wie alles, wo Strom drin ist.
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Die wichtige Komponente Strom, welche in die Teilzeit- und Vollzeitstromer über Leitungen und Wallboxen fließt, steuert der Partner The Mobility House über das intelligente Lade- und Energiemanagement-System Charge Pilot ein. Aufgrund der Nähe zur Autoindustrie hallt der Begriff der Elektromobilität seit langer Zeit durch die Produktionshallen des Chipbauers. Was den nicht unwichtigen Nebenaspekt hat, dass die Mitarbeiter generell sehr offen für die neuen Antriebe sind. Interesse wecken für das Steckerauto musste das Team von Buttermann nicht. Die nötige Mitarbeitermotivation ist auf dem Weg zur Elektrifizierung des Fuhrparks allerdings nur die erste Hürde, die nötige Ladeinfrastruktur ist die nächste.
Am Standort in München/Neubiberg sind aktuell gut 100 Wallboxen mit jeweils zwei 22-kW-Ladepunkten zu finden, an denen Mitarbeiter, Dienstwagenfahrer oder Gäste laden können. Nicht kostenlos, sondern zu unterschiedlichen Tarifen, die über einen Token (einen Chip) abgerechnet werden. Dieser Token berechtigt zudem an den weiteren Infineon-Standorten in Deutschland zum Strombezug. Die Umrüstung der Tiefgarage begann im August 2019.
Da die Wallboxen ein wenig verstreut und die Versorgungskabel auch für künftige Ladepunkte reichen sollten, wuchs der Durchmesser der Stromleitungen auf ein solches Maß an, das am Ende das Verlegen zum Teamevent wurde. „Dabei haben wir allerdings schon deutlich mehr Kabel gelegt, als wir für die ersten beiden Installationswellen mit 100 Wallboxen benötigten”, berichtet Sebastian Karrer, Leiter Key-Account-Management bei The Mobility House. Die gezogenen Kreisläufe hängen an nicht weniger als neun Unterverteilungen, was die Dimension des Ganzen beschreibt. Alle verfügen über ein dynamisches Lastmanagement, um Spannungsspitzen zu glätten.
Flexible Partnerschaften bei Infineon
"Wir übernehmen auch die komplette Abrechnung für das Laden in der Firma und bei den Mitarbeitern", berichtet Karrer weiter. Für unterwegs und das Laden im öffentlichen Raum gibt es eine Ladekarte für alle Nutzer eines Firmenwagens. Infineon fährt hier also zweigleisig, was Karrer begrüßt. Ein zu festes Binden an nur einen Ladekartenanbieter verbaue einem die leichte Wechselmöglichkeit in einem sehr dynamischen Marktumfeld. Die @home-Wallbox erhalten die Infineon-Dienstwagenfahrer per Klick aus dem Online-Store des Dienstleisters, der bei Bedarf auch den Techniker stellt. Karrer verweist hier auf einen wichtigen Punkt: „Wer ein zusätzliches E-Fahrzeug an dieser privaten Wallbox laden möchte, kann das tun. Der Ladestrom für den privaten E-Pkw wird dann nicht abgerechnet.”
Beim Aufbau der Ladeinfrastruktur ist wie im Fall von Infineon in der Regel das Facility-Management operativ dabei und kümmert sich wahlweise auch um die jährlichen Prüfungspflichten der Anlagen. Laut dem Experten kauft der Flottenbetreiber zum Großteil die Ladeinfrastruktur und schreibt diese über acht Jahre ab. Laut dem Profi sind mittlerweile die Lade-Hardware sowie die Daten-Protokolle zwischen dem Ladepunkt und dem E-Auto so weit standardisiert, dass es selten Ausfälle gibt, was beim Unterwegsladen nicht immer der Fall ist. Als immer noch herausfordernd bezeichnet Karrer bisweilen die Gespräche mit den Netzbetreibern sowie das Beantragen von Förderungen. Mal ist der Aufwand gering, woanders ist er hoch. Das alles gehört zum neuen Spielfeld namens Elektromobilität einfach dazu. Für die Firmen bringt der Wechsel vom Verbrenner auf den E-Motor neue Prozesse und in der Regel auch neue Lieferanten mit sich. Diese externen wie internen Veränderungen zu organisieren, ist die Hauptaufgabe der Fuhrparkverantwortlichen wie Volker Buttermann.
Der PHEV hat es schwer
Der gebürtige Münchner begann 2003 beim Chipbauer, ging dann nach Singapur und kam nach vier Jahren wieder zurück. Nach zwei externen Karriereschritten folgten 2014 das zweite Comeback und der Sprung in den indirekten Einkauf samt den Mobility-Services. Auch die Dienstreisen fallen hier hinein, sodass sich zum Flotten- auch das Reisemanagement gesellt. Neben der Zentrale in München/Neubiberg gibt es ein Team in Porto sowie lokale Ansprechpartner in den großen Märkten, die sich europaweit bei den Fuhrparkthemen abstimmen. Außerhalb Europas spielt der Firmenwagen bei Infineon eine untergeordnete Rolle. So bedeutet „Flotte” im Infineon-Netzwerk in erster Linie Deutschland. Von den weltweit etwa 900 Dienstwagen haben rund 700 ein D-Kennzeichen. Das „E“ am Ende tragen allerdings heute noch bei Weitem nicht alle Fahrzeuge.
Hier spielt das Nutzerprofil die entscheidende Rolle. Im sogenannten „Benefit Car-Umfeld“, der ersten Säule des Fuhrparks, sind Stromer schon sehr gefragt, bei den Vertrieblern und in der Funktionsflotte (die Säule zwei) ist die E-Durchdringung noch weniger stark ausgeprägt. Als dritte Fuhrparksäule stehen die Bruttogehalts-Umwandler in der Tiefgarage, also Firmenfahrzeuge von Mitarbeitern, die sich diese für den Privatgebrauch aus ihrem Bruttogehalt finanzieren. Für alle drei Kategorien von Firmenwagen gelten CO2-Obergrenzen, wobei im Frühjahr 2022 für eine Fahrzeugkategorie die Schrauben besonders deutlich angezogen wurden: für die Plug-in-Hybride (PHEV). Wer einen PHEV fahren möchte, muss eine Wallbox zu Hause nachweisen. Zusätzlich schaut man kritisch auf das Fahrprofil und die bisherigen Verbräuche des Mitarbeiters. So brauchen PHEV-Fans mittlerweile gute Gründe für das Doppelherz – vor allem den Nachweis, dass mindestens die Hälfte der jährlichen Fahrleistung elektrisch vollbracht wird. Diese Policy-Verschärfung machte aus dem PHEV einen Exoten in Neubiberg.
Infineon: Netzwerk von Nutzern
Damit das Flottenteam Zeit für solche strategischen Entscheidungen hat, wickelt ein externer Flottendienstleister das Gros der operativen Fuhrparkprozesse ab. Diese und weitere partnerschaftliche Beziehungen betont Buttermann, denn von ihnen profitieren gerade in anspruchsvollen Zeiten beide Seiten, wie im aktuellen Marktumfeld mit immer noch teilweise sehr langen Lieferzeiten und Herausforderungen bei der Verfügbarkeit bestimmter Ausstattungen. Insofern sollen sich aktuell die Infineon-Mitarbeiter zwölf Monate vor dem Leasingende Gedanken über den neuen Dienstwagen machen. Wer dann durch den Car-Konfigurator klickt, merkt schnell, dass die Grenzen für die Bruttolistenpreise für die Stromer höher angesetzt sind als für die Verbrenner. Damit erleichtert die Firma den Wechsel hin zum Stromer, der aktuell bei vielen Modellen noch teurer ist als ein vergleichbarer Verbrenner. Buttermann rechnet allerdings damit, dass in zwei bis drei Jahren zur Parität zwischen Diesel/Benziner und der E-Fraktion gekommen sein wird.
In der Funktionsflotte des Konzerns sind E-Modelle wie der VW ID.3 und ID.4 oder der Audi Q4 E-tron zu finden, trotz des Malus der regional unterschiedlichen Lademöglichkeiten und der zusätzlichen Ladepausen auf der Langstrecke. Damit die Mitarbeiter dies nicht schreckt, helfen die internen Kommunikationswege über die involvierten Abteilungen wie Facility-Management oder HR sowie über die Repräsentanzen der leitenden Angestellten sowie des Vertriebs. So ist der Kreis derer, die sich regelmäßig zur Elektromobilität austauschen, groß und weit verzweigt, sodass keine CO2-Vorgaben auf Hochglanzpapier gedruckt werden, die im Alltag nicht umsetzbar sind. „Darüber hinaus erhalten wir immer wieder Hinweise aus unseren großen europäischen Standorten wie Warstein, Regensburg, Dresden oder Villach zu allen möglichen Fragen der Mobilität, was uns hilft, aktiv zu bleiben und Lösungen von einem auf den anderen Standort zu übertragen, sofern dies geht.“ Dabei betont Buttermann Folgendes: „Es ist gerade beim Thema Auto nicht so, dass sich am Ende der Diskussionen im großen Kreis allein die ökonomische Sicht durchsetzt. Die Kosten sind das eine, Nachhaltigkeit sowie generell Mitarbeiterorientierung sind bei diesem Thema gleichrangig zu sehen.“
Anstrengungen zu mehr Nachhaltigkeit gibt es bei Infineon seit mehr als einer Dekade. Ein zentrales Element sind dabei die Vermeidung und Reduzierung der CO2-Emissionen. Im Modell der Scope-Betrachtung (nach dem Greenhouse Gas Protocol) werden Emissionsquellen nach ihrer Herkunft ausgewiesen (siehe Kommentar von Prof. Stephan Jansen). Dabei wird nach direkten und indirekten Emissionen unterschieden, um die Ansatzpunkte für das eigene Wirken besser herausstellen zu können. Scope-1 bezeichnet alle Quellen, die direkt vom Unternehmen stammen oder die das Unternehmen kontrollieren kann. Hier ist der Fuhrpark angesiedelt. Unter Scope-2 werden die eingekauften Energien und damit indirekte CO2-Emissionen gefasst. Scope-3 bildet jene CO2-Emissionen ab, die durch die Verarbeitung innerhalb der Wertschöpfungskette freigesetzt werden, auf die das Unternehmen aber keinen direkten Einfluss hat. Sie sind also indirekt. Infineon möchte nun bis 2025 im Scope-1 und Scope-2 die Emissionen gegenüber 2019 um 70 Prozent reduzieren. Fünf Jahre später soll CO2-Neutralität herrschen – mit Ausnahme der Lieferkette, also des Scope-3, was aber in Vorbereitung ist. Diese Vorgaben finden sich auch in den persönlichen Zielen der (Fuhrpark-)Manager wieder, sodass in alle Richtungen gedacht wird, sobald die Frage aufkommt: Wie werden wir klimaneutral?
Fleet und Travel bei Infineon
Da auch bei Infineon die finanziellen Mittel zum Erreichen dieser Ziele mit Bedacht eingesetzt werden sollen, vergleichen die Verantwortlichen die Wirksamkeit der einzelnen Optionen und suchen nach dem größten Wirkhebel. Das Kompensieren von getätigten Emissionen – sei es bei Flugreisen oder im Fuhrpark – sieht Buttermann als weniger wirksam an, als stattdessen lieber Vermeidungsanreize zu schaffen. Wer keine unnötige Energie verbraucht, stößt auch kein Kohlendioxid aus. Rein aus der Sicht der Chipproduktion wird es das Siegel „Klimaneutral“ allerdings nicht ganz ohne Kompensationszahlungen (als letztes Mittel) geben können, aber Bereiche wie die Flotte können mit ihren Mitteln einen Beitrag erbringen. Hier gewährt der Einkäufer Buttermann einen kleinen Einblick in die internen Ziele.
So wird im Flotteneinkauf der Anteil von E-Fahrzeugen erfasst und bewertet, auch in den persönlichen Zielen der Verantwortlichen des Fuhrparks. Mindestziel im laufenden Geschäftsjahr ist eine Neubestellquote für Stromer von 40 Prozent (sie liegt aktuell bei 25 bis 30 Prozent). 50 Prozent stromernde Neubestellungen würden eine Übererfüllung bedeuten und entsprechend honoriert.
Apropos Zahlen: Budgetiert werden die gut 700 Dienstwagen in Deutschland mit neun bis zehn Millionen pro Jahr. Im Vergleich zum gesamten Mobilitätsbedarf nur ein kleinerer Teil. Hotel, Mietwagen, Flüge – all diese Bereiche sind im Preis mindestens so stark gestiegen wie die Neuwagen. So haben laut dem Einkäufer beide Bereiche (Fleet und Travel) momentan ihre Herausforderungen. Da das Netzwerk beider Mobilitätsbestandteile komplex ist, löst man einzelne Probleme am besten in kleinen Schritten. So unterhalten etwa die großen Autovermieter eigene Stellflächen in der XXL-Tiefgarage unter dem Infineon-Campus, was Zeit bei der Fahrzeugübernahme und -abgabe spart. Vorher gab es einen Pool von 25 Corporate-Carsharing-Fahrzeugen an allen deutschen Standorten, was in der Corona-Zeit aber nicht mehr darstellbar war, da kaum jemand reisen durfte oder wollte. Mittlerweile wächst aber dieser Bedarf wieder, sodass man das System langsam wieder zum Leben erwecken möchte, allein die Fahrzeugverfügbarkeit seitens der Leasingpartner bremst dieses Unterfangen noch aus. Nun ja, die Straße der Nachhaltigkeit kennt eben viele Seitenspuren.
So sieht der Infineon-Fuhrpark aus
- Gut 700 Dienstwagen in Deutschland, 130 Dienstwagen in Österreich
- Etwa 900 in Summe in Gesamteuropa (u. a. Italien)
- Marken: vor allem BMW-Konzern sowie VW-Konzern und Mercedes-Benz