_ Die Lage im Markt für Flottenversicherungen bleibt angespannt. Mit einer Schaden-Kosten-Quote von 107 Prozent meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für 2015 eine leichte Verschlechterung gegenüber Vorjahr (2014: 105,8 Prozent). Manche gewerbliche Kfz-Halter und -Nutzer scheinen die Schadenzahlen und -kosten und damit die Beiträge für ihre Firmenwagen weiter nicht unter Kontrolle zu haben. Nach Ansicht eines Riskmanagers, der bei einem spezialisierten Flottenversicherer arbeitet und nicht genannt werden will, wird daher die Eigentragung stärker nachgefragt.
Vor allem in der Kasko setzen die Flottenversicherer dafür auf Modelle der Selbstbeteiligung (SB), die den Kaskoschaden komplett ausschließen oder bis zu 20.000 Euro SB pro Schadenfall in Voll- (VK) und Teilkasko (TK) beinhalten (siehe "Flotten individuell eindecken", S. 28). In der Kraftfahrthaftpflicht (KH) sind die SB-Angebote dagegen meist selektiv. Alte Leipziger, Axa, Provinzial Rheinland, VHV und Württembergische sehen diese Möglichkeit gar nicht vor. Die Allianz bietet eine KH-SB als SB je Einzelschaden in Höhe von mindestens 1.000 Euro. Auch die Ergo kalkuliert auf Einzelschadenbasis, wobei die SB-Höhe individuell gestaltbar ist. Bei der Gothaer gibt es die KH-SB nur auf Anfrage bei sehr großen Kfz-Flotten und bei der HDI als individuelle Vereinbarung. Die Varianten der R+V sind abhängig von der Flottengröße. Signal Iduna gestaltet Verträge mit pauschaler Vorab-SB und Zurich im Industriekundenbereich mit verschiedenen KH-SB-Modellen.
Produktneuerungen
Einige haben seit August/September 2015 auch neue Bausteine und Produkte im Flottengeschäft aufgelegt. So ist im Fuhrparktarif der Alten Leipziger ab 1. Oktober 2016 etwa der Auslandsschadenschutz für Pkw, Fahrerschutz für Pkw und Campingfahrzeuge sowie eine Zusatzversicherung für Brems-, Betriebsund reine Bruchschäden für Pkw zu finden.
Axa führt seit Mai die Fahrerschutzversicherung als Vollwertdeckung, mit der ein Fahrer die Deckung wie ein geschädigter Dritter hat. Zudem versichert die Ergo nun Güterfolgeschäden und Provinzial Rheinland hat mit den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) 10/2016 den Schutzbrief für Lkw bis 3,5 t Gesamtgewicht im Werkverkehr aufgenommen. Des Weiteren ist bei der Zurich seit 1. Juni 2016 ein Unfallmeldedienst aktiv, mit dessen Hilfe infolge eines schweren Unfalls eine automatische Benachrichtigung der Rettungskräfte erfolgt. Mit den neuen Vertragsbedingungen zum 1. Oktober 2016 hält beim Flottenversicherer zudem eine neu konzipierte Fahrerschutzklausel Einzug, die den Fahrer absichern soll und für Pkw und Lieferwagen abgeschlossen werden kann.
Optimierung einzelner Bausteine
Daneben haben einzelne Versicherungen ihre Klauseln geändert. Die Allianz hat beispielsweise ihre AKB dahingehend erweitert, dass die Neupreis- beziehungsweise Kaufpreisentschädigung künftig auch aus der Teilkaskoversicherung heraus gezahlt werden kann. Ferner beinhaltet der Schutzbrief jetzt die Leistung "Medizinischer Beratungsservice" und es besteht die Möglichkeit, Kurzschlussschäden an Akkus von Elektro- und Hybridfahrzeugen optional mitzuversichern.
Axa hat die Neuwertentschädigung für Totalschäden bei Pkw und Lkw bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht (GG) im Werkverkehr bis 18 Monate verbessert, die Schutzbriefdeckung im Programm und die Definition für den Begriff "Panne" aufgebohrt: Hierunter ist jeder nicht vorhersehbare Betriebsausfall zu verstehen, der zum Verlust der Fahrbereitschaft führt.
Die VHV verbreitert im Rahmen der "Leistungs-Update-Garantie" den Versicherungsschutz aller Flotte-Garant-Produkte mit Stückbeitrag zum 1. Oktober 2016. Dann erfolgt unter anderem eine Neupreisentschädigung für Pkw im Erstbesitz bis 18 Monate nach Erstzulassung, die Erstattung von Abschlepp-/Bergungskosten bis zu einem Gesamtbetrag von 5.000 Euro, die Übernahme von Überführungskosten bis 500 Euro und Wechselaufbauten im verbundenen Zustand sind über die Kasko des Trägerfahrzeugs mitversichert.
Hilfe zur Prävention
Unabhängig davon nimmt die Bedeutung von Riskmanagement (RM) zu. Darauf deuten auch die vermehrten RM-Aktivitäten oder Gründungen von RM-Spezialabteilungen der Versicherungsmakler für Kfz-Flotten wie bei Aon hin. Infolgedessen stützen subjektive Risikodaten immer mehr das individuelle Zeichnungsgeschäft im Flottenmarkt und die Preisfindung. Im Sinne eines individuellen RM wird bei den Versicherern oft die Telematik berücksichtigt, wenn auch nur selektiv. Denn viele Flottenversicherer sehen - noch - keine Basis für die Entwicklung eines eigenen Telematik-Tarifs.
Big Data zur Beitragsermittlung?
Allerdings hat Signal Iduna nach Start eines Telematik-Tarifes für Einzelverträge einen für Flotten folgen lassen. Im Fokus stehen die Kernzielgruppen Handwerk und Einzelhandel.
Die R+V ist überzeugt, dass Telematiksysteme in der Zukunft weiter Verbreitung finden werden. Sofern die gemessenen Daten zielführend zur Fahrverhaltensanalyse und -korrektur nutzbar seien, führe dies bei den jeweiligen Flotten indirekt oder bei Vorhandensein telematikbasierter Produkt- und Tarifkonzepte direkt zu einer Verbesserung der versicherungstechnischen Ergebnisse. Bei der Entwicklung solcher Lösungen stehe die Branche allerdings erst am Anfang. Und die Alte Leipziger merkt an:"Telematik ist zurzeit im Privatkundensegment stark vertreten. Sobald die ersten Produkte im Markt etabliert und Erfahrungen vorhanden sind, werden beim Flottengeschäft ebenfalls vermehrt entsprechende Produkte beziehungsweise Versicherungslösungen angeboten."
Auch die Zurich räumt den Telematikdaten zur Beitragsermittlung mittelfristig einen steigenden Stellenwert ein. Gleiches gelte für das autonome Fahren in Form von Fahrassistenzsystemen, das zu entsprechenden Auswirkungen auf die Tarifierung und die Kraftfahrtversicherung führen werde.
Weitere Markttrends
Neben der Digitalisierung bestimmen laut HDI steigende Schadendurchschnitte durch immer hochwertiger ausgestattete Fahrzeuge den Markt. Aktuell seien vor allem Diebstähle von Navigationsgeräten Kasko-Kostentreiber.
Die Einschätzung der Preisentwicklung im Herbst zeichnet jedoch kein einheitliches Bild: Provinzial Rheinland geht bislang von stabilen Prämien aus, die R+V aber rechnet mit einer weiteren Konsolidierung des Marktes durch notwendige Maßnahmen zur Ertragsverbesserung. Signal Iduna erwartet zum jährlichen Endgeschäft ein Absinken des Prämienniveaus, will selbst aber bei der Prämienkalkulation auf Ertrag achten.
Weiterer Schwerpunkt sei die Arbeit an Tarifen respektive Vertragsmodellen für Elektrofahrzeuge sowohl für Einzel- als auch für Flottenverträge. Die Württembergische erwartet ebenfalls einen weichen Markt, da schon zum letzten Jahreswechsel diese Tendenz vorhanden gewesen sei und es keine Signale für Änderungen gebe. Dagegen rechnet die Zurich durch die anhaltende Niedrigzinsphase, steigende Schadenkosten und Zunahme der negativen Auswirkungen von Wetterereignissen mit einem harten Markt.
Flotten individuell eindecken
Klauseln & Konditionen: Versicherer bieten spezifische Pakete für den Schutz von Firmenwagen. Je größer der Fuhrpark, desto individueller ist dies möglich. Welche Bausteine und Leistungen die Verträge beinhalten können, erfahren Sie in der PDF-Ansicht des Artikels!
- Ausgabe 10/2016 Seite 26 (668.5 KB, PDF)