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Flottenversicherungen: Der Fahrer im Fokus

01.11.2016 13:00 Uhr
Flottenversicherungen: Der Fahrer im Fokus
Nicht nur beim Fahrsicherheitstraining ist der Dienstwagenfahrer Dreh- und Angelpunkt der Maßnahmen.
© Foto: Audi AG/Picture Alliance/dpa

Viele Flottenmanager bauen auf Riskmanagement zur Schadenprävention. Doch ob Investitionen in sicherere Fahrzeugausstattungen oder digitale Dienste getätigt werden: Der Schlüssel hierzu ist der Fahrer.

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_ Riskmanagement (RM) ist unter Flottenbetreibern ein Thema, das in zwei Lager spaltet: Ein Teil nutzt das Instrument gezielt, um Schäden zu minimieren oder zu verhindern. Der andere verzichtet auf RM oder hat sich noch nicht damit beschäftigt. Das ist auch das Ergebnis einer Umfrage unter 22 Fuhrparkleitern, von denen die Frage nach Riskmanagement in der Flotte zwölf mit "Ja", acht mit "Nein" und zwei explizit mit "Jein" beantwortet haben.

Letztere begründen dies mit dem Mangel an weiterführenden Maßnahmen. So sagt der Leiter einer Flotte mit mehr als 2.500 Fahrzeugen, der nicht genannt werden will: "Es wird lediglich am Jahresende eine Schadensanalyse gemeinsam mit dem Versicherer durchgeführt, aus der eventuell Handlungsbedarf fürs Folgejahr abgeleitet wird." Und der Fuhrparkmanager eines Unternehmens mit rund 270 Fahrzeugen erläutert: "Wir unterscheiden zwar nach Schadensart, aber zurzeit nehmen wir wenig Einfluss auf die Ursache. Ausnahme: Unfall mit Anhängern. Die werden aufgrund der Schadenhäufigkeit nun durch Transporter ersetzt."

Sensibilisierung als RM-Schwerpunkt

Diejenigen, die RM in ihr Management integriert haben, tun dies aus unterschiedlicher Motivation und in unterschiedlicher Intensität. Einer, der schon seit Jahren Schadenprävention in der Flotte mit rund 170 Firmenwagen großschreibt, ist Martin Benzing, Leiter Fuhrpark- und Travelmanagement beim Maschinenbauer Arburg im schwäbischen Loßburg. Er setzt auf permanente präventive Sensibilisierung, und zwar sowohl jahreszeitabhängig als auch fallbezogen. Beispielsweise durch Informationen zum richtigen Fahrverhalten bei bestimmten Witterungsbedingungen oder über die Kosten eines Schadens via Brief an den Mitarbeiter, sobald der Fall abgewickelt ist. Zu den Maßnahmen gehören außerdem Fahrsicherheitstrainings zu bestimmten Schwerpunkten. "Bei Schadenseintritt findet ferner ein Sensibilisierungsgespräch mit konkreter Maßnahmenableitung für die Zukunft statt", so Benzing. Ähnliche Mittel wendet der Fuhrparkmanager eines Automobilzulieferers mit mehr als 500 Pkw an. Dort werden Schadenquoten überwacht und auffällige Fahrer gezielt angesprochen - teilweise unter Einbindung von Vorgesetzten und Personalabteilung. Zudem werde die Flotte aktiv auf Schäden überprüft, Telematik eingesetzt und der Reparaturprozess nach Schäden aktiv gesteuert.

Interner Schadenmanager abgestellt

Bei der EnBW spielt RM zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des Fuhrparks eine Schlüsselrolle. Dementsprechend wurde für die rund 3.700 Fahrzeuge ein Kfz-Meister mit zusätzlicher betriebswirtschaftlicher Ausbildung als interner Schadenmanager installiert. Zugleich nennt Norman Scheck, Teamleiter Mobilitätsservice, die Sensibilisierung und Schulung der Fahrer, die Standardisierung der Fahrzeuge und die Ausstattung sowie Einbauten als geeignete Stellschrauben, um die Risiken zu senken. Die Entwicklung verfolgt er dabei ständig anhand der Kennzahlen im Schadenmanagement über das Fuhrparkmanagementsystem, was mit einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess einhergehe.

Fahrer in der Verantwortung

Beim Softwareanbieter Infor mit rund 350 Firmenwagen in Deutschland kommt ebenfalls den Fahrern eine große Bedeutung zur Reduzierung der Schadenzahlen zu. Der European Fleet Manager Fer Derwort hält es daher für hilfreich, den Fahrern die Kosten jedes Schadens oder Unfalls bewusst zu machen. Sie erhalten Tipps und Tricks, um die finanziellen Auswirkungen zu verringern. Schließlich gebe es kein magisches Werkzeug, da Schäden immer eintreten würden. Nichtsdestotrotz sei es effektiv, die Einstellung jedes einzelnen Fahrers zu ändern.

Analysen für die Beschaffung

Ein Unternehmen, das die Daten aus der Unfallanalyse in Bezug auf Ort, Uhrzeit und Wetterbedingungen direkt in der Beschaffung einfließen lässt, ist Liebherr Hydraulikbagger in Kirchdorf an der Iller. "Hier können wir zum Teil bereits einige Parameter berücksichtigen. Diese technischen Helfer wirken sich dann in der Regel positiv auf die Schadenhäufigkeit und Schadenhöhe aus", sagt Thomas Höld, Leiter strategisches Fuhrparkmanagement. Der Konzern zählt dabei rund 1.500 Fahrzeuge national und rund 3.800 Einheiten international.

Ganzheitliches RM hat überdies bei einem sozialen Dienstleister mit mehr als 1.500 Fahrzeugen vor vielen Jahren Einzug gehalten. Das Konzept sieht vor, Schadendaten je Dienststelle zu erfassen und auszuwerten, Unfallfolgegespräche zu führen, Fahrer aufgrund der Auswertungen zu schulen und Fahrsicherheitstrainings durchzuführen - abgestimmt auf die Schadenhäufigkeit mit eigenen Moderatoren für den Bereich Verkehrssicherheit und Fahrerschulungen. Außerdem gibt es Rennlisten, die aufzeigen, welche Dienststelle welche Schadenfrequenz aufweist. Durch dieses System seien allein im letzten Jahr rund fünf Prozent der Versicherungsbeiträge je Fahrzeug vom Versicherer zurückerstattet worden.

Langfristige Kostenentwicklung im Blick

Den Fokus auf die Kosten legt auch Jean Gasch, Car Fleet Manager bei Capgemini Deutschland und verantwortlich für etwa 1.000 Pkw in Deutschland und rund 300 in Österreich, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn: "Wir analysieren die potenziellen Risiken und jeweils aktuellen Schadenverläufe und damit verbundenen Kosten der Flotte, welche dann als wesentliche Grundlage für die Entscheidung bei der Wahl eines Versicherers für kommende Perioden dient."

Desgleichen baut der Flottenmanager eines Chemieunternehmens mit mehr als 800 Einheiten auf die turnusmäßigen Analysen des Schadenverlaufs. Auf dieser Basis wird dann zusammen mit dem Versicherer, Flottenmanagement sowie einem externen Dienstleister an der Verbesserung der Schadenfrequenz und -höhe - und damit an der Reduktion der Kosten gefeilt.

Externe Hilfe hat sich jüngst auch Manfred Klein-Wiele für die rund 500 Fahrzeuge der Homag Group mit ins Boot geholt, um "mehr professionelle Unterstützung für alle Beteiligten zu bekommen".

Regelmäßige Fahrzeugbegehungen

Die Pfalzwerke mit ihren rund 810 Fahrzeugen, von denen sich rund 450 aus Pkw rekrutieren, haben das Zepter im RM wiederum selbst in der Hand. "Wir analysieren regelmäßig die Schadensursachen und schauen, wie wir die Situation verbessern. Deshalb haben wir schon vor Jahren Rückfahrkameras und Unterflurlicht für Lkw oder Transporter und bei Pkw generell die Einparkhilfen und Freisprecheinrichtungen als Ausstattungskomponenten", sagt Fuhrparkleiter Stephan Dennerle. Unabhängig davon geht er bei jedem Schaden den Ursachen auf den Grund und hält die Mitarbeiter über den Status quo bei Schadensituationen auf dem Laufenden, da ein Großteil der Kaskoschäden selbst getragen wird. Deshalb spiegelt der Fuhrparkleiter die Kosten für das Unternehmen wider, um das Bewusstsein zu schärfen.

Darüber hinaus wird die Ausstattung von Transportern und Nutzfahrzeugen jährlich bei einer Begehung inspiziert. Bei regelmäßigen Unterweisungen kommen auch die Schadenzahlen und -aufwendungen zur Sprache. Vor allem die indirekten Kosten will Dennerle den Fahrern künftig noch stärker ins Gedächtnis rufen. Mit der Entwicklung ist er aber zufrieden, denn das Bewusstsein für Schäden und deren Vermeidung sei besser geworden. Die Schadenquote sei stabil.

RM neu einführen

Von den Fuhrparkleitern, die aktuell nicht mit RM arbeiten, wollen es nur sechs von zehn einführen. Einer befindet sich noch in der Entscheidungsphase.

Die Beweggründe für die geplanten Starts von RM sind vielschichtig. Der Fuhrparkleiter eines IT-Unternehmens mit etwas weniger als 100 Pkw erwartet sich Kostentransparenz, die Zuordnung von Schäden sowie die Sensibilisierung von Fahrern, da sonst keine Konsequenzen aus Schäden resultieren würden. Und der Flottenmanager mit seinen rund 2.500 Fahrzeugen betont: "Zeitnahe Reaktionen zur Gefahrenvermeidung sind nur durch ein ständiges Riskmanagement möglich."

Telematik aktuell belanglos

Für die meisten befragten Flotten haben Telematik und Flottensteuerung via digitaler Dienste keine Bedeutung. Nur bei dreien von 22 spielen sie eine Rolle. So hat etwa eine Firma international bereits Telematik in diversen Poolflotten im Einsatz und lässt in Deutschland gerade ein Testprojekt laufen. Bei einem Logistikunternehmen mit rund 200 Pkw und mehreren hundert Lkw wird Telematik ebenfalls rege genutzt und es werden unter anderem Fahrer-, Wegstrecken-, Fuhrpark-, Unfallursachen- und Kostenanalysen angefertigt. Daraus würden dann Mitarbeiterschulungen, Prozessoptimierungen und proaktives Schadenmanagement abgeleitet. Ein Maschinenbauer mit rund 1.000 Fahrzeugen verwendet E-Call, Konnektivitätsdienstleistungen und andere von den Herstellern verbaute Technik.

Dennoch sehen die Befragten den Stellenwert der Tools und von Big Data im RM steigen. So meint der Flottenmanager eines IT-Konzerns: "Aktuell ist die vollständige Datenerfassung möglich. Für die Zukunft werden die Dienste das Verkehrsflussmanagement und die Beweissicherung für Schäden übernehmen." Und Benzing von Arburg sagt: "Die Bedeutung wird sicherlich zunehmen, und das wird auch im RM der Fall sein. Durch die Datenauswertung des Fahrverhaltens ist es möglich, diese zu analysieren und ganz konkret mit den Fahrern zu sprechen und entsprechende Maßnahmen abzuleiten."

Ein Fuhrparkleiter betont, dass der Einsatz vor allem zur verursachungsgerechten Prämienverteilung und für Präventivmaßnahmen zur Verkehrssicherheit in Flotten dienen kann, wo der Betriebsrat der Nutzung zustimmt. Für Michael Kleinsteuber, Head of Procurement und Leiter Fuhrparkmanagement der Patrizia Immobilien mit rund 200 Firmenwagen, bilden Telematik und digitale Dienste generell die Basis zur Einführung von flexiblen Mobility-Lösungen in der Zukunft.

Chancen erkennt auch Thomas Schmuck, Chief Purchasing Officer der Software AG. Denn der Einsatz könne die Fahrersicherheit erhöhen, Strecken und Fahrerverhalten optimieren sowie zur Kostenoptimierung führen. "Allerdings sind hier datenschutzrelevante Aspekte sauber zu klären", fügt er hinzu.

Datenschutz als Knackpunkt

Überhaupt stufen viele Verantwortliche gerade das Thema Persönlichkeitsrechte und Mitbestimmung als übergeordnetes Gut ein und stehen Big Data zurückhaltend gegenüber. Demzufolge resümiert etwa Thomas Herbstritt, Fuhrparkleiter der BN Netze mit rund 500 Fahrzeugen, dass dies momentan keinerlei Bedeutung habe. Daneben bemerkt Norman Scheck von der EnBW: "Eine Herausforderung sehe ich beim Thema Datenschutz sowie seitens des Betriebsrates." Auch der Flottenverantwortliche des Chemie-Konzerns mit den rund 800 Pkw hegt aktuell Bedenken wegen des Datenschutzes und findet den Umgang mit dem Betriebsrat "kompliziert." Und der Fuhrparkleiter des Maschinenbauers mit etwa 1.000 Pkw schreibt: "Im Riskmanagement spielt dies keine Rolle, da es hier um Datenschutz und Arbeitsplatzüberwachung geht."

Digitale Dienste begrenzt eingesetzt

Deshalb geht beispielsweise Barbara Schmidt, Fuhrparkmanagement bei Campofrio Deutschland in Ratingen mit 22 Pkw, davon aus, dass es zwar eine Marktdurchdringung auf längere Sicht geben wird, aber nur in bestimmten Einsatzgebieten. In die gleiche Richtung gehen die Aussagen von Thomas Höld von Liebherr Hydraulikbagger: "In Zusammenhang mit GPS-Überwachung ist das für uns kein Thema. Allerdings werten wir viele Dinge zum Thema Fahrzeuge, Unfälle, Reparaturhäufigkeit und Wiederholungsschäden aus. Diese Parameter sind für uns ausreichend und der Fahrer unterliegt keiner Permanentkontrolle."

Das Kontrollgefühl der Fahrer bewertet auch Maximilian Müller, Leitung Versicherungsabteilung und Riskmanagement bei HBW Höfle & Wohlrab Bau mit 58 Fahrzeugen, als eine Art Hemmschuh, obwohl Telematik und digitale Flottensteuerung insgesamt eine gute Möglichkeit seien, um das Fahrverhalten zu kontrollieren. Zudem ergänzt er: "Im Schadenfall interessant wäre eine Unfallkamera zur Beweissicherung." Manfred Klein-Wiele von Homag stellt zu den Perspektiven generell fest: "Es bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt. Nur wenn das zu deutlichen Einsparungen führt, wird sich das durchsetzen."

Nutzen der Datenflut fraglich

Dass die Daten nicht nur hilfreich sein können, erörtert Fer Derwort von Infor. Er hält sie dann für nützlich, wenn sie nach individuellem Bedarf ermittelt werden. Die Erhebung nach dem Gießkannenprinzip, die einen Überfluss an Daten erzeugt, die nicht genutzt werden, sieht er als sinnlos an. Zudem gibt er zu bedenken, dass den Möglichkeiten prinzipiell Grenzen gesetzt sind: "Wir wissen zum Beispiel, dass es in Deutschland kein Geschwindigkeitslimit gibt, was zu einem steigenden Kraftstoffverbrauch führt. Dies kann man nicht ändern oder verhindern. Aber RM kann ein gutes Tool sein, um Verantwortlichkeiten aufzuzeigen, wenn zum Beispiel die Windschutzscheibe fünf Mal im Jahr ausgetauscht werden muss." Hier könne man mit einem geringfügigen finanziellen Beitrag des Fahrers mehr gewinnen als mit der Überprüfung aller Daten.

Stephan Dennerle glaubt ebenfalls, dass Big Data zunehme, insbesondere für autarke Systeme zur Steuerung von Arbeit. Für RM ist er skeptisch und fragt: "Wer soll die Datenflut überwachen und Schlüsse ziehen?"

Den Schlüssel zur Prävention sind daher für ihn weiterhin die klassischen Maßnahmen wie Fahrersensibilisierung oder die Drosselung der Höchstgeschwindigkeit von Transportern auf 125 bis 135 km/h. Dem stimmt der Flottenmanager des Sozialdienstes mit mehr als 1.500 Pkw zu:"Wir setzen weiterhin auf die Aus- und Fortbildung der Fahrer. Für uns sind die Fahrer immer noch der wichtigste Faktor im Spannungsfeld Mensch-Fahrzeug-Umfeld."

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