Europäisch und doch lokal
Internationales Flottenmanagement | Der Pharmakonzern Daiichi Sankyo hat seinen Fuhrpark in zwölf Ländern auf ein einheitliches Fundament gestellt. Dennoch werden die Besonderheiten vor Ort respektiert.
— „Zwölf Länder, zwölf Herausforderungen“, sagt Michael Müller. Als Head of General Administration bei Daiichi Sankyo zuständig für die Bereiche Facility Management, Canteen und Fleet Management und dadurch auch europaweit für die 1.900 Flottenfahrzeuge verantwortlich, musste er sich auf dem Weg zu einem internationalen Flottenmanagement die Akzeptanz für die Zusammenarbeit in jedem Land neu erarbeiten: durch Überzeugungsarbeit, Kontinuität und das Aufzeigen erster Erfolge. Innerhalb von sieben Jahren soll die Harmonisierung vollständig realisiert werden, für Müller ist gerade Halbzeit. Einige Meilensteine hat er schon erreicht, andere sind bereits in Sichtweite.
Der Fuhrparkprofi ist selbst erst seit gut drei Jahren im Unternehmen und hat dann auch gleich losgelegt, seinen Auftrag, „europäisch zu handeln“ und „Mehrwert zu schaffen“ zu erfüllen: Zunächst hat er mit den aus fünf Elementen bestehenden „Fleet Standards“ – die internationale Konzern- und damit Fuhrparksprache ist Englisch – verbindliche Richtlinien für alle Ländergesellschaften geschaffen und damit den Fuhrpark international auf „gesunde Beine“ gestellt, wie er sagt. Mit Umsetzung der Dienstwagenordnung, des Überlassungsvertrags, dem Flottenhandbuch, der Verfahrensanweisung für die involvierten Fachabteilungen wie Finanzen oder HR und einem neuen Bruttogehaltsumwandlungsmodell für alle Mitarbeiter war die Basis für die länderübergreifenden Flottenstandards geschaffen.
Unterschiede respektieren | Dabei galt wie in anderen Unternehmensbereichen die Maxime: so viel Zentralisierung wie nötig, so viel Dezentralisierung wie möglich. Dazu gehört auch, lokale Unterschiede nicht nur zu tolerieren, sondern bewusst zu respektieren und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen.
Auf den Fuhrpark von Daiichi Sankyo bezogen bedeutet das: „Immer schauen, was für das Land am besten ist“, erklärt Müller. „Aktivitäten zu bündeln ist gut und schön, aber es muss auch für das Land Mehrwert haben.“ So seien die von Müller etablierten „Fleet Standards“ zwar feste Bestandteile in jedem Land, was in den jeweiligen Regelwerken jedoch steht, entscheidet die Landesgesellschaft nach Abstimmung mit der dortigen Rechtsabteilung oder externen juristischen Partnern immer noch selbst.
Hilfestellung | Trotz aller Bemühungen um eine europäische Harmonisierung bleibt die operative Abwicklung bewusst den einzelnen Ländern überlassen und wird nicht zentral vom Headquarter in München aus übernommen. „Wir halten uns da raus. Die Leute sollen selber entscheiden, wie sie die Prozesse und die Abwicklung gestalten“, sagt Müller. „Wir helfen den Ländern im Wesentlichen dabei, die Mengen grenzübergreifend zu bündeln, die Konditionen auf Basis europäischer Gesamtvolumina zu verbessern und das Know-how vor Ort zu erhöhen.“
Dienstwagenberechtigte Mitarbeiter dürfen ihre landesspezifischen Vorlieben bei Automarken ausleben. So soll Zufriedenheit der Belegschaft, die an erster Stelle stehe, weiter gesteigert werden. Die Motivation im Innen- und Außendienst soll dauerhaft hochgehalten werden und die Fluktuation der Belegschaft gering. Außerdem soll die großzügige Dienstwagenordnung auch im Recruiting neuer Mitarbeiter Vorteile bringen.
Und so kommt es, dass auch kein Land dazu angehalten wird, passend zur Konzernzugehörigkeit ein japanisches Auto zu fahren oder aufgrund von Mengenrabatten europaweit dieselben Marken zu ordern.
Stattdessen zeigt sich Daiichi Sankyo überall als liberaler Arbeitgeber: In Deutschland dürfen die Dienstwagenberechtigten unter den sieben Marken Audi, BMW, Citroën, Ford, Mercedes, Opel und VW jedes Modell und jede Aufbauart frei wählen, die Italiener ordern weiterhin am liebsten Fiat und Alfa Romeo und die Franzosen fahren bevorzugt Citroën, Peugeot und Renault. Die Marke mit dem Rhombus sei bei Daiichi Sankyo neben Seat aber auch in Spanien und Portugal stark vertreten, in der Türkei favorisierten die Beschäftigten BMW. „Wenn eine große Nachfrage nach anderen Marken da wäre, dann würden wir sie sofort aufnehmen. Die Vorgaben kommen durch die Nachfrage unserer Mitarbeiter“, erklärt Müller die Car Policy.
Ein Versicherer für alle | Auf dem Weg zu einer europaweit harmonisierten Flotte sollen sukzessive die drei größten Kostenblöcke im Fuhrpark, die zusammen 90 Prozent der Gesamtausgaben verursachen, auf ein einheitliches Fundament gestellt werden: Leasing, Kraftstoff und Versicherung.
Der erste Meilenstein ist die Umstellung auf einen zentralen Versicherer für alle zwölf Länder. Mit einem Vorlauf von anderthalb Jahren hat Müller in Zusammenarbeit mit New Projects eine Ausschreibung gemacht, die selbst ein Dreivierteljahr gedauert hat.
Die größte Hürde sei bei diesem Projekt gewesen, die Schadenverlaufsdaten aus allen Ländern zusammenzutragen, die nötig sind, um ein gutes Prämien-Angebot zu bekommen. 80 Prozent der Autos waren zuvor über die Leasinggeber versichert. Da haperte es oft an der Transparenz. „Die Leasinggesellschaften haben kein Interesse daran, die Daten offenzulegen“, weiß Müller.
Nur drei bis vier Versicherungsgesellschaften können laut Müller überhaupt nur eine Flottenversicherung länderübergreifend anbieten. Eine davon ist HDI-Gerling, die den Zuschlag bekam. Die nächste Schwierigkeit war dann, die einzelnen Länder zu überzeugen, dass der Wechsel zu einem zentralen Versicherer positiv für sie ist. „Alle Länder sparen Geld: In kleineren ist die relative Einsparung größer, in großen Ländern mit Einkaufsabteilungen ist sie kleiner. Da ist es dann schwieriger, einen Wechsel herbeizuführen, wenn man jahrelang mit einem Dienstleister zusammengearbeitet hat, weil Geld nicht immer alles ist“, erklärt Müller.
Im Juli 2012 wurde mit der Implementierung begonnen – bis zum März werden alle zwölf Länder „geswitcht“ sein. Das heißt: Jedes neu zugelassene Fahrzeug ist dann bei dem zentralen Versicherer HDI-Gerling unter Vertrag. Bis der komplette Fuhrpark gedreht ist, werden noch rund drei Jahre vergehen.
Nächster Schritt: Schadenmanagement | Das Ziel, die Schadenquote europaweit dauerhaft auf niedrigem Niveau zu halten, will Daiichi Sankyo durch die Zusammenarbeit mit Eurogarant im Risk- und Schadenmanagement erreichen. Deutschland, Österreich und die Schweiz machten den Anfang, als Nächstes soll Frankreich an der Reihe sein. „Da stecken wir noch in den Kinderschuhen“, sagt Müller. Wichtige Erkenntnisse erhofft er sich aus einem länderübergreifenden Schadenreporting, das beleuchten soll, wie hoch die Schadenzahlen in den jeweiligen Ländern sind, welche Art von Schäden eintreten, wo sie repariert werden und welche Reparaturmethoden und Dienstleister es hierfür gibt. Die niedrigen Schadenquoten sollen die kostenoptimierten Versicherungsprämien weiter positiv beeinflussen.
Neue Software | Dann wird in diesem Jahr eine einheitliche Flotten-Software eingeführt, die intern mit der eigenen IT-Abteilung entwickelt wurde. Über dieses System sollen alle operativen Prozesse laufen, um so den Informationsfluss mit allen eingebundenen Fachabteilungen und externen Dienstleistern zu verbessern. Die Fäden aus allen zwölf Ländern laufen dann im Headquarter in München zusammen, wodurch mehr Transparenz als Basis für weitere Verhandlungen mit externen Partnern erreicht werden soll. Zukünftig sollen auch alle Fahrzeugbestellungen elektronisch darüber abgewickelt werden.
Bis 2015 steht ein weiteres Großprojekt an: ein internationaler Leasingpartner für alle zwölf Länder soll gefunden werden, was Müller lieber heute als morgen angehen würde. Schließlich stellen die Leasingraten mit einem Anteil von 50 Prozent den größten Kostenblock dar. „Von meiner Seite wäre es schon so weit, nur leider können die Leasinggesellschaften das noch nicht“, sagt der Fuhrparkprofi. „Natürlich schreiben sich alle auf die Fahnen: ,Wir können europäisch arbeiten‘, aber wenn man dann die Frage stellt, welchen Mehrwert es einem bringt, dann kommt erst mal nicht viel.“
Bislang arbeitet Daiichi Sankyo mit drei Leasinggebern in bis zu sieben Ländern zusammen, doch jedes Land werde anders gehandhabt. Von Seiten der Leasinggesellschaften sei kein zusätzlicher Vorteil geboten.
Jährliches Treffen | Auch intern soll die Zusammenarbeit mit den ausländischen Kollegen weiter verbessert werden. Das Wir-Gefühl unter den Konzerngesellschaften in Europa stärkt eine Veranstaltung, die Müller ins Leben gerufen hat und jedes Jahr organisiert: die „Fleet Management Days“, ein mehrtägiges Treffen, zu dem die Fuhrparkverantwortlichen aller Länder ins Headquarter nach München reisen, um sich auszutauschen, zu diskutieren und zu gemeinsamen Themen länderübergreifend bessere Lösungen zu finden.
Überzeugungsarbeit | Die gute Zusammenarbeit mit ihnen musste sich Müller nach seinem Einstieg bei Daiichi Sankyo erst erarbeiten. „Es gab natürlich wenig Glauben, dass so etwas in Europa möglich sei. Dies war sehr gut daran zu beobachten, wie schnell Informationen kommen und in welcher Qualität“, so Müller. Er musste die Ländergesellschaften für sich und die gemeinsame Sache gewinnen, denn vorschreiben kann er ihnen aufgrund der Konzernstrukturen nichts. Allein „durch Überzeugung läuft das, was zwar der schwierigere Weg ist, aber dafür nachhaltig und deswegen der bessere“, so Müller. Denn wenn Menschen überzeugt seien und hinter einer Sache stünden, setzten sie diese im eigenen Interesse um, „sodass sie das Ziel selbst leben und weiterverfolgen“.
Wenn dann aber erste Erfolge sichtbar würden, nachdem etwas gemeinsam erarbeitet wurde, wie beim Versicherungswechsel jüngst geschehen, dann sei jedes Land sehr positiv gestimmt. „Das öffnet die Tür, um in der Zukunft weitere Veränderungen mit positivem Nutzen vorzunehmen“, sagt Müller.
Das Change Management im Fuhrpark von Daiichi Sankyo ist also erfolgreich gestartet. Für seine weiteren Projekte auf dem Weg zu einer europaweit harmonisierten Flotte scheint ihm nun nichts mehr im Wege zu stehen. | Mireille Pruvost
Daiichi Sankyo | In Kürze
Das in 60 Ländern weltweit agierende Pharmaunternehmen konzentriert sich vorwiegend auf Forschung und Vertrieb von Medikamenten für Krebs-, Herz-Kreislauf- und Stoffwechseltherapien. Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1899 und zu den Anfängen der Industrialisierung des Pharmasektors zurück. Mit einem von rund 32.000 Mitarbeitern erwirtschafteten Nettoumsatz von etwa 8,62 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2011 (Stand: 31. März 2012) gehört Daiichi Sankyo weltweit zu den 20 führenden pharmazeutischen Unternehmen.
Fuhrpark | Auf einen Blick
1.900 Fahrzeuge in zwölf Ländern, 80 Prozent davon in den „Big Four“: Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien
Weitere Autos in Belgien, Irland, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweiz, Türkei und UK
Marken nach lokaler Präferenz, in Deutschland: Audi, BMW, Citroën, Ford, Mercedes, Opel und Volkswagen
Dienstwagenberechtigung im Innen- und Außendienst nach Grading-System, darüber hinaus Bruttogehaltsumwandlungsmodell für alle Mitarbeiter mit freier Fahrzeug- und Markenwahl
Zentrale Vorgaben und Standards, aber dennoch länderspezifische Verwaltung vor Ort und Berücksichtigung lokaler Besonderheiten
Internationale Fleet-Standards aus den fünf Elementen: Dienstwagenordnung, Überlassungsvertrag, Flottenhandbuch, Orga-Anweisung und Gehaltsumwandlung, die für alle Ländergesellschaften bindend sind, aber vor Ort gestaltet werden
- Ausgabe 2/2013 Seite 44 (4.7 MB, PDF)