Verglichen mit den Dienstwagenmodellen unserer Nachbarn ist der 3er-BMW bereits dick. Oder besser: mit 4,71 Metern lang und mit mindestens 30.500 Euro (netto) auch teuer. Bei den Briten - die den Dienstwagen ebenso schätzen wie es die Deutschen tun - liegt Anfang 2020 der Opel Corsa vorn. Pardon: der Vauxhall Corsa. Dahinter kommen Ford Fiesta, Audi A1, Citroën C3 und VW Polo. Anders, aber dennoch ähnlich, sieht es in den Niederlanden aus. Dort rangiert Polo vor Focus und Clio und es geht weiter mit kleineren Modellen.
3er-BMW auf Platz sechs
In Deutschland ist - nach wie vor - der Golf das Maß der Dinge. Gefolgt von Passat, Focus, Octavia, Tiguan und eben dem 3er-BMW. Auf sieben liegt der A4, dahinter die C-Klasse. Und in die Top Ten schleichen sich noch Luxusliner wie die E-Klasse und der GLC ein. Merken Sie was? Bigger is better scheint in Good Old Germany nach wie vor die Devise zu lauten.
Es zeigt aber auch - und das ist gut -, dass Deutschland, trotz des eigenen Abgesangs auf eine der wichtigsten Industrien, noch immer am Thema Auto hängt. Und tatsächlich ist es in gewisser Weise auch nachvollziehbar. In keinem anderen Land wirkt sich nämlich der Vorteil größerer und feiner gemachter Fahrzeuge so positiv aus wie in Deutschland. In Holland ist ab sofort tagsüber Tempo 100 Pflicht. In Großbritannien sind es 112 km/h und in der Schweiz berauschende 120 km/h. In Deutschland kann - hin und wieder - so schnell gefahren werden, wie man möchte. Noch. Und selbst diejenigen, die sich im Bereich der Richtgeschwindigkeit aufhalten, werden die Ruhe eines edlen 3ers lieben lernen.
Highend - made in Munich
Leise säuselt der Wind um die Spiegel und Scheiben, Geräusche dringen lediglich dezent von draußen nach drinnen. Wer die Seitenscheiben für 170 Euro nochmals gegen Lärm laminieren ließ, weiß, was Ruhe bewirken kann. Denn Ruhe minimiert das Stresslevel, lässt einen entspannter reisen, die Sinne werden weniger hart beansprucht und können sich aufs Wesentliche konzentrieren. Aufs Fahren.
Und das kann man gerade mit dem 3er-BMW faszinierend gut. Er gehört noch immer zu den aktivsten Fahrzeugen im Segment. Die Lenkung ist allerdings in der Version "variable Sportlenkung", die es in Kombination mit dem M- oder Adaptivfahrwerk gibt, sehr empfindlich und reagiert ultradirekt auf Nervosität am Volant. Bei Stadttempo reichen kleine Drehbewegungen, um die Kurven gezielt anzugehen, auf der Autobahn wird's entspannter, für einige aber vielleicht dennoch zu hektisch, um ruhig zu sein. Bei hohen Geschwindigkeiten zeigt sich auch die Grenze des im Testwagen installierten adaptiven Fahrwerks (1.000 Euro netto), das dann selbst in der Komfort-Stellung verhärtet, was die Limousine unnötig zappelig macht.
Langstreckenfahrern sei daher das Standardfahrwerk ans Herz gelegt, Sportfahrern das klassische M-Sportfahrwerk. In jedem Fall reichen die eleganten 18-Zoll-Räder (1.200 Euro) aus, um ein harmonisches Gesamtbild zu erzeugen. Mehr bedeutet Überfluss, der kostet weiteren Komfort und verzeiht keinerlei Bordsteinkontakte. So oder so klebt der BMW auf dem Asphalt und vermittelt vor allem als allradgetriebener xDrive ein sehr sicheres Fahrgefühl mit sanftem Schieben über alle viere - und leichter Hecktendenz. 2.100 Euro werden für die zwei zusätzlich angetriebenen Räder fällig, die nach Norm lediglich den Inhalt eines Kölsch-Gläschens an Mehrverbrauch verursachen - verschmerzbar. Dennoch könnte das Geld ebenso in besseres Licht investiert werden. Ab Werk gibt es LED-Scheinwerfer. Das leuchtet ausschließlich geradeaus. Wer in die Kurven gucken möchte, muss 840 Euro extra bezahlen. Matrixfreunde zahlen abermals 1.700 Euro. Viel Geld, wenngleich dann das Laserlicht für die weite Ferne ebenfalls an Bord ist. Deutlich weniger Geld (nämlich 462 Euro) kosten Sportsitze, die sich zwar an die meisten Körper individuell anpassen lassen, aber "Aufrechtsitzern" schon mal die Kopfstütze an selbigen drücken. Die nicht vorhandene Gurthöhenverstellung akzeptiert man bis zur Kompaktklasse; in der Premium-Mittelklasse nicht.
Schnell, sparsam und elektrisch
Wer Induktivladen vom Smartphone und Freisprechen mit diesem wünscht und nach Musikgenuss in Digitalqualität (DAB+) in Kombination mit vernünftigen Lautsprechern sucht, landet schnell bei 45.000 Euro vor Steuern. So zählt der Mittelklasse-BMW zweifelsohne zu den feinsten Autos im Segment und zu den teuersten. Aber auch zu den sparsamsten. Denn selbst eilige Vielfahrer werden sich freuen, den Verbrauch selten über sechs Liter treiben zu müssen, um auf den besagten deutschen Schnellstraßen flott voranzukommen. Der Grund dafür liegt im kerngesunden Antrieb. Im Fall des 320d sind es 190 PS. Unser Testwagen stellte diese noch auf die "herkömmliche Art" bereit. Der Vierzylinder Diesel brabbelt ruhig und dezent und macht sich erst im selten benutzten obersten Bereich bemerkbar und der Wunsch nach sechs Zylindern könnte aufkeimen. Die Leistung ist über jeden Zweifel erhaben. Und: Wer jetzt seinen 320d bestellt, darf sich über elf elektrisch angetriebene Pferde unter den 190 freuen.
BMW war vor rund zwölf Jahren der erste Hersteller, der Rekuperationsenergie salonfähig machte und diese zurückgewonnene Energie damals in der Standardbatterie zwischenspeicherte, um einige Verbraucher zu versorgen und Kraftstoff zu sparen. Im G20, so lautet die interne Bezeichnung für den Dreier Nummer sieben, arbeitet ab sofort ein 48-Volt-Startergenerator, der nicht nur Energie beisteuert, die vor allem beim Beschleunigen aus tiefen Drehzahlen den Selbstzünder spurtstärker agieren lassen soll, sondern auch noch ein paar Zehntel Diesel im Tank übrig lässt.
Apropos Tank. Ab Werk passen lediglich 40 Liter hinein. Obacht also bei der Bestellung. Das Häkchen sollte in jedem Fall bei "Größerer Kraftstofftank" gesetzt werden. Das kostet 143 Euro, bringt aber 19 Liter mehr Diesel in den BMW und zeitgleich eine Erhöhung des Adblue-Vorrats auf 19 Liter, was das Nachfüllen verringert.
Digitaler geht es beim Infotainment zu. Und hier in Teilbereichen auch richtig gut. Stichwort Sprachbedienung: Viele Systeme nerven eher, als dass sie unterstützen oder entlasten. Vor allem nicht online-basierte wollen nach wie vor exakt definierte Befehle hören, bevor sie zielgenau loslegen. Im Dreier gibt es für stramme 2.353 Euro das Live Cockpit Connected Drive.
Dort vereinen sich Online-Navigation und -Sprachbedienung sowie Smartphone-App-Steuerung vieler Services und Apple Carplay. Letztgenanntes gibt es nur in dieser Kombination und macht es dann wieder obsolet. Denn fast alles, was das iPhone kann, kann dann auch der BMW. Die Gestensteuerung ist übrigens ein nettes Gimmick für 252 Euro. Jedoch kommt man sich merkwürdig vor, wenn man in der Luft mit dem Finger rumfuchtelt oder den Daumen zur Seite wirft, um den Sender zu wechseln.
So klassisch die Limousine nach wie vor aussieht, so viel Hightech ist mittlerweile sogar in einem BMW 320d. Ob es all die Technik braucht? Sicher nicht. Und sicherlich werden auch nur die wenigsten Besitzer des Fahrzeugs die Fülle an Möglichkeiten ausnutzen, die es bietet. Aber das, was er eigentlich machen soll - Menschen sicher, komfortabel und flott exakt von A nach B zu transportieren - macht der 320d xDrive extrem gut. Das weiß BMW natürlich und lässt sich diesen Luxus fürstlich bezahlen.
Von Autoflotte getestet
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BMW 320d xDrive M Sport
- Ausgabe 04/2020 Seite 32 (455.2 KB, PDF)