Zehntausende Unternehmen in Deutschland sehen sich einer Umfrage zufolge wegen der Corona-Krise von einer Insolvenz bedroht. Das geht aus der Trendauswertung einer Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) hervor. Ergebnisse lagen der Deutschen Presse-Agentur am Montag vor. Demnach sehen sich derzeit fünf Prozent der Betriebe in der Gesamtwirtschaft möglicherweise bald in eine Insolvenz abrutschen. Nach DIHK-Angaben wären dies hochgerechnet rund 175.000 Unternehmen.
Die Lage ist aber von Branche zu Branche sehr verschieden. Laut Trendauswertung stehen 33 Prozent der kreativen und künstlerischen Betriebe, 30 Prozent der Reisevermittler, 27 Prozent der Taxibetriebe und 20 Prozent der Unternehmen aus der Gastronomie vor einer drohenden Pleite.
Weiter hieß es, derzeit berichteten mehr als ein Viertel der Unternehmen von einem Rückgang ihres Eigenkapitals, jeder fünfte Betrieb habe mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Im Vergleich zum Herbst 2020 habe sich die Finanzlage der Unternehmen damit nicht verbessert. Finanzierungssorgen fielen gerade bei Industriebetrieben stark ins Gewicht, weil diese ihre kapitalintensiven Maschinen und Produkte oft vorfinanzieren müssten. Derzeit berichteten 23 Prozent der Industrieunternehmen von schmelzendem Eigenkapital.
Jedes zehnte Unternehmen kann seine Rechnungen nicht pünktlich oder gar nicht bezahlen
Zu diesem Bild passt auch eine aktuelle Auswertung der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel. Dieser zufolge bezahlt jedes zehnte Unternehmen in Deutschland seine Rechnungen nicht pünktlich oder gar nicht. Im Dezember habe der durchschnittliche Zahlungsverzug dieser 10,5 Prozent der Unternehmen mit 35,5 Tagen einen neuen Höchstwert im Corona-Jahr 2020 erreicht, analysierte Crifbürgel auf Basis von Daten zum Zahlungsverhalten von mehr als 450 000 Unternehmen.
Im Januar 2020, bevor die Pandemie in Deutschland ausbrach und viele Wirtschaftsbereiche in Bedrängnis gerieten, habe der durchschnittliche Zahlungsverzug von Unternehmen hierzulande noch bei 26,4 Tagen gelegen. "Unternehmen, denen es wirtschaftlich noch gut geht, haben eine hohe Zahlungswilligkeit und wollen unter keinen Umständen in Verzug geraten", fasste Crifbürgel-Geschäftsführer Frank Schlein die Entwicklung zusammen. "Rund 10 Prozent der Unternehmen haben so starke finanzielle Probleme, dass die Zahlungsfähigkeit eingeschränkt ist. Wenn diese Unternehmen ihre Rechnungen bezahlen, dann nur mit einem deutlichen Zahlungsverzug." Vor allem im Gastgewerbe, das aktuell wieder unter dem Lockdown leidet, bleiben demnach Rechnungen vergleichsweise lange offen (durchschnittliche Verspätung 77,6 Tage).
Die Auskunftei warnt: Verspätet oder nicht bezahlte Rechnungen seien eine der häufigsten Insolvenzursachen. Vor allem kleinen und mittelständischen Betrieben drohten Liquiditätsengpässe, wenn Kunden nicht rechtzeitig zahlten.
Zahlungsmoral in Berlin am schlechtesten
Am stärksten überziehen den Angaben für Dezember zufolge Unternehmen in Berlin die Frist zum Begleichen von Rechnungen, im Schnitt um 68,4 Tage. Auch in Brandenburg (durchschnittliche Verspätung 56,8 Tage) und in Rheinland-Pfalz (48,7 Tage) zahlen viele Unternehmen Rechnungen mit starkem Verzug. Am besten stellt sich die Situation nach Auskunft von Crifbürgel in Thüringen dar: Unternehmen im Freistaat zahlen im Durchschnitt nur mit 19,6 Tagen Verspätung.
Auch bei der Quote der Nicht- und Spätzahler unter den Unternehmen belegt die Bundeshauptstadt Berlin mit 26,1 Prozent im Dezember den unrühmlichen Spitzenplatz. Am besten ist die Zahlungsmoral demnach derzeit in Thüringen: Dort zahlten den jüngsten Angaben zufolge nur 6,5 Prozent der Unternehmen Rechnungen nicht oder verspätet. (dpa/aw)