Von Thomas Flehmer
Der Verkehr der Zukunft steht vor vielfältigen, ja fast schon monströsen, Aufgaben, die innerhalb der kommenden Jahre bereits mehr als nur ansatzweise Lösungsvorschläge bieten müssen. Die Ausgangssituation in den nächsten Dekaden skizzierte Elmar Pritsch, President Bosch Connected Solutions, auf der fünften Bosch Connected World in Berlin. "8,5 Milliarden Menschen wird es bis 2030 auf der Welt geben. 20 Jahre später werden rund 68 Prozent der Menschheit in großen Städten leben", beschrieb Pritsch das Bild der Zukunft. Die im Februar ausgetragene zweitägige Konferenz führte viele Unternehmen und kluge Köpfe zueinander, um Lösungen für die Probleme der Zukunft zu finden.
Einen hohen Stellenwert erhielt dabei das Auto, beziehungsweise die Rolle oder die Rollen, die der Pkw in den kommenden Jahren einnehmen wird. "Heute ist das Auto das zentrale Objekt, in der Zukunft muss es vernetzte Transportmöglichkeiten geben", so Pritsch weiter. Dass die neue Rolle des Autos vielen dabei schwerfallen wird, ist Pritsch, der seit September 2019 den Bereich der mobilen Lösungen bei Bosch leitet, klar: "Das Auto ist eine Freiheitsstory." Und die neue Rolle des fahrenden Untersatzes löst bei vielen Freiheitsliebenden Beklemmungen aus – sie fürchten um den Verlust des einstigen Status-Symbols.
Das Miteinander zählt
Die Ziele des Geschäftsbereichs der mobilen Lösungen bei Bosch schmälert dabei nicht die Befürchtungen der Auto-Liebhaber. Digitale Mobilitätsdienstleistungen wie Sharing-Angebote sowie Mitfahrservices und die Vernetzung von Autofahrern setzen auf ein Miteinander, indem das Auto als persönliches Eigentum nicht unbedingt mehr vorkommt. "Wir suchen mobile Lösungen", sagt Pritsch: "Sicher, emissionsfrei und stressfrei."
Doch Pritsch behält für die Auto-Liebhaber eine gute Nachricht bereit, die sich allerdings auf die Menschheit negativ auswirken kann: "Die Software ist noch nicht soweit." Dass sich die Lösungen an der Software hinziehen, liegt daran, dass die einzelnen Unternehmen zu lange ihre eigenen Suppen gekocht haben. Das Umdenken in Richtung Zusammenarbeit hat zwar schon vor Jahren eingesetzt, doch die auf der Bosch Connected World in vielen Vorträgen auftauchende Quintessenz unterstreicht, dass auf diesem Gebiet noch mehr getan werden muss.
Durch Partnerschaften Kosten einsparen
"Wir müssen lernen, zusammenzuarbeiten, damit jeder seine Kenntnisse einbringen kann", sagte Jonas Hornqvist. Der Senior Director Sales and Marketing bei NEVS (National Electric Vehicle Sweden) – das Unternehmen hatte 2012/2013 die Konkursmasse von Saab übernommen und gehört seit dem vergangenen Jahr mehrheitlich der chinesischen Evergrande Group – nennt nicht nur die Zusammenlegung des technischen Know-hows als Grund für Partnerschaften, sondern noch den Kostenfaktor. "Durch die Partnerschaften werden Kosten eingespart."
Auch Kathrin Risom, Senior Executive Manager for Product & Marketing, denkt im Vermiet- und Carsharinggeschäft an Partnerschaften angesichts anstehender neuer Business-Modelle. Die Managerin kann sich dabei "Fast-Lanes und Digital-Stations" für die vermieteten Fahrzeuge vorstellen. Auch das eigentliche Share-Geschäft sowie die Vermietung des eigenen Autos werden sich ändern. "Die neuen Business-Modelle werden schnell wachsen. Wenn wir mit den verschiedenen Anbietern zusammenarbeiten, dann kann alles auf einer einzigen Plattform angeboten werden", sagt Risom. Eine einzige Plattform würde den Kunden nicht so stark verwirren wie ein dichtes Geflecht von mehreren Anbietern.
Bosch Connected World 2020
BildergalerieMobile Ladestationen werden helfen
Sixt geht im Bereich der Elektromobilität bereits mit gutem Beispiel voran. So wird nicht nur die Elektroautoflotte im Carsharing-Geschäft vergrößert, das Unternehmen investiert auch in die städtische Ladeinfrastruktur und ist deshalb eine Partnerschaft mit Chargery eingegangen. Das 2017 in Berlin gegründete Unternehmen bietet eine ganzheitliche Lösung für Elektroautoflotten an. Neben mobilen Ladestellen, die auf einem Fahrradanhänger installiert sind und so die elektrischen Sharing-Fahrzeuge dank ihrer Mobilität schneller aufladen können, bietet die Plattform vom Reifencheck bis zur Außen- und Innenreinigung einen vollen Service an. Sixt hofft allein durch die Kooperation, die Elektroflotte in den kommenden zwei Jahren noch stärker ausbauen zu können.
Nicht nur der mobile Sektor benötigt Partnerschaften
Angesichts der zu erwartenden 68 Prozent der Menschheit in Großstädten muss auch der immobile Sektor in den Verkehr der Zukunft hinzugezogen werden. "Wir benötigen Platz", sagte Thomas Herr, Digital-Chef bei CBRE. Herr entwickelt mit seinem Team neue Technologien und Anwendungsmöglichkeiten, die dann auch in den mobilen Sektor einfließen können, sei es in Form von intelligenten Parkhäusern oder auch Freiflächen im urbanen Raum.
Eine Verzahnung der Vielzahl an mobilen und auch immobilen Bereichen avanciert zur Aufgabe der Zukunft, um den zu erwartenden Ansturm der Menschen in den großen Städten bewältigen zu können, ohne dabei im Chaos zu versinken. "Man benötigt Ecosysteme und Partner, ein Unternehmen allein schafft es nicht", sagte Pirsch, "zudem geht es mit Partnern schneller." Bis 2030 und selbst bis 2050 ist es nicht mehr weit.