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"Autogipfel": Durchbruch für Verkehrswende erreicht?

18.11.2020 08:30 Uhr
"Autogipfel": Durchbruch für Verkehrswende erreicht?
Frisches Geld soll den Wandel der Autobranche beschleunigen.
© Foto: MarianVejcik / Getty Images / iStock

Wieder "Autogipfel" mit der Kanzlerin: Die Politik pumpt weitere Milliarden in die Branche, um sie durch Corona-Krise und Öko-Umbau zu tragen. Dafür gibt es Zuspruch - aber nicht alle sind überzeugt, ob das entschlossen genug für eine echte Verkehrswende ist.

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Längere Kaufprämien für E-Fahrzeuge, Zupacken beim Ladenetzausbau, Umsatteln auf sauberere Lkw, ein Zukunftsfonds für Zulieferer: Der "Autogipfel" hat das staatliche Förderpaket für die deutsche Kernbranche nochmals erweitert. Das Echo ist teils positiv, aber so mancher hätte sich Ansätze für eine umfassende Verkehrswende gewünscht. Die Zeit drängt - der EU-Automarkt fällt erneut zurück, während die Briten bis 2030 ein Aus für den Verbrenner anpeilen.

Kaufanreize bis 2025: Die "Innovationsprämie" für Käufer von E- und Hybridautos soll nicht nur bis Ende 2021, sondern vier weitere Jahre angeboten werden. Bis zu eine Milliarde Euro kostet dies den Bund extra. Kunden können weiterhin maximal 9.000 Euro Zuschuss erhalten. Neben reinen E-Modellen werden bisher auch Plug-in-Hybride gefördert, bei denen der Elektromotor einen Diesel oder Benziner unterstützt - Umweltschützer sehen das als Mogelpackung. Hybride sollen künftig nur noch bezuschusst werden, "wenn diese ab 2022 eine Mindestreichweite von 60 Kilometer, ab 2025 von mindestens 80 Kilometer haben".

Ladenetzausbau: Die erhöhten E-Subventionen haben die Nachfrage nach Pkw mit alternativen Antrieben belebt - aber viele Verbraucher haben nach wie vor keine Ladesäule in ihrer Nähe. Eine «Orientierung am künftigen Bedarf» sei nötig, heißt es in der Industrie. Das Ziel der

Bundesregierung: bis Ende 2022 Schnelllade-Möglichkeiten an jeder vierten Tankstelle, bis Ende 2024 an jeder zweiten, bis Ende 2026 an drei Vierteln. Zunächst wird dafür eine Selbstverpflichtung der Branche angestrebt, die der Staat bis Ende 2022 mit Fördergeld unterstützen will. Klappe das nicht, komme eine gesetzliche Regelung.

Beim Verbrenner-Aus legen andere vor: Die Grünen sprachen sich dafür aus, ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos in Deutschland zuzulassen.

Dieses Zieljahr für ein Verbrenner-Aus wird nun in Großbritannien eine feste Vorgabe. Premier Boris Johnson kündigte an, der Verkauf werde dann verboten, der Verkauf von Hybrid-Modellen soll bis 2035 erlaubt bleiben. Damit schwenke ein großer Markt um, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel: "ein Signal an den Kontinent". Tobias Austrup von Greenpeace befürchtet: "Während immer mehr europäische Länder zum Schutz des Klimas immer schneller Ausstiegspläne aus dem Verbrennungsmotor beschließen, droht Deutschland zum letzten gallischen Dorf für Diesel und Benziner zu werden."

Noch kein Ende der allgemeinen Absatzkrise: Der Boom von E- und Hybridautos hielt in den wichtigsten europäischen Märkten auch im Oktober an. In Deutschland entfiel jede sechste Neuzulassung auf ein solches Modell, es kamen in der Summe fast fünf Mal so viele reine Elektrowagen auf die Straße wie vor einem Jahr. Insgesamt gab es im abgelaufenen Monat aber erneut einen Dämpfer: Nach der Mini-Erholung im September sank die Zahl aller Pkw-Neuzulassungen in der EU um mehr als sieben Prozent, in Deutschland ging es um rund vier Prozent abwärts.

Lkw-Abwrackprämie: In schweren Nutzfahrzeugen sollen mehr CO2-arme Antriebe auf die Straße kommen, der Bund startet ein Abwrackprogramm. Kostenpunkt auch hier: eine Milliarde Euro. Die Hälfte ist für den Lkw-Austausch der Abgasnormen Euro 3, 4 oder 5 in Euro 6 reserviert, die andere für öffentliche Beschaffung, etwa bei Feuerwehrfahrzeugen. Umweltschützer monieren, dass auch moderne Diesel gefördert werden.

Der Chef des Umweltbundesamts, Dirk Messner, mahnte, das könne dem Klimaschutz schaden, weil so die Anschaffung reiner E-Lkw noch mehr in die Ferne rücken dürfte. Allerdings kann der Schwerlastverkehr auch noch nicht auf ein europaweites Fernladenetz zurückgreifen.

Zukunftsfonds gegen Härten im Branchenumbruch: Besonders kleine Zulieferer ringen mit dem Tempo des Wandels zu alternativen Antrieben und immer mehr Digitalem in der Produktion und Fahrzeug-Vernetzung. Auch deshalb ist ein Zukunftsfonds für die Autobranche geplant, in den der Bund eine weitere Milliarde Euro einzahlen will. Ziel sei eine "strategische strukturpolitische Orientierung" für Deutschland, aber auch eine Strategie für den Wandel speziell in den Regionen mit besonders vielen Unternehmen des Wirtschaftszweigs (Auto-Cluster).

Das sagen Verbände, Unternehmen und Gewerkschaften: Die Chefin des Auto-Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, hält die neuen Zusagen für einen "wichtigen Beitrag". Ein "Paradigmenwechsel" zeichne sich ab. "Zur Zukunft gehören aber weiterhin auch moderne Verbrenner", sagte sie am Mittwoch. "Hier muss mit aller Kraft daran gearbeitet werden, den Kraftstoffeinsatz CO2-neutral zu machen." Kritisch sieht Müller Überlegungen für deutlich verschärfte EU-Regeln beim Ausstoß von Stickoxiden: "Was diese Norm vorsieht, ist technisch praktisch nicht zu schaffen. Wir erwarten, dass sich Ursula von der Leyen dieses nicht machbaren Vorschlags aus Ihrer Kommission annimmt."

Der weltgrößte Autokonzern VW beurteilt die Gipfel-Beschlüsse als entscheidenden Schritt - man sehe "politischen Gestaltungswillen". Daimlers Truck-Chef Martin Daum meinte, das Abwrackprogramm liefere "einen schnell wirksamen Hebel zur Verbesserung der Luftqualität". IG-Metall-Chef Jörg Hofmann erklärte, das Austauschprogramm könne die schwache Konjunktur und die angespannte Beschäftigungslage stützen.

Das sagen weitere Umwelt- und Verbraucherschützer: Neben der Kritik von Greenpeace und dem Umweltbundesamt sieht etwa der World Wide Fund For Nature (WWF) Defizite. Nicht alle Hilfen könnten klar auf ihre Nachhaltigkeit überprüft werden, so Deutschland-Vorstand Eberhard Brandes. "Die Konjunkturhilfen müssen klar ausgerichtet auf den Umbau zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft sein und diesen beschleunigen." Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, betont: "Die Verkehrswende ist mehr als E-Auto-Förderung." Er vermisse mehr Unterstützung auch für Menschen, die auf Nahverkehr, Schiene oder Car-Sharing umsteigen wollen. (dpa)

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