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Aufbauspritze für die Anti-Diesel

01.06.2016 06:00 Uhr

Erst fördern, dann fordern: Grüne Kraftstoffe wie Autogas oder Erdgas werden nur sporadisch in den Flotten eingesetzt. Der Diesel ist halt zu günstig. Nun sollen weitere Subventionen und Zwänge dies ändern.

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_ Alternative Antriebe funktionieren in der Fläche nur mittels zweier Dinge: Förderung oder Zwang. Das Spektrum der emissionsfreien Elektromobilität reicht dabei von den batteriebetriebenen Stromern bis zu den auf die Umkehrung der Elektrolyse setzenden Brennstoffzellenautos. Beide Wege fern der fossilen Kraftstoffe erfahren in den nächsten Jahren staatliche Förderung, die bisweilen von der Autoindustrie unterfüttert wird. Bis zu 1,2 Milliarden Euro schwer soll der Förderkuchen werden, der bis zum Stichtag (30.6.2019) deutlich den Appetit auf die Fahrzeuge mit Batteriepack steigern soll.

Per Windhundverfahren ("Wer zuerst kommt, mahlt zuerst") werden für jedes reinrassige E-Fahrzeug 4.000 Euro Prämie gezahlt, für Plug-in-Modelle sind es 3.000 Euro. Die Obergrenze für das jeweilige Basismodell beträgt satte 60.000 Euro (Listenpreis).Damit hoffen der Bund und die Autohersteller, die sich die Kosten teilen, auf mindestens 300.000 Stromer-Neuzugänge.

Gleichzeitig investiert der Bund 300 Millionen Euro in den Ausbau der Ladeinfrastruktur und will selbst aktiv werden und die öffentlichen Flotten für 100 Millionen Euro mit Stromern ausrüsten. Jeder fünfte Bundes-Dienstwagen soll künftig ein E-Fahrzeug sein - so der Plan. Auch der noch deutlich kleinere Markt für Wasserstofffahrzeuge (H2) wird künftig staatlich bezuschusst (siehe S. 26).

CNG und LPG

Im Vergleich zu den unterschiedlichen E- und H2-Varianten sind Autogas (LPG) und Erdgas (CNG) als emissionsarme Kraftstoffe längst etabliert. Sichtbar sind die Modelle mit Gastank aber kaum im Flotteneinsatz, was ein Blick in die Statistik verdeutlicht. Das Kraftfahrt-Bundesamt zählte im Flottenmarkt in den Jahren 2013 bis 2015 exakt 3.157, 4.497 respektive 6.366 neue Autos mit Erdgastanks. Bei den LPG-Modellen waren es in der gleichen Zeit zwischen 4.431 und 4.519 Neuzugänge.

Das ist einerseits - zumindest aus Sicht der Erdgasfahrzeuge - zwar ein beachtlicher prozentualer Anstieg, aber gemessen an den Selbstzünder-Neuzugängen, die in dieser Zeit zwischen 500.000 und 600.000 zählten, sind beide nur Randerscheinungen. Und das, obwohl das Tanken einfach sowie deutschlandweit möglich (siehe Grafik 2) ist und die Reichweiten für die meisten Dienstfahrten ausreichend wären. Aber in Zeiten der Dauertiefpreise an den Dieselzapfsäulen geht der Kostenvorteil verloren.

Vorteil verspielt

So rüstete beispielsweise im Jahr 2010 das Polizeirevier Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt 18 VW Passat als bivalente Modelle aus. Betankt wurden diese über eine 24-Stunden-Erdgastankstelle in der Kreisstadt Bernburg. Im Ergebnis des dreijährigen Tests wurde festgestellt, dass die bivalenten Erdgasfahrzeuge gegenüber den Selbstzündern wirtschaftlicher betrieben werden, wie ein Sprecher des zuständigen Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt gegenüber Autoflotte erklärte. Folgerichtig wurde nach Ablauf des dreijährigen Leasings dieselbe Anzahl an bivalenten Erdgasfahrzeugen als Ersatz für die Rückläufer beschafft. Aus damaliger Sicht ging die Rechnung also auf. Die derzeit niedrigen Kraftstoffpreise haben laut dem Sprecher aber mittlerweile dazu geführt, dass rein dieselbetriebene Fahrzeuge vorerst wirtschaftlicher zu betreiben sind. Eine Ausweitung, bezogen auf die Stückzahl der Fahrzeuge und auf andere Standorte, sei deshalb vorerst nicht angedacht, ließ das Ministerium verlautbaren.

ZukunftsaussichtenP Auch der Fahrzeughandel sieht die Entwicklung von Erdgasund Autogasfahrzeugen eher verhalten. Befragt nach den Antriebsarten mit den größten Zukunftschancen präferierten die Händler eher Hybride, Wasserstofffahrzeuge und Stromer (siehe Grafik 1). Erdgas und Flüssiggas bildeten die Schlusslichter in der Befragung unserer Schwesterzeitschrift Autohaus, die ein Online-Panel mit rund 1.600 Autohändlern turnusmäßig befragt.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Denn auf eines können die Käufer der Anti-Diesel weiterhin zählen: auf den Steuervorteil - und damit die staatliche Subvention an der Tankstelle. Laut einem Entwurf des Bundesfinanzministeriums werden Autogas (bis 2021) und Erdgas (bis 2024) steuerlich begünstigt. Die jeweils letzten drei Jahre geschieht dies degressiv, so dass der Steuerbonus für LPG und CNG langsam abschmilzt. Das sorgt zwar für Planungssicherheit für die Flottenbetreiber und den Gebrauchtmarkt, aber für neuen Schwung bei den Verkäufen wird es wohl nicht reichen.

Blaues Wunder

Eine wesentlich stärkere Wirkung auf die Zulassungszahlen dürfte die Einführung einer blauen Umweltplakette haben, wie sie gerade debattiert wird. Am konkretesten dürfte es da zunächst auf Stadtebene werden, wie das Beispiel Stuttgart zeigt (siehe S. 34). Mit dem Ergebnis, dass auf die Förderung der Zwang folgen würde. Applaus gibt es dafür von der Initiative Zukunft Erdgas, einem Zusammenschluss der deutschen Erdgaswirtschaft."Die Einführung der blauen Plakette ist längst überfällig. Wir brauchen endlich wirksame Maßnahmen gegen Stickoxide und Feinstaub in unseren Städten", betonte Timm Kehler, Vorstand der Initiative. Kritisch sieht er die Idee, wonach nur Euro-6-Fahrzeuge die Plakette erhalten würden, nicht aber ältere Erdgasfahrzeuge, die laut Kehler kaum Stickoxide und Feinstaub emittieren und daher in der Praxis so sauber seien, wie es die neuen Umweltnormen fordern (siehe Grafik 3). "Es darf nicht sein, dass Autofahrer einen Nachteil haben, die sich schon früh für Erdgasfahrzeuge entschieden haben.

Pioniere für saubere Mobilität dürfen nicht bestraft werden", argumentiert der Vorstand. Sehr frühzeitig kam Kritik vom Bundesverband Fuhrparkmanagement auf (siehe Autoflotte 5/2016, S. 19) und diese Bedenken wurden nun erneuert (siehe S. 34). Der Wettstreit ist damit eröffnet. Es fragt sich nur, welche Macht hier stärker sein wird: die des Marktes oder die des Staates?

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