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Auf Kurs bringen

02.07.2018 06:00 Uhr
Auf Kurs bringen

Der Industriedienstleister Bilfinger hat mit Fleetcompetence die Einkaufsmacht gestärkt, indem man stärker zentralisierte. Obwohl die Zahl der Leasinggeber sank, bleibt der Wettbewerb.

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_ Die Vorteile des zentralen Einkaufs erschließen sich wohl jedem Fuhrparkmanager schnell. Allein die Umsetzung dieser Zentralisierung der Vorgaben und damit auch das Begrenzen von Ausnahmen und Wünschen wird allerdings spätestens dann zum Knackpunkt, wenn die Flotte auf verschiedene Länder verteilt ist und damit unterschiedlichen steuerlichen oder administrativen Vorgaben unterliegt.

Bündelung als großer Hebel Dennoch wagt Michael Kurda eine Einschätzung für seine Fuhrparkkollegen: "Von meiner Warte aus betrachtet lohnen Bündelungen von europäischen Fahrzeugvolumen über eine vereinheitlichte internationale Car Policy, sobald man mindestens in drei bis vier Hauptmärkten mit jeweils 300 bis 400 Fahrzeugen unterwegs ist. Kleinere Flottenmärkte können hier dann beliebig angeschlossen werden. Damit verfügt man über das nötige Austauschvolumen, um seine Vorgaben durchzusetzen." Kurda hat genau dies getan - und zwar fast in Rekordzeit. Aber dazu später mehr.

Nicht jeder Fuhrparkleiter ist, wie Kurda, Herr über gut 5.000 Einheiten (9.000 Einheiten sind es sogar in der strategischen Einkaufskooperation von Bilfinger und Apleona), die in 13 europäischen Ländern touren. So gewaltig wie der Fuhrpark, so gewaltig klingt auch Kurdas Titel: Global Category Manager Fleet. Diesen führt der Manager im Namen seines Arbeitgebers Bilfinger.

Die Größe des weltweit agierenden Industriedienstleisters ist Teil und Lösung des Problems. Denn bislang wurden Firmen übernommen und allein organisatorisch in Cluster zusammengefasst. Beim direkten Einkauf funktioniert diese Bündelung je nach Sparte recht gut. Beim Fuhrpark, der bei Bilfinger verschiedene Funktionen erfüllt - mal stärker als Funktionsflotte, dann wieder eher unter dem User-Chooser-Gedanken - , ist es komplizierter.

Europaweit

Nichtsdestotrotz machte sich Kurda gemeinsam mit den Kollegen der ehemaligen Tochterfirma aus dem Facility- Management-Bereich (Apleona) an die Zentralisierung und begann mit 13 europäischen Märkten wie Deutschland, dem mit gut 4.500 Einheiten größten Einzelmarkt, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Norwegen, Finnland, Schweden, Österreich, Polen, Schweiz, Tschechien, UK und Italien. In diesen Märkten erbringt Bilfinger Ingenieurleistungen und technische Lösungen (Engineering) sowie den Instandhaltungsservice, Modifikationen und die Betriebsführung industrieller Anlagen (Maintenance).

Eine Car Policy

Die ehemalige Konzerntochter - und mittlerweile strategischer Partner - Apleona betreibt das Thema Facility Management. Da beide Flotten historisch verbunden und ungefähr gleich groß sind, ist der gemeinsame Hebel beim Einkauf recht groß, so dass folgende Entscheidung fiel: Es braucht für beide Unternehmen ein zentrales Lieferantenkonzept auf Basis einer gleichlautenden internationalen Car Policy. AlsVorlage diente laut Kurda das Deutschlandgeschäft: "Wir hatten Deutschland sehr zentral aufgestellt. So dass es hier trotz unterschiedlicher Firmen eine Car Policy gab. Jede Einheit in einem anderen Land hatte jedoch historisch gewachsen eine eigene Fuhrparkpolicy mit eigenen Lieferanten und Abläufen. Allein in Österreich haben wir sieben verschiedene Firmen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Bilfinger-Konzern gekommen sind. Und seitdem fährt eben die eine Firma die Marke A und die andere die Marke B im Fuhrpark." Das ist wenig effektiv, also musste eine gesamteuropäische Car Policy her. Und diese entwickelte man nun zusammen mit dem Fuhrparkberater Fleetcompetence.

Große Ausschreibung

Kurda erinnert sich:"Im Frühjahr 2017 haben wir intern eine erste Analyse gefahren, Potenziale abgeschätzt und geschaut, in welchen Ländern wir überhaupt relevante Fuhrparks haben, die wir zusammenfassen können. Im April 2017 sind wir dann das erste Mal auf diverse Berater zugegangen. Mehr als ein halbes Dutzend externe Berater, darunter mehrere der Big Four, wurden gehört und verglichen. Das waren sehr, sehr unterschiedliche Angebote und ein sehr unterschiedliches Level an Berater- und Fleet-Know-how."

Am Ende machte eben nicht eine klassische Unternehmensberatung das Rennen, sondern der Spezialanbieter für Fuhrparkberatung Fleetcompetence. "Bei Fleetcompetence passte gleich die Mischung aus einem international aufgestellten Team, das sich rein um den Bereich Fuhrpark kümmert", lobt der Flottenchef. Bereits im Juni 2017 - also wenige Wochen nach der Ausschreibung - legte man gemeinsam mit dem Umbau los. Hier ging es in zwei Richtungen: Zum einen sollte ein Leistungskatalog aufgestellt werden, um Prozesse in der Flotte zu harmonisieren und zu standardisieren. "Gleichzeitig wollten wir am Puls der Zeit bleiben und aktuelle Trends integrieren", so der Fuhrparkverantwortliche.

Das las sich im Lastenheft dann wie folgt: Optimierungsvorschläge für die Fleet in Europa ausarbeiten, Erarbeitung von Fahrzeug- Spezifikationen und der Servicestandards, die soweit möglich einheitlich, aber wo notwendig spezifisch für die Länder sind, und eine Analyse der Fuhrparkorganisation.

Hier kommt wieder die Diversität der Flotte zum Tragen. Nehmen wir das Beispiel unseres Fuhrparks in Finnland, lädt Kurda auf eine gedankliche Reise in den Norden ein. "Die finnischen Spezifikationen sind einfach anders als bei uns. Hierzulande ist in keinem Nutzfahrzeug eine Standheizung drin. Bei den Finnen ist diese nötig, da sonst der Motor eingefroren ist und sie am nächsten Morgen nicht loskommen." Neben diesen geografischen Besonderheiten, die in der Ausstattung Widerhall finden, kommt das Steuerrecht zum Tragen."Ergo kann ich nicht sagen: One size fits all. Aber ich kann - um im Bild zu bleiben - zumindest sagen, welches T-Shirt die Leute zu tragen haben", fasst Kurda die Grundidee zusammen.

Zusammenfassen ließen sich die Aktivitäten von Bilfinger und Apleona recht gut, was den Vorteil hat, "dass wir uns nicht zweimal das Wording für eine passende Car Policy überlegen müssen und diese dann jeweils mit dem Betriebsrat, dem Personalbereich und der Rechtsabteilung klären mussten, sondern dies einmal für beide erstellten". Es ist wichtig in diesem Zusammenhang nochmals auf die Konstellation der Firmen hinzuweisen. So sieht der "request for proposal", also die Ausschreibungsgestaltung, vor, dass es trotz der zwei rechtlich getrennten Partner - Bilfinger und Apleona - weiterhin eine gemeinsame Fuhrparkstrategie gibt. Dies wurde vor allem aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit der Unternehmen von den Lieferanten auch weitestgehend akzeptiert.

Drei-Säulen-Prinzip

Die neuen internationalen Rahmenverträge für die Bereiche Fahrzeughersteller und Leasinggeber, die zusammen mit Fleetcompetence konzipiert und verhandelt wurden, brachten weitreichende Veränderungen für den Einkauf, aber vor allem für die Dienstwagennutzer mit.

Das gesamte Projekt fußt auf drei Säulen: Fahrzeughersteller, Leasinggeber und der Car Policy. Die vereinheitlichte Car Policy ließ auch die beiden übrigen Säulen schmaler werden. So wurden die Leasinggeber von mehr als 15 auf aktuell drei reduziert, flankiert von vier Fahrzeugherstellern - zwei Premiumanbietern und zwei für die Funktionsflotte. Konkurrenz ist dennoch weiterhin gefragt. So treten die drei Leasinggeber VW Leasing, Leaseplan und Arval in einem Multi-Bidding gegeneinander an, sobald es um einen Neuzugang in der Flotte geht.

Emotionen

Und hier gibt es mittlerweile recht enge Vorgaben - nicht nur an die Leasinggeber, sondern auch an die Dienstwagenfahrer, wenn diese sich ein neues Leasing-Fahrzeug (rund 80 Prozent der Flotte wird geleast, Tendenz: steigend) konfigurieren wollen. Hier kommt die Emotionalität gegenüber den Automarken ins Spiel."Hierbei ist Deutschland sicherlich ein spezieller Standort, wie übrigens auch die Niederlande und Großbritannien, die allesamt emotional am Fahrzeug hängen. Je weiter wir Richtung Süden oder Osten gehen, desto weniger wird das Fahrzeug als Benefit gesehen, sondern vielmehr als Arbeitsgerät. So ist gerade die Entscheidung für eine Single-Supply- Variante für die Premiumfahrzeuge im User-Chooser-Bereich eher als Revolution zu sehen", erklärt Kurda. Single-Supply heißt in diesem Fall, dass die Verantwortlichen eines Landes entweder für Mercedes-Benz oder für Volvo votieren können. Nur eine Marke kommt auf die Shopping List. Vice versa sind im Generalisten- und Nutzfahrzeugbereich Modelle von Ford oder der PSA-Gruppe zu ordern. Gelandet ist man bei diesem Quartett anhand eines Vorgabekatalogs, der von den Lieferanten unter anderem Road- and Safety-Standards gemäß NCAP verlangt. Auch Nachhaltigkeitsthemen, wie die CO2-Werte der Flotten, spielten hier stark hinein. Der entscheidende Punkt ist aber die TCO-Betrachtung, also die Vollkostenrechnung. Hier war die Expertise von Fleetcompetence besonders gefragt.

TCO-Expertise

Im Mittelpunkt stehe in 90 Prozent gleichgelagerter Projekte der Business Case, wie Tobias Kern, Gesellschafter und Managing Partner bei Fleetcompetence, berichtet: "Auf der Grundlage eines detaillierten Ausschreibungsprozesses gilt es, entsprechend einen Business Case pro Markt und in aggregierter Form für Europa zu erstellen. Für Bilfinger/Apleona wurden so über 250 Szenarien analysiert, was bei der betrachteten Markenvielfalt im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Supply-Modellen (zum Beispiel Single, Dual, Triple) üblich ist. Nach der zentralen Entscheidung über das favorisierte Herstellerszenario je Fuhrparksegment (Premiumanbieter, Volumenhersteller und leichte Nutzfahrzeuge) gab es eine Empfehlung an die Märkte, welche Marke aus den international gesetzten Lieferanten jeweils pro Segment zu favorisieren ist und welche Einsparerwartungen daran gekoppelt sind. Das heißt, bei der Umsetzung der zentralen Fuhrparkrichtlinie in den Märkten sind die lokalen Verantwortlichen angehalten, mindestens auf diese Einsparerwartungssummen zu kommen. Wenn man sich dennoch für die alternative Marke entschieden hat, muss diese so in die Car Policy eingebettet werden, dass sie die zentralen Vorgaben an die Einsparungserwartungen umsetzen kann."

Das Resultat sind internationale Rahmenverträge, die die Leasing- und Herstellerkonditionen zentralisieren. Was in diesem Fall bereits zu annähernd 100 Prozent funktioniert, wie Kurda berichtet. Im Leasingbereich gibt es darüber hinaus nationale Leasingverträge, die diese Konditionen spiegeln müssen und zusätzlich die länderspezifischen Besonderheiten, wie den Servicelevel oder die rechtlichen Vorgaben, verankert haben müssen. Im Bereich der Autohersteller werden, wo es notwendig oder vorteilhaft ist, weiterhin lokale Verträge mit Importeuren beziehungsweise Autohäusern abgeschlossen. Mit diesen Komponenten stand schließlich das Vertragskonstrukt.

Das "Go" holten sich die Projektverantwortlichen zwischenzeitlich vom Vorstand ab, so dass die neue Strategie "top down" umgesetzt wurde. Vorleben müssen dies die Fuhrparkverantwortlichen in den dreizehn Ländern. Und diese bringen - nicht untypisch für Flottenchefs - recht unterschiedliche Hintergründe mit.

Lokale Leitung

"Der eine kommt aus dem Einkaufsbereich und hat bereits Fahrzeuge gekauft oder geleast, ein anderer kommt aus dem Personalbereich und hat sich bislang um die User-Chooser gekümmert. Anderenorts kümmert sich nun der CFO selbst um die Flotte. Es sind also alles Verantwortliche, die sich mit dem Thema - aus welcher Richtung auch immer - schon länger beschäftigt haben", erzählt Kurda.

Alle fuhrparkrelevanten Entscheidungen müssen vom Global Category Manager Fleet bestätigt werden, was Ausnahmen von den Vorgaben auf ein notwendiges Minimum beschränkt. Die weiteren disziplinarischen Strukturen bleiben in den Ländern indes gleich. Innerhalb eines halben Jahres sollten dann ab Sommer 2018 diese neuen Strukturen entstehen. Was bisweilen ein großer Veränderungsprozess war, denn langjährige Beziehungen mussten beendet und andere neu aufgebaut werden.

Neue "alte Partner"

"Das ist schon eine Veränderung. Gerade weil der Prozess natürlich vielerorts schon sehr gut eingespielt war. Deshalb haben wir zumindest darauf geachtet, dass wir in jedem Land mit einem Leasinganbieter zusammenarbeiten, der mit uns bereits in Beziehung stand, uns also kennt", weiß der Flottenverantwortliche.

Ungeachtet von der geringeren Markenauswahl im Konfigurator sollte der Fahrer nichts vom neuen Weg merken. "Für ihn ist es egal, ob er beispielsweise seine Servicekarte vom Leasinggeber A oder B erhält. Eine aussagekräftige Prozessbeschreibung als Teil der Fahrerkommunikation bei Fahrzeugauslieferung und ein zentraler Ansprechpartner für Fragen zu Servicekomponenten zusammen mit einer funktionalen App sind hierbei essentiell", so Kern.

Das Ganze mündet schließlich in den gewünschten Skaleneffekten, wie Kern vorrechnet:"Wer mit einem vier- oder fünfstelligen Fuhrparkvolumen internationalisiert, kann auf Einsparungen im Millionenbereich kommen." Kurda bestätigt dies: "Sowohl für Bilfinger als auch für Apleona sparen wir über den Fahrzeuglebenszyklus nun einen ordentlichen Betrag ein."

Einen noch ausführlicheren Einblick in die Geschichte finden Sie im E-Paper der Autoflotte zum Download unter digital.autoflotte.de

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