_ Ein Hinweisbeschluss vom Oberlandesgericht (OLG) Köln vom 16.07.2012 (Az. 13 U 80/12) sorgt aktuell für Unruhe und Rechtsunsicherheit in der Fuhrparkbranche. Das Gericht vertritt die Rechtsansicht, dass der Geschädigte gegen seine Schadenminderungspflicht verstößt, wenn er das verunfallte Fahrzeug veräußert, ohne dem Schädiger respektive dem dahinterstehenden Kfz-Haftpflichtversicherer zuvor unter Vorlage des eingeholten Sachverständigengutachtens die Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot zu unterbreiten.
Dies hätte für Fuhrparks weitreichende Konsequenzen. Doch die Instanzengerichte stellen sich hier mehrheitlich gegen die Rechtsprechung des OLG Köln. Nach überwiegender Ansicht verstößt diese Rechtsauffassung gegen die klaren Vorgaben des Bundesgerichtshofes zum Restwertverkauf (BGH, Urteil vom 12.07.2005, Az. VI ZR 132/04).
Instanzenrechtsprechung
Um gerüstet zu sein und den Kürzungen der Versicherer die Stirn bieten zu können, ist es hilfreich, die Instanzenrechtsprechung zu kennen. Hier eine Auswahl an Urteilen, die sich nicht nur mit der Vorlagepflicht beschäftigen, sondern sich explizit gegen die Rechtsprechung aus Köln wenden:
- LG Bamberg, 6.12.2013, Az. 3 S 102/13
- AG Biberach, 22.02.2013, Az. 7 C 1102/12
- AG Eggenfelden, 29.09.2014, Az. 1 C 556/14
- AG Hamburg-St. Georg, 5.12.2013, Az. 915 C 297/13
- AG Heidenheim, 15.10.2014, Az. 4 C 1030/14
- AG München, 24.1.2014, Az. 345 C 26345/13
- AG Pforzheim, 27.03.2014, Az. 13 C 21/14
- AG Titisee-Neustadt, 27.9.2013, Az.12 C 109/13
Diese Gerichte führen einhellig aus, dass es nicht dazu führen darf, dass dem Geschädigten bei der Schadenbehebung die vom Schädiger oder dessen Versicherer gewünschten Verkaufsmodalitäten aufgezwungen werden. Wenn der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens bleiben soll, muss er das Fahrzeug mit wirtschaftlichem Totalschaden alsbald verkaufen können.
Wenn den Geschädigten eine Obliegenheit dahingehend treffen sollte, ein Restwertangebot der Versicherung des Schädigers abwarten zu müssen, könnte er ohne Verstoß gegen seine Schadenminderungspflicht überhaupt nur das Fahrzeug weiterveräußern, wenn er zuvor die Genehmigung der Versicherung eingeholt hat. Angesichts der Bearbeitungsdauer ist jedoch nicht klar, wie lange der Geschädigte nach Übersendung des Gutachtens an die Versicherung warten muss, um sichergehen zu können, dass diese kein günstigeres Restwertangebot mehr unterbreiten wird.
Zeitraum unklar
Bisher ist auch nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des OLG Köln nicht klar, in welchem Zeitraum nach Übersendung des Gutachtens an die Versicherung der Geschädigte zum Restwert laut Gutachten das verunfallte Fahrzeug verkaufen darf, ohne eine Obliegenheitsverletzung gegenüber der Versicherung des Geschädigten zu begehen. Bis die Versicherung nach einem Unfall ein eigenes Restwertangebot unterbreiten kann, können mehrere Wochen vergehen. Insofern kann es kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht sein, wenn der Geschädigte auf die Restwertberechnung seines Gutachtens vertraut und das Fahrzeug veräußert. Dies zumindest dann, wenn das Gutachten mit drei Restwertangeboten den Anforderungen des BGH (Urteil vom 13.10.2009, Az. VI ZR 318/08) entspricht.
Exkurs: Standgeld bis zur Abholung
Das Landgericht Mannheim hat sich mit Urteil vom 18.08.2014 (Az. 5 O 12/14) übrigens damit beschäftigt, dass dem Geschädigten die volle Erstattung der angefallenen Standgeldkosten gegenüber dem Versicherer zusteht, auch wenn der Restwertaufkäufer das Fahrzeug erst zeitlich verzögert abholt.
Praxishinweis
Das AG Titisee-Neustadt setzt sich ferner mit der Thematik auseinander, wenn der Versicherer bereits von Beginn an mitgeteilt hat, dass der offensichtlich standardisierte "Bittewarten"-Hinweis der Versicherer irrelevant ist. Jedenfalls soll dieser immer dann unbeachtlich sein, wenn der Geschädigte auf die Einnahme aus der Restwertverwertung für eine zeitnahe Ersatzbeschaffung angewiesen ist. Doch Vorsicht, dies kann im Umkehrschluss bedeuten, dass dem Versicherer dann eine Möglichkeit der Überprüfung zugestanden werden kann, wenn man gegenüber Flottenkunden zuvor darauf hingewiesen hat.
Fazit
Eine Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung des gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherers besteht grundsätzlich ebenso wenig wie die Verpflichtung zur Berücksichtigung sogenannter überregionaler Restwertbörsen.
- Ausgabe 01/2015 Seite 49 (166.2 KB, PDF)