Skoda-Chef Winfried Vahland hat gut lachen: Gerade eben erst hat er einen einzigartigen Rekord in der Firmengeschichte geknackt und erstmals über eine Million Autos im Jahr verkauft. Und jetzt kann er sich schon auf einen weiteren Meilenstein freuen - in der portugiesischen Provinz nimmt er in diesen Tagen den nächsten Superb ab, der seine Publikumspremiere im März auf dem Genfer Salon feiert und von Juni an als neues Flaggschiff den Aufstieg der Marke weiter voran treiben soll: "Wir sind in der Champions League angekommen", freut sich der Firmenchef und klingt dabei so, als sei er mit dem Klasseneinzug alleine noch nicht ganz zufrieden.
Der neue Superb wird deshalb kein Bewahrer, der den Status quo nur festigen soll. Sondern das, was sich da noch bis zur Unkenntlichkeit unter einer Fleckenfolie getarnt in der portugiesischen Provinz für den großen Auftritt warm läuft, soll ein echter Eroberer werden, der die Mittelklasse gehörig durcheinander wirbeln will. "Wir müssen uns vor keinem Ford und keinem Opel mehr verstecken, und vor den Franzosen oder Asiaten erst recht nicht", sagt Vahland stolz. Dass der Superb auch im Konzernvergleich weit vorne mitfährt, lässt er aus politischem Kalkül lieber unerwähnt. Und wenn Projektleiter Roman Hawelka davon erzählt, wie gut sich die Prototypen bei den Abnahmefahrten auch gegen Mittelklasse-Modelle geschlagen haben, die man neben einem Skoda nun wirklich nicht erwartet hätte, klingt das fast ein bisschen verschämt und so, als wären die Tschechen von ihrer eigenen Leistung überrascht. "Aber wir hatten zum Vergleich sogar BMW und Mercedes dabei."
Ausgereizter Ableger
Dass der Superb auch gegen eine E-Klasse oder einen Fünfer anfahren kann und den trotz seines Facelifts mittlerweile ein bisschen betagten Audi A6 glatt hinter sich lässt, ist eine echte Leistung. Denn streng genommen ist auch die dritte Generation der Limousine wieder nur ein Ableger des VW Passat. Schließlich nutzen beide Modelle den modularen Querbaukasten des Großkonzerns. Allerdings hat Skoda die Architektur bis an ihre Grenzen gedehnt: Der neue Superb, den Designchef Josef Kaban mit der gleichen Schärfe gezeichnet hat wie die Studie Vision C, legt deshalb nicht nur in der Breite noch einmal fünf Zentimeter zu und macht im Rückspiegel des Vordermanns eine entsprechend breite Brust. Projektleiter Hawelka hat vielmehr auch acht Zentimeter mehr Radstand durchgesetzt. Jetzt, wo die Achsen der 4,86 Meter langen Limousine sogar noch fünf Zentimeter weiter auseinanderstehen als beim Vetter aus Wolfsburg, fühlt man sich innen fast so gut aufgehoben wie in einer Luxuslimousine: Nicht mehr der Passat, sondern der Phaeton, die S- statt der E-Klasse und der A8 anstelle des A6 kommen einem in den Sinn, wenn man sich auf die Sessel im Fond fallen lässt und ganz lässig die Beine übereinander schlägt. Nicht umsonst prangt an der Rückenlehne des Beifahrers sogar der "Chefschalter", mit dem sich wie in einer Chauffeurslimousine der Vordersitz auch von hinten elektrisch verstellen lässt.
Weil wahre Größe aber nicht nur eine Frage von Zentimetern ist, hat Skoda viel am Detail gearbeitet: "Neben optimaler Raumausnutzung war der Fahrkomfort für uns das wichtigste Entwicklungsziel", sagt Hawelka, während der Prototyp auch die schlechtesten Landstraßen im Nirgendwo nordöstlich von Lissabon glattbügelt. Dafür hat der Projektleiter dem Superb ein Fahrwerk mit variablen Dämpfern spendiert und es in der Komfortstellung so weich abgestimmt, dass die Limousine selbst auf üblem Kopfsteinpflaster so gelassen fährt wie auf einer mit großzügig ausgeschütteten EU-Geldern frisch asphaltierten Autobahn. Dazu die neuen Sitze mit mehr Halt, weicheren Polstern und eingebauter Lüftung, eine Drei-Zonen-Klimaautomatik sowie die bessere Geräuschdämmung durch dickere Scheiben und zusätzliche Dichtgummis – schon fühlt man sich nicht mehr in der Premium Economy, sondern mitten drin in der Business-Klasse.
Assistenten ohne Ende
Den Anspruch vom Aufstieg unterstreicht Skoda auch mit einer endlos langen Ausstattungsliste: "Wir holen uns aus dem Konzernregal alles, was die Technik hergibt", sagt Vahland und verweist auf Extras wie den Abstandstempomaten mit Stopp-&-Go-Funktion und Lenkeingriff, die elektrische Heckklappe mit Gestensteuerung, eine Kamera, die das Fernlicht steuert oder bei der Spurführung hilft, und die vielen Rangierhilfen. Kein Wunder, dass sich der Preis für das Flaggschiff künftig locker auf mehr als 50.000 (brutto) Euro treiben lässt – auch in dieser Disziplin marschiert Skoda deshalb Richtung Oberklasse. Immerhin versprechen die Tschechen für ihr Basismodell eine moderate Preispolitik, wollen nur wenige hundert Euro aufschlagen und auch weiterhin "deutlich unter 25.000 Euro" (brutto) starten.
Was dem Superb am letzten Quäntchen Hightech fehlt, macht er mit anderen Qualitäten wett. Denn auf die LED-Scheinwerfer des Vetters aus Wolfsburg kann man genauso gut verzichten wie auf dessen Head-up-Display oder das virtuelle Cockpit, wenn man statt dessen das riesige Platzangebot genießt, sich förmlich im Kofferraum mit konkurrenzlosen 625 Litern Volumen verliert oder bei jeder Gelegenheit eine neue Simply-Clever-Idee entdeckt: Von der an mehreren Stellen einclipsbaren Halterung fürs i-Pad bis hin zum derart pfiffig geformten Flaschenhalter, dass sich Flaschen darin tatsächlich mit einer Hand öffnen lassen.
Hinten Appschalten
Beim Infotainment ist die Tochter der Mutter sogar ein wenig voraus: Skoda bietet nicht nur vier neue Navigationssysteme, sondern bindet über Apple CarPlay, Mirror-Link und die Google-Integration als erster Hersteller Smartphones aller gängigen Betriebssysteme in einem Modell komplett ins Fahrzeugsystem ein. Außerdem gibt es eine spezielle App, über die sich das Infotainment auch vom Handy oder einem Tablett steuern lässt. Das ist nicht schlecht, wenn der wichtigste Passagier bisweilen hinten rechts reist und so weit weg sitzt, dass er sonst gar nicht eingreifen kann.
Nur unter der Haube regiert bei Skoda die Vernunft. Nicht dass der Superb mit seinen fünf Benzinern von 125 bis 280 PS und den drei Dieseln von 120 bis 190 PS nicht ausreichend motorisiert wäre. Zumal die komplett ausgetauschten Aggregate im Einzelfall auch noch bis zu 30 und im Schnitt knapp 20 Prozent sparsamer sind, so dass der Verbrauch im besten Fall laut Hersteller auf 3,7 Liter sinkt. Doch zumindest fürs Prestige würde dem Flaggschiff der 240-PS-Diesel aus dem Passat oder gar ein standesgemäßer V6 gut zu Gesicht stehen. Denn wer in der Champions League Erfolg haben will, der braucht auch einen schnellen Stürmer. (Benjamin Bessinger/sp-x)