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Fahrbericht Volvo S90: Skandinavische Limousinen-Kultur

13.07.2016 06:01 Uhr
Der in der oberen Mittelklasse angesiedelte S90 streckt sich auf unübersehbare 4,96 Meter.
© Foto: Volvo

Endlich gibt es wieder eine große schwedische Limousine. Dass es der S90 in Deutschland eher schwer haben wird, liegt nicht an seinen Qualitäten, sondern am Wettbewerb – und an dem für Herbst erwarteten Schwestermodell.

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Von Peter Eck/SP-X

Die Schweden sind, wenn sie nicht gerade auf den Namen Zlatan Ibrahimovic hören, ein bescheidenes, freundliches Völkchen. Auf dicke Hose machen, das überlassen sie gerne Touristen oder Fußballern. Mit dem neuen, in der oberen Mittelklasse angesiedelten S90 ist jetzt aber Schluss mit Zurückhaltung. Die ab 35.924 Euro netto (D4, 140 kW / 190 PS) erhältliche Limousine streckt sich auf unübersehbare 4,96 Meter und lässt damit mindestens in dieser Disziplin sogar die deutschen Platzhirsche hinter sich.

Obwohl Volvo hierzulande immer noch vor allem als Kombi- und seit einigen Jahren zunehmend als SUV-Marke gilt, schauen die Schweden auch auf eine lange Limousinen-Tradition zurück. Das letzte Spitzenmodell, der S80, war zum Beispiel ein durchaus honoriges und qualitativ hochwertiges Fahrzeug, das allerdings zuletzt im Wettbewerbsvergleich hoffnungslos überaltert aussah. Der S90 ist dagegen von einem ganz anderen Kaliber: Hochmodern im Auftritt innen wie außen und in Sachen Assistenzen ganz vorne dabei. Hinzu kommt das sehr eigenständige und für alle Modellreihen geltende Motoren-Konzept, das sowohl bei Benzinern wie Diesel ausschließlich 2,0-Liter-Vierzylindermotoren vorsieht. Beim S90 werden zunächst je zwei Ottomotoren und Selbstzünder angeboten. Die Benziner leisten 187 kW / 254 PS (T5, ab 41.974 Euro netto) bzw. 235 kW / 320 PS (T6, Allrad, ab 48.361 Euro netto). Bei den Dieseln besteht die Wahl zwischen 140 kW / 190 PS und 173 kW / 235 PS (D5, Allrad, ab 45.756 Euro netto).

Zu den starken Motoren passt der selbstbewusste optische Auftritt, immerhin wuchs der S90 im Vergleich zum S80 bei Radstand und Länge um je rund 15 Zentimeter. Ins Auge fällt vor allem der breite Kühlergrill mit seinen vertikalen, nach innen gewölbten Streben. Wie schon beim großen SUV XC90 taucht auch im S90 wieder das LED-Tagfahrlicht in Form eines liegenden Hammers auf. Ansonsten dominieren klare Linien und glatte Bleche. Diese Klarheit gilt allerdings nicht für das Heck, das mit diversen Falzen und großformatigen Rückleuchten auftrumpft, aber insgesamt doch ein wenig zu konservativ geraten ist.

Viel Leder, Holz, Alu und Karbon

Das neue Selbstbewusstsein setzt sich im Innenraum fort. Das zeigt sich nicht nur an den Materialien selbst – viel Leder, Holz, Alu und KarbonPeter Eck/SP-X - sondern auch an deren hochwertigen Verarbeitung und der geschmackvollen Gesamtabstimmung. Die im Prinzip schon aus dem XC90 bekannte Bedienung, mit dem großen, senkrecht stehenden und je nach Ausstattungsniveau bis zu 9,2 Zoll große Touchscreen im Mittelpunkt, fällt auf Anhieb nicht leicht, erschließt sich aber mit etwas Übung. Platz satt gibt es auch auf den Rücksitzen, die selbst dann noch üppig Raum bieten, wenn vorne richtig große Menschen Platz genommen haben.

Bei den Assistenzsystemen fährt Volvo ganz vorne mit. Unter anderem gibt es serienmäßig einen weiterentwickelten "Pilot Assist", der das Fahrzeug bis 130 km/h in der Spur hält, ohne sich dabei an einem vorausfahrenden Auto orientieren zu müssen. Zudem haben die Schweden ihr City-Safety-System um eine neue Funktion erweitert: Der S90 erkennt bei Tag und Nacht große Tiere wie Elche, Rentiere, Pferde oder Kühe und warnt bzw. bremst im Notfall selbsttätig. Eine Weltpremiere ist das sogenannte "Road Edge Detection", es hält Fahrzeuge in der Spur, ohne dass es auf eine Fahrbahnmarkierung am rechten Straßenrand angewiesen ist.

Von den vier angebotenen Motorisierungen ist schon der kleine Diesel (D4) mit 190 PS empfehlenswert. Das Aggregat ist zwar nicht ausgesprochen leise, überzeugt aber mit Durchzugskraft (400 Nm) und Sparsamkeit (4,4 l/100 km). Zudem ist er zunächst auch der günstigste S90, den man allerdings durch Wahl der höchsten Ausstattungsvariante und beherztem Ankreuzen von Optionen problemlos auf über 60.000 Euro ohne Mehrwertsteuer hochjazzen kann – wie bei unserem Testwagen.

Wer mehr Selbstzünder will, muss für den D5 auch gleich deutlich mehr zahlen, erhält dann zusätzlich 45 PS, Allradantrieb und weitere Ausstattung. Die Benziner werden sich, wie in dieser Fahrzeugklasse üblich, zumindest in Deutschland eher in einer Nische aufhalten. Gerade der große Benziner T6 liefert zwar hervorragende Fahrleistungen (5,9 s von 0-100), wird aber in der Praxis die versprochenen 7,2 Liter nicht annähernd einhalten können.

Plug-in-Hybrid und Einstiegsdiesel ab 2017

Eine interessantere Variante ist da der kommende Plug-in-Hybrid (T8), dessen Elektro-Benziner-Kombination (407 PS) ebenfalls schon aus dem XC90 bekannt ist und der theoretisch auf 50 Kilometer rein elektrische Reichweite kommt. Noch wichtiger wird die ebenfalls für nächstes Jahr avisierte Einstiegsmotorisierung sein, ein kleinerer Diesel (D3) mit wahrscheinlich rund 140 PS, der dann auch die Flottenmanager interessieren dürfte.

Wem eine Limousine von Haus aus zu konservativ ist, dem könnte der V90 schmecken. Die Kombi-Variante kommt im Herbst und bietet neben naturgemäß mehr Gepäckraum vor allem ein moderneres, sportliches Heck. Auch hier muss man kein Prophet sein: Wie beim deutschen Wettbewerb wird der Kombi den deutlich größeren Teil der Verkäufe auf sich vereinen. Volvo-Geschäftsführer Thomas Bauch rechnet mit einem Verhältnis von 2/3 zu 1/3. Was aber nichts daran ändert, dass den Schweden mit dem S90 ganz unbescheiden ein großer Wurf gelungen ist.


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