Von Benjamin Bessinger/SP-X
Erinnert sich noch jemand an das Yps-Heft? Zu seinen besten Zeiten war das Comic-Magazin so beliebt, dass die Kids beim Zeitungskiosk Schlange standen. Das ist zwar mittlerweile über 30 Jahre her, doch elektrisiert dafür jetzt ein anderes Ypsilon die groß gewordenen Kinder von einst. Denn unter diesem Namen bringt Tesla sein wahrscheinlich aussichtsreichstes Modell in den Handel und will mit diesem halbwegs handlichen und noch beinahe bezahlbaren Akku-Auto der Elektromobilität endgültig zum Durchbruch verhelfen. Und genau wie damals im Heft haben auch die Entwickler im Auto ein paar geniale Gimmicks versteckt.
Unsereins wird die allerdings erst spät entdecken – zumindest offiziell. Weil Tesla die Autos für Europa in der Fabrik in Brandenburg bauen will, kommt der Hoffnungsträger frühestens Mitte nächsten Jahres über den Atlantik. Und damit das klappt, müssten sie in Grünheide so langsam mal die Betonmischer anwerfen.
Doch eines der ersten Autos aus der durch Corona dramatisch verzögerten US-Produktion hat es bereits nach Europa geschafft und mit der tatkräftigen Unterstützung des Youtubers und Elektro-Missionars Stefan Moeller von Nextmove haben wir uns für eine erste Ausfahrt hinters Steuer geklemmt.
SUV können auch sexy sein
Zwar mag das Model Y zum Shooting-Star auf der Electric Avenue werden und sich besser verkaufen als Model S, X und 3 zusammen. Doch auf den ersten Blick sieht es ziemlich unspektakulär aus – glatt und schnörkellos wie ein abgegriffenes Stück Seife und den anderen Teslas zum Verwechseln ähnlich. Erst im direkten Vergleich mit dem Dreier erkennt man, dass es sechs Zentimeter länger, sieben Zentimeter breiter und vor allem 18 Zentimeter höher ist. Aber auch das neue Format machen aus dem viertürigen Coupé auf Stelzen keinen rustikalen Geländewagen – aber die sind ja auch von gestern und besser als jeder BMW X4 beweist der Tesla, dass SUV auch sexy sein können.
Tesla Model Y (Fahrbericht)
BildergalerieAuch drinnen kommt einem das Model Y ziemlich vertraut vor: Genau wie im Model 3 ist das Cockpit absolut clean und außer den Türöffnern und Fensterhebern gibt es keinen einzigen Schalter mehr, sondern allein den riesigen Touchscreen, der wie ein XXL-Tablet über der Mittelkonsole zu schweben scheint. Und dass man ein bisschen höher sitzt, das merkt man zwar beim Einsteigen, aber leider nicht beim Rausschauen – denn auch von hier oben kann man zum Beispiel den Bug des Tesla nicht sehen. Nur gut, dass es ringsum Kameras gibt.
Auch beim Fahren spürt man kaum einen Unterschied zum 3, das gerade mal 1.260 Euro netto günstiger ist – erst recht nicht, wenn man wie wir im Top-Modell mit Performance-Set-up unterwegs ist: Bei zwei Motoren mit zusammen angeblich 450 PS – nix genaues verrät Tesla wie üblich nicht – ist es egal, ob das Auto jetzt ein, zwei Zentner mehr oder weniger wiegt und man sucht sich besser ein freies Stück Straße für den ersten Kickdown. Denn wenn das Model Y voll durchbeschleunigt und in 3,7 Sekunden auf Tempo 100 sprintet, hat selbst ein Elfer das Nachsehen. Und selbst wenn das SUV mit maximal 241 km/h nicht ganz so schnell ist wie die Limousine, fährt sie vom Taycan einmal abgesehen allen anderen Elektroautos aus europäischer Produktion locker und lässig davon.
Nur virtuell: Kaminfeuer und Furzkissen
Während sich das Model Y für den Fahrer außer beim bequemeren Einsteigen anfühlt wie ein Model 3 und man selbst von dem bisschen mehr Bodenfreiheit nichts spürt, weil die Batterien den Schwerpunkt trotzdem auf Sportwagen-Niveau drücken, hat das SUV für die Hinterbänkler deutlich mehr zu bieten. Denn mit der Dachhöhe steigt spürbar die Kopffreiheit und das Raumgefühl ist rundherum besser. Außerdem kann man – wenn auch ein bisschen umständlich – jetzt die Neigung der dreigeteilten Rücklehne verstellen und deshalb bequemer sitzen. Nur wie in den zugebenermaßen stattlichen Kofferraum und der elektrischen Heckklappe noch die versprochene dritte Sitzreihe passen soll, das bleibt ein Geheimnis von Elon Musk, das allenfalls Grundschüler irgendwann mal ergründen können. Aber genau so, wie seine Software-Ingenieure im Infotainment-System ein Kaminfeuer und ein virtuelles Furzkissen versteckt haben, werden sie schon auch dieses Gimmick noch ins Gepäckabteil friemeln. Und wenn sie nebenbei auch noch eine Gepäckraumabdeckung entwickeln, wissen Spießer künftig auch wohin mit ihrem Hut.
Aufbau und Auftritt sind neu, doch den Antrieb kennen wir vom Model 3: Auch den Newcomer gibt es zunächst mit zwei Motoren und unterschiedlichen Leistung: Auf Reichweite optimiert, schafft das Model Y bis zu 505 Kilometer, braucht für den Standardsprint 5,1 Sekunden und kommt auf bis zu 217 km/h. Wer mehr Wert auf Perfomance legt, fährt schneller, aber dafür nicht so weit: 480 Kilometer stehen dann auf dem arg lückenhaften Datenblatt, das Tesla sich entlocken lässt. Und tiefer in die Tasche greifen muss man obendrein: Aktuell ruft Tesla 49.260 und 55.142 Euro netto auf – von denen aber erstmal nur 1.680 Euro angezahlt werden müssen.
Wirklich spannend wird es aber erst 2022 mit dem Standardmodell. Das hat zwar nur noch einen Motor und eine WLTP-Reichweite von knapp 400 Kilometern, wird aber nur noch rund 38.000 Euro netto kosten. Selbst wenn dann ein paar Details aus der langen Optionsliste auf der Strecke bleiben dürften, könnte dieser Tarif – erst recht nach Abzug der Förderung – zum größten Gimmick werden.