Von Autoflotte-Chefredakteur Michael Blumenstein
Unverkennbar. Der neue Clio ist ein Renault. Dass das zu erkennen ist, ist schön und längst nicht selbstverständlich. Ob einem die markanten und im Falle des neuen Clio nicht mehr ganz so "lauten" C-förmigen LED-Tagfahrleuchten gefallen, muss jeder selbst entscheiden. Auffallen tun sie in jedem Fall und finden sich in Form und Technologie auch an den Rückleuchten wieder. Außergewöhnlich beim Thema Licht: Der Clio kommt stets mit LED-Scheinwerfern. Was bislang nicht einmal in der oberen Mittelklasse standardisiert ist und den Herstellern noch fette Gewinne bereitet, wenn der Kunde das Häkchen setzt, ist beim Clio einfach mal an Bord – sogar in der Basisversion "Life".
LED-Scheinwerfer Serie
Bleiben wir bei der kleinsten der fünf erhältlichen Ausstattungslinien, denn diese ist bereits vernünftig ausstaffiert. Neben den erwähnten LED-Scheinwerfern gibt es stets einen Tempomat sowie einen Spur-, Notbrems- und Verkehrsschild-Assistent. Was in jedem Fall fehlt, sind jedoch so rudimentäre Details wie Radio und Klimaanlage. Somit wird man wohl am Ende bei rund 12.000 Euro landen.
Dann ist unter der Motorhaube übrigens ein Einliter-Dreizylinder mit schmalen 65 PS, der mit den immerhin knapp 1,2 Tonnen Mühe haben dürfte, was jedoch im Stadtbetrieb nicht ins Gewicht fällt. Reisetauglicher ist in jedem Fall die Einliter-100-PS-Version – das wird auch der Topseller werden. Ein Turbolader bringt 160 Newtonmeter ins Spiel und wirbelt den 4,05-Meter-Flitzer behände durch die Gegend. Hin und wieder vermisst man den sechsten Gang, was jedoch dem Normverbrauch von schlanken 4,2 Litern nicht entgegensteht. Damit bewegt sich der Dreizylinder-Benziner auf Dieselniveau.
Gut so, denn Diesel wird es im Clio nicht mehr geben – zumindest in Deutschland nicht. Zum Ende des Jahres soll ein Hybrid folgen, der gerade im urbanen Raum 40 Prozent weniger verbrauchen soll als die klassischen Benziner. Komfortverwöhnte werden sich eher für den 1,3-Liter-Vierzylinder entscheiden. Der laufruhige Motor wird auch in diversen Mercedes-Modellen eingesetzt und macht sich dort ebenso gut, wie im kleinen Clio, der beim TCe 130 stets an ein nicht immer wie gewünscht schaltendes Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gebunden ist. Eine brauchbare Kombination, die jedoch ins Geld gehen wird.
Renault Clio (2020)
BildergalerieAber Luxus passt zum kleinen Franzosen. Denn der Clio kann opulent, wie das Interieur der oberen drei Ausstattungslinien beweist. Der Kunde hat zum Beispiel die Möglichkeit, sich aus verschiedenen Armaturenbrettfarben die liebste auszuwählen, gepaart mit sauberer Verarbeitung und guter Materialauswahl – lediglich die Fondtüren flattern beim Zuschlagen merkwürdig nach. Auf Wunsch gibt es ein Volldigital-Cockpit und ein 9,3-Zoll-Infotainmentsystem mit Navi- und Onlinefunktion (mit aktuellen Spritpreisen der Tankstellen). Und sogar audiophile Naturen werden sich mit dem Kleinwagen anfreunden können. Bose implantiert dem Zwerg ein ausgefeiltes Soundsystem, das ein ordentliches Timbre in den Raum wirft, wenngleich dennoch kein High-end-Sound erwartet werden darf. Acht Lautsprecher plus Subwoofer sorgen für: Bose-Bass.
Eng im Fond
Damit die Musik in vollen Zügen genossen werden kann, sollte es in einem Konzertsaal gemütlich sein. Vorn reicht die Bewegungsfreiheit auch für Langgewachsene. Das weiche Gestühl und griffige Lenkrad lassen sich weit verstellen, und die Komfortsitze machen einen gesunden Eindruck. Ob das auf Langstrecken auch passt, muss sich noch weisen. Die Ledersitze sind übrigens dezent straffer und stärker ausgeformt. Der Platz auf der Rückbank soll 26 Millimeter mehr Beinfreiheit bieten als bislang – eng ist es immer noch. Und zwar auch dann, wenn der Fahrer den Sitz korrekt eingestellt hat.
Zum Konzertsaal gehört selbstverständlich auch Ruhe. Außer der Musik möchte man gerne nichts hören. Das kann der Clio bedingt leisten. Abrollgeräusche der großen 17-Zoll-Räder, hier und da ein Poltern beim Überfahren von kurzen Macken im Asphalt und Windgeräusche jenseits von Tempo 130 um die Spiegel herum zeigen, dass man doch in einem Kleinwagen unterwegs ist – aber selbst da strebt der Franzose in Richtung Kompaktklasse.
Die würde sich auch stets gern mit dem Arsenal an Sicherheitsassistenten schmücken können, die der Clio auffährt. Dieser Kleinwagen hat alles, was einem so spontan zu diesem Thema einfällt. Sogar eine Staufunktion ist im ACC (beim Topmotor) integriert, das verleitet zwar zum Smartphone-Gefummel (AppleCarPlay und AndroidAuto), erhöht aber dennoch die Sicherheit und den Komfort.
So überzeugt der neue Renault Clio vor allem mit seiner Anmutung, den durchaus feinen Materialien, der sauberen Haptik und vielen Details sowie Extras, die in der Kleinwagenklasse selten sind. Dass es den Clio nur noch als Fünftürer und ausschließlich mit Benzinmotoren gibt, lässt sich verschmerzen, denn der Verbrauch ist überschaubar, ein Hybrid in Sichtweite und auch mit den praktischen Fondtüren sieht der Neue stimmig aus. Unser Favorit ist der quirlige und sparsame TCe 100 als "Business Edition", exklusiv für Gewerbetreibende. Der Clio könnte also auch in Generation Nummer 5 Europas Kleinwagenliebling bleiben. 15 Millionen hat Renault seit 1990 verkauft. Kein Wunder. Denn mehr Auto braucht es oftmals nicht – selbst auf Langstrecken.