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Fahrbericht MG Marvel R: In der Ruhe liegt die Kraft

21.09.2021 07:00 Uhr
Ende 2021 schickt MG ein weiteres Elektro-SUV ins Rennen.
© Foto: MG Motors

Mit dem Elektro-SUV Marvel R hat MG ein Angebot für die gelassene Reise mit der ganzen Familie. Und: Weniger kann dabei durchaus mehr bewirken.

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Von Peter Weißenberg

Müssen Mutter, Vater, Kind eigentlich unbedingt mit einem kräftigen Tritt ins Kreuz in den Urlaub starten? Mit schmerzenden Rippen nach der Serpentinenfahrt dank ultrakonturierter Sportsitze? Oder Stichen im Popometer wegen des allzu sportlichen Fahrwerks? Wer der Werbelyrik vieler Autohersteller erliegt, kauft gerade in der neuen vollelektrischen Welt der Drehmoment-Monster oft ein Gefährt, das partout auf Katapultstart-Sportwagen machen soll. Mit den genannten Folgen.

Aber das muss nicht sein, wie eine erste Ausfahrt mit dem Marvel R belegt, den der chinesische Hersteller MG ab der Jahreswende nach Deutschland bringt. Für rund 34.000 Euro netto (die Förderung geht davon noch ab) soll das 4,67 Meter lange SUV zu haben sein. Und gerade die Basismotorisierung zeigt: In der Ruhe liegt die Kraft. Nun sind 132 kW / 180 PS, und 410 Newtonmeter Drehmoment auch nicht gerade eine Verzichtserklärung. Aber der 1,8 Tonnen schwere Wagen lässt es beim Tritt aufs Beschleunigungspedal denn doch nicht angehen wie das Space Shuttle beim Start. Wozu auch?

Der Marvel will schließlich vor allem Reisewagen sein – und da ragt er gerade mit dieser Motorisierung aus dem Angebot hervor. Das SUV ist sanft, aber niemals schwabbelig gefedert. Die Rückmeldung von der Straße ist direkt, bleibt aber gelassen. Auch in den Sitzen, ab Luxury-Variante (ca. 50.000 Euro) belüftet und beheizt, fühlt sich der Reisende auf Anhieb wohl. Nicht zu straff, nicht zu weich. Rückenfreundlich eben – auch nach der längeren Ausfahrt. Lediglich die Lenkung könnte etwas straffer sein; aber der gefahrene Marvel ist ja ein Vorserienmodell, vielleicht drehen die Ingenieure in Shanghai ja noch ein paar Schräubchen nach.


MG Marvel R (Fahrbericht)

MG Marvel R (Fahrbericht) Bildergalerie

Bei der Gelegenheit sollten auch die Assistenzsysteme noch mal auf Herz und Nieren geprüft werden. Denn in der chinesischen Originalversion kann Marvel R mehr als in der hier angebotenen: Intelligenter Abstandstempomat mit Anpassung an die erlaubten Geschwindigkeiten, selbstständiges Fahren auf Level 3 (ohne Hand am Steuer) oder autonomes Parken ohne im Fahrzeug zu sitzen, das kann das SUV dort. In Deutschland sind die Funktionen zwar im Zentralrechner angelegt und teils sogar zu sehen, aber nicht freigeschaltet. Per Online-Update über die eingebaute 5G-Sim-Karte wären diese Steigerungen des Reise-Vergnügens aber auch hier zu haben. Wie genau der Marvel da beim Marktstart konfiguriert ist, das ist noch nicht ganz klar.

Auf der Höhe der Zeit

Deutlich wird aber, dass sich die Chinesen trotz des Kampfpreises – Konkurrenten wie der Hyundai Ioniq 5 oder Skoda Enyaq sind einige tausend Euro teurer – bei der Verarbeitung auf der Höhe der Zeit sind. Statt Hartplastik fassen die Passagiere auf allen Plätzen weiche, penibel verarbeitete Kunststoffe und feines Leder an. Auch der Bordcomputer reagiert schnell – und zeigt seine Rechenergebnisse bei Navi und Co fix und hochauflösend ablesbar auf dem leicht abgeschrägt unter der Mittelkonsole sitzenden 19,4-Zollmonitor an, für den Fahrer auch in einem virtuellen Cockpit hinter dem Lenkrad. Head-up-Display allerdings bietet der Marvel nicht. Es gibt also noch was zu tun fürs nächste Facelift. Die Sprachbedienung allerdings beherrscht neben den üblichen Navi- oder Infotainment-Befehlen auch schon das Öffnen des riesigen und serienmäßigen Glasschiebedaches; weitere Dialoge dürften per Update nachgereicht werden.  

Schon in der ersten Liga angekommen ist die beeindruckende Laufruhe. Der Stromer ist antriebsbedingt ohnehin ruhig, aber besonders gute Dämmungen und Doppelglas auch an den Seitenscheiben vorn lassen sogar eine Flüsterunterhaltung noch bei Tempo 200 zu. Kein Druckfehler - die 200-Stundenkilometermarke erreicht der Marvel R anders als die weit früher abgeregelten Wettbewerber auch in der Basisvariante mühelos. Sie ließe sich sogar als Dauergeschwindigkeit bei der nächtlichen Urlaubsfahrt nutzen. Wäre dann nicht der Akku schon nach einer knapp dreistelligen Kilometerzahl leergesaugt. Hexen kann beim E-Auto eben niemand. Aber der kurze Sprint kann ja auch zuweilen hilfreich sein.

Mittels Fahrprogrammen geht es übrigens auch automatisch nochmal gemütlicher: Wer statt "Sport" oder "Normal" den Eco-Modus wählt, begrenzt Beschleunigung und Endgeschwindigkeit reichweitenfreundlich. Und die Rekuperation lässt sich auf drei Stufen steigern bis zum One-Pedal-Feeling. Der Elektromotor kann so maximal beim Bremsen 100 Kilowatt abrufen und wieder in die Batterie speisen.

Nachladen: Mittagessen statt Kaffeepause

Neigt sich die Ladung dann nach spätestens knapp 400 Kilometern der Nulllinie zu, ist bei der großen Reise etwas mehr Geduld gefragt. Denn die maximale Ladeleistung liegt bei 92 Kilowatt. Da braucht es also selbst an der Schnellladestation rund eine Dreiviertelstunde, bevor die Batterie von fünf auf 80 Prozent Ladung angelangt ist. Statt Kaffeepause ist dann also eher das gepflegte Mittagessen angesagt, bevor die Reise weitergeht.  

Nicht nur Kinder sitzen übrigens in der zweiten Reihe bequem und luftig – auch wenn das Elektro-SUV kein Raumwunder ist. Die Höhe des Kofferraums ist sogar eher unterdurchnittlich und die Ladekante recht hoch. Die stets elektrische Klappe gibt gerade einmal 357 Liter frei. Ohne Mitreisende im Fonds sind nach Umlegen der Rückbank aber bis zu 1.396 Liter drin. Und immerhin hat er dank Heckantrieb unter der Fronthaube noch Platz für weitere 150 Liter, vorbildlich per Gasdruckfeder automatisch öffnend.

Bei der Allradversion bleibt an der Stelle nur ein besseres Handschuhfach. Dafür treibt der 4WD mit seinen drei Motoren den Marvel in weniger als fünf Sekunden (statt knapp acht) von Null auf 100 km/h – und rammt beim Beschleunigen den 665-Newtonmeter-Elefantenfuß ins Kreuz. Aber mal ehrlich: Braucht man das?

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